FRAUEN.MACHEN.LAUSITZ

Du lebst in der Lausitz?
Du liebst die Lausitz?
Du haderst vielleicht auch manchmal mit der Lausitz?

Dann musst du am 7. Mai dabei sein!
Weil es wichtig ist, was dich bewegt.
Weil Vernetzung und Freundschaften das Leben bereichern.

Wir schaffen für euch tolle Frauen einen sicheren Raum zum Informieren, Austauschen, Plaudern und Lernen. Lasst die Sorgen einmal zu Hause oder bringt sie alle mit, wenn euch was unter den Nägeln brennt. Holt euch Inspiration, Mut oder einfach nur Zustimmung von Gleichgesinnten oder Andersdenkenden. Hört euch Geschichten an oder erzählt sie selbst. Das wird EURE Veranstaltung.

Dieser Einladung folgten am 7. Mai 2022 circa 70 Frauen ins Kulturhaus am Weinberg (KultBerg) nach Altdöbern. In diesem Bericht wollen wir euch einen Überblick über die Idee der Veranstaltung, den Verlauf, die Erkenntnisse und die Eindrücke der Teilnehmerinnen schaffen. Doch wie entstand überhaupt die Idee zu dieser Veranstaltung?

Oktober 2021 – der Frauenpolitische Rat Land Brandenburg e.V. veröffentlicht seine alljährliche Ausschreibung zur Einreichung von Veranstaltungen im Rahmen der Brandenburgischen Frauenwochen. Marie Melzer von der F wie Kraft-Redaktion und Juliane Marko vom KultBerg und treue F wie Kraftlerin dachten sich, dass das doch die ideale Gelegenheit wäre, den monatlichen Online-Stammtisch von F wie Kraft auf ein ganz neues Level zu bringen. Sofort ist auch Johanna Fischer, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Oberspreewald-Lausitz als kommunale Partnerin gefunden. Gemeinsam konzipierten sie die Veranstaltung und der Landkreis Oberspreewald-Lausitz stellte den Antrag beim Land Brandenburg. Dieser wurde bewilligt und es konnte los gehen.

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Das Motto der 32. Brandenburgischen Frauenwochen „Gehen oder Bleiben?“ haben wir zum Anlass genommen, um mit Frauen aus unserer Region ins Gespräch zu kommen. In dieser mittlerweile weit vernetzten Welt mit (scheinbar) grenzenlosen Möglichkeiten und Perspektiven wird auch der Blick auf die eigene kleine Welt intensiver und es entsteht immer häufiger auch der Wunsch sich Zuhause und angekommen zu fühlen. Es führt dazu, dass viele, die nach der politischen Wende oder zum Studium weggezogen sind, zurück kommen in die Heimat. Also die Region, in der sie aufgewachsen sind und mit der sie eine Geschichte und viele emotionale Momente verbinden. Diese „Rückkehrerinnen“ bringen viele neue Erfahrungen und Ideen mit in ihre Heimat, um sie zu einem Ort zu machen, an dem sie bleiben wollen.

Und dann gibt es diejenigen, die geblieben sind und nie weg waren. Diese Frauen haben sich für die Heimat und die Lausitz entschieden. In den vergangenen Jahren haben sie die Lausitz zu dem Ort gemacht, der sie heute ist und so sind unter Ihnen viele engagierte und spannende Persönlichkeiten. Gerade in den letzten 100 Jahren hat sich die Region grundlegend gewandelt. In diesem Lausitzer Seenland, dem einstigen Lausitzer Braunkohlerevier, hat sich die Natur bereits einem großen Wandel unterzogen und auf den ersten Blick erinnert wenig an das, was hier einmal war. Doch schaut man hinter diese, an vielen Orten landschaftlich sehr schöne Fassade der Lausitz, ist zu erkennen, dass wir uns mitten im Strukturwandel befinden. Wir bewegen uns weg von der Braunkohle, hin zu einer Region, die sich in allen gesellschaftlichen Bereichen erst wieder neu definieren muss. Dieser Wandel wird die Lausitz grundlegend verändern.

Es gilt, jetzt aktiv zu werden

 Das Interesse an der Veranstaltung war groß. Im Alter von 17 bis 86 Jahre sind 71 Frauen und Männer aus der Lausitz in Altdöbern vertreten gewesen und haben ihre Sicht auf die Lausitz diskutiert. Bereits einige Zeit vor Beginn der Veranstaltung waren mehr als die Hälfte der Teilnehmenden anwesend und haben die Möglichkeit genutzt, sich gegenseitig kennenzulernen und miteinander zu vernetzen. Hauptsächlich kamen die Teilnehmenden aus dem Landkreis Oberspreewald-Lausitz, aber auch aus anderen Orten Südbrandenburgs sowie Köln, Berlin, Potsdam, Görlitz und Bautzen.

Der Veranstaltungstitel hatte zuvor nicht zu viel verraten und so waren die Teilnehmenden gespannt, was sie erwarten würde. Durch das Programm führte Monika Auer, die als ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Senftenberg für viele der Teilnehmenden bereits ein bekanntes Gesicht ist. Die Veranstaltung startete nach einer stimmungsvollen Moderation, der Vorstellung des Organisationsteams und der Begrüßung durch Manuela Dörnenburg, Landesgleichstellungsbeauftragte Brandenburg, mit einem Speed-Dating. In den ersten Gesprächen und Diskussionen zeigte sich, dass die Lausitz durchaus lebens- und liebenswert, aber auch verbesserungswürdig sei. Alle Teilnehmenden, unabhängig davon, ob sie in der Lausitz bleiben, diese verlassen oder in diese wiederkommen wollen, waren sich einig: In der Lausitz bewegt sich viel und es gilt jetzt aktiv zu werden.

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In den anschließenden Gesprächsrunden wurde an vier Thementischen die Lausitz unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert. Um einen Überblick über die wichtigsten Themen, die Diskussionsverläufe, Erkenntnisse und Beschlüsse zu gewinnen, wollen wir die Mitwirkenden nun am besten selbst zu Wort kommen lassen!

Lausitzer Kultur in sich wandelnden Strukturen

Claudia Arndt, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der BTU Cottbus mit dem Themenfeld Soziale Arbeit, lud die Teilnehmerinnen an ihrem Thementisch zur Diskussion über die Kultur in der Lausitz ein. Hintergrund ist ihr Forschungsthema „Kulturelle Lausitz in sich wandelnden Strukturen“ - wie begreift die Lausitz sich selbst in ihrem kulturellen Leben und Erleben und wie wird diese von außen begriffen? Worüber gesprochen wurde, fasst Claudia gern für uns zusammen.  

In der ersten Gesprächsrunde thematisierten wir den Kulturbegriff. Welches Verständnis haben die Teilnehmerinnen von Kultur? Es entstand eine Sammlung der Redebeiträge in Form eines Clusters. Deutlich wurde vor Allem, dass Kultur stark mit Freizeit assoziiert wird und die Wahrnehmung von kulturellen Angeboten durch schwierige Infrastrukturen erschwert wird. Gerade in peripheren Räumen ist es besonders herausfordernd, sich für Kulturangebote zu entschließen, denn der Faktor Zeit und Erreichbarkeit spielen eine große Rolle. Kultur steigert auch die regionale Attraktivität, die im Hinblick zur Gewinnung von Rückkehrern oder neuen Personen wesentlich ist.

Die zweite Gesprächsrunde fokussierte die Herausforderungen im kulturellen Sektor in der Lausitz. Gerade die weltpolitische Lage wurde als Stolperstein für die Entstehung neuer kultureller Angebote benannt, denn wofür gebe ich persönlich nun mein Geld aus? Was priorisiere ich mehr? Lebensmittel oder eine Theater- oder Konzertkarte, auch, wenn die Menschen nach 2 Jahren Pandemie deutlich „ausgehungert“ sind und gerne sich wieder zunehmend kulturellen Angeboten widmen wollen, steigen auch hier die Preise für Tickets etc. Außerdem sind die kulturellen Bedürfnisse je nach Altersgruppe sehr unterschiedlich, vor allem in der Oberlausitz wird wahrgenommen, dass es kaum Angebote für 25-40-jährige Personen gäbe, die Niederlausitz hingegen sei die Bevölkerung beispielsweise mit der Cottbuser Kultur stärker bedient für alle Altersgruppen. Mängel bestehen vor allem im Bereich personeller Ressourcen. Der Wunsch nach mehr Bürger:innenbeteiligung wurde sehr vehement vorgebracht.

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Die dritte Gesprächsrunde behandelte die Fragen: Was zeichnet die Lausitz spezifisch in einem weiten Kulturverständnis aus? Was ist das Besondere unserer Region? Die „Parallelwelt“ der Sorben mit ihren Sagen und Bräuchen, die auch Nicht-Sorben prägt, wie das Eiermalen oder die Krabatsage, oder die Essenskultur: die Lausitz is(s)t mehr als die Spreewaldgurke… Bautzner Senf, Leinöl, „Scharfes Gelb“, Plinse, schlesische Traditionsgerichte. Eine sehr breite Theaterlandschaft, wird unter Anderem sehr deutlich im urbanen Raum von Cottbus, innerhalb eines Umkreises von 1km sind in der Innenstadt (6 Spielstätten zu finden) und in den ländlichen Räumen sticht besonders das Amphitheater am ehemaligen Tagebaurand hervor. Industriekultur und Tagebaue, Renaturierungsprozesse von der Arbeiter- zur Erholungskultur (Radwegenetz, Seenlandschaft, Spreewald). Die spezielle Architektur ist geprägt von Fachwerk- und Umgebindestil. Als wichtige Dichter und Denker wurden Gundermann und Strittmatter genannt. Auch die Kontroverse um den Wolf spielte eine Rolle. Als kulturelle Highlights wurden das osteuropäische Filmfestival, der Rosengarten in Forst, der Branitzer Park, der Findlingspark Nochten, die Kulturfabrik Hoyerswerda, die Krabatmühle, das Besucherbergwerk F-60 genannt. Die Lausitzer Mundart wurde als von Offenheit und direkter Ansprache des Gegenüber geprägt beschrieben, ohne Floskeln, Sturheit und Zielstrebigkeit… „die haben harte Hände und ein hartes Herz“ (aus dem Songtext zu „Und musst du weinen“ von Gundermann).

Insgesamt ist in den Beiträgen sehr deutlich geworden, dass die Teilnehmerinnen stolz auf ihre Region sind und überzeugt davon, dass sie viel zu bieten hat, was jedoch in den Medien sichtbarer gemacht werden sollte.

Frauen.Leben.Hier

Pauline Voigt ist Kulturmanagerin aus Görlitz. Sie hat gemeinsam mit Studierenden der Hochschule Zittau/Görlitz eine Landkarte entworfen, auf der Initiativen, Projekte und Vereine von Frauen verzeichnet sind. Sie motivierte die Gästinnen an ihrem Tisch, sich gemeinsam die Karte anzuschauen und andere engagierte Frauen kennenzulernen, die in der Lausitz etwas bewirken. Die Gesprächsrunde bot außerdem Gelegenheit, sich über Netzwerkarbeit und eigene Projekte auszutauschen und sich direkt in die Karte eintragen zu lassen. Pauline fasst die Gespräche wie folgt zusammen:

Bereits beim Ankommen war die spannende Mischung der Teilnehmer:innen zu beobachten. Ältere Damen, teilweise mit ihren Enkelinnen, Gleichstellungsbeauftragte sowie anderweitig engagierte und interessierte Frauen. Aus der Lausitz stammende, in der Lausitz wohnende und Zurückgekommene. Deutlich wurde in der Publikumszusammensetzung: Frauen mit kleinen Kindern bleiben eher zuhause – es sei denn, sie können ihre Kinder gut unterbringen.

Die spannende Zusammenstellung wurde auch deutlich, als die Moderatorin den Programmpunkt des Speeddatings vorstellte. Sie selbst, als älteres Semester, habe auch Schwierigkeiten mit der Methode und dem englischen Wort – aber trotzdem sollten sich alle einen Ruck geben und es Versuchen. Im Vorfeld hatten wir dafür etwa eine halbe Stunde angesetzt, welche nahtlos in Kaffee und Kuchen überging. Und das war auch bitter nötig, denn sehr schnell kamen Gespräche in Fahrt, welche auch noch mehrere Stunden hätten weitergeführt werden können.

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Ich saß mit 3 älteren Damen aus der Region Senftenberg an einem Tisch und gegenseitig fragten wir uns neugierig über unser Leben aus. Und das zurecht, denn unsere Lebenswelten sind sehr unterschiedlich. Eine Witwe, welche in ihrem früheren Leben als Apothekerin gearbeitet hat. Zwei Frauen, welche in der Braunkohle gearbeitet haben. Nach dem Ende der Braunkohle gingen sie in Frührente und haben sich jeweils neue Aktivitäten gesucht: Führungen in einem Schlosspark, Engagement in der Kirchgemeinde, Arbeit mit Kindern etc. Und daneben ich, fast 30, Kulturmanagerin aus Görlitz. Was sind unsere Hobbies, unsere Arbeit? Für welche Themen interessieren wir uns?

Für meine Gesprächsrunde hatte ich mir ein grobes Konzept gemacht und viele Gesprächsfragen vorbereitet, falls das Gespräch ins Stocken gerät. Schnell stellte sich aber heraus, dass das gar nicht nötig gewesen wäre – die Fragen und Gesprächsthemen ploppten von alleine auf.

Bereits die Vorstellungsrunde bot viel Potential. Dabei waren eine Studentin aus Halle, welche nach ihrem Abschluss wieder in die Lausitz zurück will, eine Doktorandin, welche unter anderem über das Lausitzer Revier promoviert, eine sportliche junge Frau, mit welcher wir gleich den nächsten Stammtisch vereinbarten, eine Cafébesitzerin, eine Frau, welche in ihrem Ort gerade viele Projekte startet, eine ehemalige Braunkohle-Ingenieurin, welche sich in einem Frauenverein engagiert und eine Rückkehrwillige mit dem Traum einer eigenen Weinbar.

Danach stellte ich kurz F wie Kraft und das Projekt Frauen.Leben.Hier vor. Ich berichtete, dass sich viele Frauen unsicher waren, ob sie ihre Initiative in die Karte eintragen wollen, ob ihre Initiativen dafür passend sind. Herausgearbeitet wurde der Vorschlag, das „für Frauen“ aus dem Slogan „von Frauen für Frauen“ zu streichen. Eine Begründung war: „Ich möchte auch Männer ansprechen, damit Männer unser Engagement sehen. Dass Frauen nicht nur über Waschmaschinen sprechen.“ Diese Diskussion gilt es, fortzusetzen.

Schnell kamen wir über dieses Thema auf die Arbeit eines Frauenvereins in der Nähe von Senftenberg. Dieser Verein setzt sich für die Gestaltung des dörflichen Lebens ein, z. B. durch regelmäßige Treffen, aber auch durch „zampern“ (für alle wie mich, die dieses Wort vorher noch nicht kannten: Jedes Jahr treffen sich die Frauen vor Ort zum zampern, das heißt, sie ziehen von Haus zu Haus und sammeln Spenden. Und schwupps, wieder ein Wort gelernt...). Nun steht der Verein jedoch vor einem erheblichen Nachwuchsproblem und schnell diskutierten wir über folgende Fragen: Wie können jüngere Frauen für den Frauenverein gewonnen werden? Interessieren sich junge Frauen überhaupt für diese Art von Vereinsarbeit? Und wie gelingt der Generationswechsel, ohne die älteren Damen im Verein mit neuen Herangehensweisen zu überfordern?

Aus dem Gruppengespräch entstanden schnell Einzelgespräche, welche bis zum Ende der Zeit fortgeführt wurden.

Zitate des Tages:

„Ich möchte auch Männer ansprechen, damit Männer sehen, dass Frauen nicht nur über Waschmaschinen sprechen.“

„Ich habe meinen eigenen Weg nach der Braunkohle gefunden und es dabei geschafft, meine Heimat zu behalten.“

„Wir netzwerken nicht nur, weil wir Freude daran haben, sondern weil wir etwas erreichen wollen.“

„Graue Männer, blaue Anzüge, braune Schuhe“

Toni Mertsching ist Mitglied des sächsischen Landtags aus Weißwasser. Sie lud die Teilnehmerinnen an ihrem Thementisch zur Diskussion Frauen im Strukturwandel. Sie berichtet über die Gespräche:

In der ersten Runde wurden die Teilnehmer:innen nach ihren Assoziationen mit dem Strukturwandel gefragt. Immerhin ist viel Geld im Spiel, aber der Ausgang offen. Manche sind jetzt schon enttäuscht und fragen sich, wer das alles wuppen soll. Die meisten sehen großes Potenzial im Strukturwandel, allerdings fragten sie sich, welche Mitwirkungsmöglichkeiten sie überhaupt hätten. Es wurde auch die Befürchtung geäußert, dass das Geld nicht dort ankommt, wo es gebraucht wird. Von den vielen Projektideen seien auch viele fraglich.

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„Aus Versehen vergessen?“ – Bei der Frage nach Assoziationen zum Thema ‚Strukturwandel & Frauen‘ machten die Teilnehmer:innen unmissverständlich deutlich: Ohne Frauen kann der Strukturwandel nicht gelingen. Doch sie sind wenig sichtbar, eher die Macherinnen in der zweiten Reihe, kaum in Entscheidungsgremien vertreten. Leider gehen viele der schlauen Frauen weg und sind aber aktiver, wenn es darum geht, Veränderung zu gestalten und anzupacken. Damit seien sie ein für diesen Prozess ungenutztes Potential.

Am Ende haben wir noch Ideen gesponnen, wie Frauen und ihre Interessen und Fähigkeiten stärker Eingang in den Strukturwandelprozess finden könnten:

  • Eine Kampagne rund um „Frauen.Machen.Lausitz“
  • weiterhin Quoten fordern in Gremien und für Unternehmen
  • Frauen aktiv für politische Ämter fördern
  • Vernetzungsgruppen, Empowerment und Mentoring, um lauter zu werden
  • eine Konferenz mit Frauen und den politischen Entscheidungsträgern
  • Erhebung Datenlage zur Anzahl von Entscheidungsträgerinnen in der Lausitz
  • gender budgeting
  • Analyse: wem nutzen die Projektvorschläge – wer profitiert von den Geldern?

Auf die konkrete Frage, welche Jobs für Frauen in der Lausitz attraktiv wären, wurde vorgeschlagen, dass es für Frauen bzw. bestimmte Ausbildungen ein eigenes Jobportal bräuchte. Darüber hinaus fehlt es an den rundherum-Bedingungen: Nicht jede will sich selbstständig machen, viele lieber im Team arbeiten und das mit flexiblen Arbeitszeiten, bei einer modernen Führungskultur und Infrastruktur. Und Co-Working-Spaces mit gekoppeltem Kita-Angebot würden auch der Einen oder Anderen entgegen kommen!

Frage des Tages: „Warum wird Frauen nicht der rote Teppich ausgerollt?“

Thementisch „Wir leben gern hier, weil…“ mit Vivien Eichhorn

Vivien Eichhorn ist Mitarbeiterin im Verein Wertewandel - soziale Innovation und demokratische Entwicklung e.V. aus Vetschau und lebt in Lauchhammer. An ihrem Thementisch wurde über die Verbundenheit mit der Region und Wertevorstellungen diskutiert:  

Viele Frauen wandern aus der Lausitz ab. Doch wir leben gern hier. Warum ist das so? Und was muss sich ändern, damit wir alle hier gut und gern leben können?

Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Cottbus, Sabine Hiekel, berichtete uns, wie sie Gleichstellungsbeauftragte geworden ist, dabei haben sexistische und Belästigungs- Erfahrungen während ihrer Ausbildung und während ihres Berufseinstiegs im technischen Bereich eine große Rolle gespielt. Sie ist Powerfrau, kämpft sich durch und lässt sich nichts sagen.

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Kohleausstieg – Fluch oder Segen? Wir diskutieren mit einer älteren Frau und einigen uns darauf, dass der Kohleausstieg an sich zwar eine gute Sache ist, aber wir noch nicht bereit sind. Die Arbeitsplätze fehlen noch. Ich selbst stelle die These auf: „Diese ganzen Bergleute haben Angst vor dem Verlust ihrer Jobs. Dabei werden Fachkräfte überall gesucht. Jedoch können sich diese Leute nichts anderes vorstellen als eine Tätigkeit im Bergbau. Auch sie haben bestimmt Träume, was man noch alles tun könnte, sie trauen sich aber nicht, zu träumen.“

Viele von uns sind wegen ihren Männern hiergeblieben oder zurückgekehrt. Den Grund finden wir in der Diskussion nicht heraus, aber wir wollen weiter darüber diskutieren.

Wenn Frauen nichts fordern, bekommen sie nichts

Begleitet wurden die Veranstaltung und die Gesprächsrunden von Sophia Paeslack, einer Grafic Recorderin. Diese fasste die Ergebnisse und Erkenntnisse des Tages in Grafiken zusammen. Die Grafiken geben auch im Nachgang der Veranstaltung einen Eindruck über die Themen des Tages und lassen Raum für eigene Gedanken und Interpretationen zu den Inhalten:

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Wirst du gehen, bleiben oder wiederkehren?

Johanna Fischer, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Oberspreewald-Lausitz und Mitorganisatorin der Veranstaltung, fasst zusammen:

Es war eine tolle Veranstaltung mit wirklich vielen engagierten Teilnehmenden, die hier in der Region etwas bewegen und die Lausitz zu einem Ort des Wiederkommens und des Bleibens gestalten wollen. Wir haben Herausforderungen, aber auch spannende Ideen und Projekte diskutiert und haben einen weiteren Beitrag dafür geleistet, ein Netzwerk für Frauen in der Lausitz entstehen zu lassen. Ich bin mir sicher - wir alle haben aus den Erkenntnissen der Veranstaltung viel für uns selbst aber vor allem auch viel für die Lausitz mitgenommen. Die Veranstaltung hat mir Vorfreude darauf bereitet, wie sich die Lausitz in den nächsten Jahren auch im Bereich Gleichstellung entwickeln kann.

Ein Schiff, das uns alle voran bringt

Juliane Marko, unsere Gastgeberin, brachte sich ebenfalls rege in die Diskussionen ein:

Im Kopf bleibt mir insbesondere ein Gespräch an Vivien’s Tisch: Wie schon oft festgestellt, haben viele geäußerte Bedenken oder Gegenwehr gegenüber Veränderungen meist etwas mit den Menschen selbst, ihren persönlichen, völlig unabhängigen erlernten oder auch geerbten Ängsten zu tun.

So auch das Thema Strukturwandel – Kohleausstieg – Jobs gefährdet – wieder abgehängt wie zur Wende schon einmal. Das Alter der Damen zeugte zwar vom direkten Miterleben der deutschen Einheit und damit den Thema Treuhand und der hohen Arbeitslosigkeit, gerade hier im ländlichen Brandenburg muss das ja enorm zugeschlagen haben. Wenn man etwas bohrt, spürt man aber, dass mit Ausstiegsgegner meist keine Umweltsünder oder Kohlefans korrelieren, sondern alte Erfahrungen durch solche Umbrüche in Erinnerung kommen. Und diesen Schmerz haben viele noch nicht überwunden. Denn mit einem Mal ist nicht der Kohleausstieg das Problem sondern angeblich die Geschwindigkeit.

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Ich empfand von keiner Besucher:in ein Befremden oder starke Zurückhaltung, alle kamen wie gedacht in tolle, ausgewogene Gespräche. Insgesamt eine toll geplante und umgesetzte Veranstaltung mit einem hoch motiviertem aber dennoch entspannten Team – mehr davon! Es war großartig die vielen digitalen Gesichter endlich live sehen zu können und alle Sympathien haben sich bestätigt oder sogar noch vergrößert. Was wär das geil, wenn wir alle näher zusammen lebten.

Ich empfinde ein starkes Netzwerkgefühl im Nachhinein, noch mehr als vor dem Treffen und eine große Motivation unsere Ideen, Werte und Gedanken für eine bessere Gesellschaft voranzutreiben: Wir als Anker im Norden des Netzwerkgebietes. Und das ist ein sehr schönes Symbol, wenn ich darüber nachdenke, noch lieber würden wir aus dem Anker ein Schiff machen, das uns alle voran bringt.

Jetzt gemeinsam dran bleiben

Mitorganisatorin Marie Melzer resümiert für sich:

Die meisten Teilnehmerinnen waren Frauen aus der Umgebung. Die jüngeren Teilnehmerinnen sind zumeist durch die F wie Kraft – Aktivitäten darauf aufmerksam geworden, die älteren auf Einladung des Landkreises Oberspreewald-Lausitz. Es herrschte von Anfang an eine lockere Stimmung, obwohl die meisten wohl noch nicht genau wussten, was sie erwartet. Frau Auer hat großartig moderiert, sie hat eine tolle Bühnenpräsenz und Ausstrahlung und hat die „modernen“ Inhalte (Speed-Dating, Graphic Recording) sehr gut für das ältere Publikum übersetzt. Das Kennenlernen (Speed-Dating) hat super funktioniert: Die Gruppe hat sich sehr gut durchmischt und an jedem Tisch mit älteren Frauen saß mindestens eine junge Frau. Während der ganzen Veranstaltung wurde von mehreren Teilnehmenden fleißig auf den sozialen Medien gepostet, auch dort erhielten unsere Inhalte großen Zuspruch.

Während der Gesprächsrunden und auch während der Pausen sind sehr viele neue Kontakte entstanden, zum Beispiel:

  • Die Berliner Ärztin, die gern in ihre Heimat zurückkehren und an einer nachhaltigen Transformation des Cottbuser Klinikums mitwirken möchte, mit der Pressereferentin des Klinikums
  • Einer potenziellen Rückkehrerin, die gern eine eigene Bar eröffnen möchte, und einer Vertreterin der Industrie- und Handelskammer
  • Einer leidenschaftlichen Gleitschirmfliegerin mit potenziellen neuen Gefährtinnen
  • Einer Gitarrenlehrerin und einer Musikerin, die musikalischen Nachwuchs in ihrer Stadt sucht
  • Wissenschaftlerinnen, die zum Thema Transformation in Kohleausstiegsgebieten forschen und engagierten Frauen, die gern ihre Expertise dazu einbringen

Das sind nur die, die ich live mitbekommen habe, es gab noch zahlreiche mehr. Es haben sich außerdem sehr viele Bedarfe und Diskussionsthemen ergeben, an denen wir gemeinsam dranbleiben müssen und die in die Politik einfließen müssen. Wir als Veranstalterinnen waren mit dem hohen Zuspruch und den sehr guten Rückmeldungen sehr zufrieden.

Wie geht es nun weiter?

Fakt ist: Wir müssen uns weiterhin gemeinsam in die Gestaltung unserer Region einbringen. Eine nächste Gelegenheit dazu ist die Konferenz zum Thema Gleichstellung im Strukturwandel am 16. September 2022. F wie Kraft begleitet das Bündnis der Lausitzer Gleichstellungsbeauftragten seit seiner Entstehung im Januar 2020 und hat sie beim Verfassen des Positionspapiers der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten der Lausitz für einen geschlechtergerechten Strukturwandel unterstützt. Nun wollen wir gemeinsam die nächsten Schritte gehen und alle Lausitzer:innen sind dazu herzlich eingeladen. Die Einladung wird zeitnah veröffentlicht.

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Quellen:

Graphic Recording:

Fotos:

Struktur.wandel.dich

Was gestern Zukunft hieß – ist heut‘ nen Baggersee

 

„Hinter den trügerischen Fassaden einer aufgeräumten – oder abgewickelten - Provinz wurde längst das Lied beharrlicher Erneuerung angestimmt. In den Feldern und Wiesen, Teich- und Hügellandschaften nehme ich ein leises Summen wahr, das wie eine fremde Sprache klingt und mich auffordert mitzusummen, bis ich die Melodie drauf habe und beginne, den Text zu verstehen.“

(Julia Gabler 2021)[1]

So geht es uns auch, wenn wir durch die Oberlausitz streifen.

Es sind die hörbaren Stimmen und der Rausch, in den uns die Lausitzer Visionen versetzen, die sich durch die verwundete Landschaft, den einen oder anderen Betonkopf und das brach liegende Erbe der DDR hindurch graben müssen. 

Ohne Träumen: Kein Tun!

Heute das Neue, das Fremde, diverses, das Lust macht als Bereicherung zu erfahren, schafft Kraft  für ein Morgen. Gesellschaft kann nachhaltig wachsen, wo gemeinsames Träumen zum Motor der Veränderung gemacht wird, indem die Angst vor Veränderung nicht mit den Triebkräften der Zukunft ringt.

Unser Vorhaben: Wir sind eine von vielen kleinen Baggerschaufeln und graben die Lausitz um!

Wir schufen Begegnungsräume, in denen verschiedene Traumrealitäten zusammenkamen und stifteten Menschen verschiedener Generationen zum gemeinsamen Träumen an. Mit fünf Salons und drei Kick-Off-Veranstaltungen in Kamenz, Bautzen, Zittau und Görlitz wanderte das ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT SOUNDSYSTEM 2021 als tönendes Debattierformat durch die schöne Lausitz. Vom ersten Akt an, in welchem erst mit der Jugend und dann im mehrgenerationellen Happening die Kamenzer Alte Baderei von Anne Hasselbach und Jan Eickhoff in eine berauschende Visionswerkstatt verwandelt wurde, bis hin zum Finale in Löbau, wo ein Sprung in die Zukunft gewagt wurde, brachten Menschen ihre Wünsche und Visionen auf die Bühne, nachdem Sie sich ihrer Probleme entledigten.

Doch Moment: wo fing diese Zukunft an? Mit einem ersten Aufschlag fragten wir im Sommer 2020 nach Oberlausitzer Zukünften. Im Rahmen des Fokus Festival auf dem Rabryka-Gelände erzählte unser Salongast Anja Nixdorf-Munkwitz, dass sie sich dort sehr wohl fühle. Sie ist Eine der treibenden Frauen in der Region, die sich darum sorgen, die Industriekultur und die anderen tollen Schätze der Lausitz selbstbewusst in die Zukunft zu tragen. Dazu gehören die guten alten Apfelsorten, die die Lausitz charakteristisch machten. So erzählte sie im „Zurück in die Zukunft“- Salon 2020 in Görlitz: „Ich bin ein Kind der Landschaft. Es hat mich immer betrübt, dass die wunderbaren alten Streuobstwiesen auseinander brechen...“. Eben jene verloren mit dem Ende der DDR an Bedeutung. Das Land zur Selbstversorgung musste Bauprojekten weichen, Importfrüchte und Limonaden verdrängten die lokalen Obstprodukte und den Most. Doch alte Obstbäume können neue Wurzeln schlagen: „diese Obstbäume können uns alle überleben mit ihren 100 Jahren!“ Anjas Apfelliebe steht bildlich für einen Zugang zur Zukunft: Was will die Oberlausitz sich bewahren? Auf welches regionale Wissen will sie zugreifen? Und an welcher Stelle macht sie sich auf für Neues und Veränderungen?

„Vergesset nicht, Freunde, wir reisen gemeinsam“[2]

Werte Leserinnen springt mit uns für einen Moment in die Zukunft, wie wir es zum Finale auf der zu oft brach liegenden Festwiese im August 2021 in Löbau taten!

Löbau im August 2030: Mitten in diesem europäischen Herz, wo einst 1346 der historische Sechsstädtebund gegründet wurde, kommt der Sechsstädtebundrat zusammen. Delegierte berichten von den Veränderungen und Errungenschaften der letzten Jahre:

Einer der Raumdeligierten spricht: „Institutionen und Verwaltungen wurden von unserem Rat in ein Schleuderkarusell versetzt! In jedem Dorf und in jeder Stadt wurden mehrgenerationelle Orte des Zusammenkommens geschaffen. Was früher Kneipe hieß, sind jetzt Multifunktionsräume.  In Kamenz wurde das Feldschlößchen wiederbelebt! Es wurde zu einem Ort, an dem man laut sein kann. Durch breite mehrgenerationelle Unterstützung für diesen Ort, konnte auf demokratischem Wege den bis 2022 geltenden behördlichen Einengungen entgegen gewirkt werden. Neue Nutzungskonzepte und Ausweitung der Möglichkeiten konnten erzielt werden. Soziales und kulturelles Zusammenkommen geht heute ganz unkompliziert.“

Ein Löbauer Delegierter berichtet: „Überall erzählen Leute mittlerweile von der Offenheit und der Willkommenskultur unserer Stadt! Wir haben Räume geöffnet und viele Leute sind zurückgezogen. Menschen kommen heute in der Stadt an, gehen einfach ins Rathaus und treffen dort auf offene Räume, Ohren und Menschen, die sie willkommen heißen. Herzlich wird man dort zuerst gefragt: Was möchtest du hier in der Oberlausitz? Was brauchst du, um hier zu wohnen, zu arbeiten, zu leben? Sämtliche Verbotsschilder wurden vor einigen Jahren abmontiert und die Natur ist jederzeit für Alle nutzbar. Die alte Nudelfabrik heißt heute übrigens Ankerwerk und ist ein Riesenraum für Kreativwirtschaft und für Kultur.“

Wir sind mehrsprachig, neugierig und klimaneutral 

Besonders beeindruckend sind die Errungenschaften des neu gegründeten Jugendrates rund um  Greta`s Traumpartyreihe: „Durch eine große Geldspende von allen Politikerinnen, die absolut gefailt haben, wie das so oft vorkommt, konnten wir unseren Jugendrat gründen. Für unser tolles Projekt gaben die Politikerinnen nicht nur Geld, sondern machten auch ihre Ämter frei. Erst wurde das Verkehrsamt, dann das Bauamt und dann das Amt für Kulturförderung frei. Es war verrückt: es brauchte frische Akteurinnen, die bereit waren, neue Förderbestimmung zu entwickeln bzw. die alten Fördermittelbestimmungen komplett über den Haufen zu werfen. Von nun an gab es so was wie „Eigenmittelanteile“ einfach nicht mehr. Niemand musste sich mehr privat verschulden, wenn sie ein tolles Projekt starten wollte. Der Jugendrat entschied außerdem über die Einrichtung eines  Hypertube, der alle Städte verbindet. Mittlerweile existiert eine Verkehrsverbindung, die zwischen allen sechs Städten verkehrt, zu jeder Zeit eine Verbindung ermöglicht und auch in den Dörfern dazwischen hält. Partyhopping ist ständig möglich! Auch auf Bundesebene gab es seit 2021 viele Umwälzungen und Ministerienumbesetzungen. Heute im Jahr 2030 stehen 50% der Haushalte einfach für Jugendmittel zur Verfügung. In jeder Stadt des Sechsstädtebundes gibt es heute ein Jugendparlament und einen Jugendrat, der wirklich wirksame Entscheidungen trifft. Diese Gremien veranstalten nicht nur regelmäßig tolle Parties, sondern treffen sich in den Clubs, um zu verhandeln, wie die Zukunft weiter ausgestaltet werden wird. Dabei wird in Workshops und Erkundungstouren entschieden, wie die ganzen alten „lost-Ost-spaces“ erobert und neu genutzt werden können. So wurde z. B. ein stillgelegtes Schwimmbad komplett umgestaltet; auf einer Ebene wurde ein Beachpartybereich mit Palmen eingerichtet. In einer anderen Stadt wurde ein stillgelegter Bahnhof umgebaut und wieder nutzbar gemacht. Wieder woanders wurde ein blau-rot-gelbes Legohaus gebaut, welches im ständigen Umbau ist. Man muss den Eingang immer neu suchen. Weil wir uns mit dem Hypertube fortbewegen brauchen wir die alten Straßen nicht mehr. Die alte Autobahnstraße ist heute Party- und Versammlungsort. Besonders legendär sind heute die Parties auf dem riesigen Autofriedhof, denn Autos braucht heute auch kein Mensch mehr. Überall in der Region finden sich Recyclingautomaten. Dort kann man rein gehen, um das gewünschte Outfit zu bekommen. Das ist ein bisschen, wie früher bei der „Miny Playback Show“: eine Person geht rein und kommt mit einem Outfit raus, auf was sie gerade Bock hat. Auch Superheldinnen-Outfits sind möglich! Achja und das Jugendparlament entschied: Die Zeit wird abgeschafft!“

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Als wäre das nicht schon mächtig Veränderung, ergänzen die Delegierten für Lifestyle: „Wahnsinn, was alles geschaffen wurde, um sich heute selbstverständlich auf Augenhöhe zu begegnen und einfach glücklicher zu sein. Wir sind mehrsprachig, neugierig und klimaneutral. Jeden Tag stellt sich in der Kneipe des 21. Jahrhunderts, die es in jedem Dorf gibt, die Frage aufs Neue: Wie wollen wir leben? Das ist ein konsumunabhängiger, öffentlicher, sozialer Treffpunkt. Hier im Dreiländereck werden heute alle mehrsprachig erzogen: tschechisch, polnisch, sorbisch, sämtliche Sprachen können in unserer Kneipe erlernt werden. Diversität ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr, sondern Standard. Die Region ist mittlerweile komplett klimaneutral umgestaltet, denn wir leben jetzt einfach schöner: YES! Die Oberlausitz ist außerdem als Modellregion für neue Schulsysteme ausgewählt worden. In jeder Schule bleiben alle Kinder bis sie 15 Jahre alt sind zusammen. Sie werden nicht frontal belehrt, sondern lernen miteinander und voneinander. Wer kein autonomes Auto hatte, konnte kostenlos die S-Bahn und heute den Hypertube nutzen. Verkehrstechnisch sind wir hier ein mächtiger europäischer Knotenpunkt. Es gibt mittlerweile Bahnverbindung in alle Städte und Dörfer der angrenzenden Länder, die für alle Fahrgäste kostenfrei sind. Und die größte Veränderung ist sicherlich, dass es in der Oberlausitz keine schlechte Laune mehr gibt! Wir haben ein lebendiges Regionalradio ins Leben gerufen, was alle in der Oberlausitz verbindet. Dort erfährt man z. B auch, wie man in‘s Legohaus reinkommt und hört regelmäßig von den generationenübergreifenden Wohnprojekten, Stimmen und Meinungen aus den verschiedenen offenen Räumen, den Straßen und Plätzen der Region. Durch den wirklich hohen Stellenwert von Bildung haben wir ein positives weltoffenes Selbstbewusstsein der Oberlausitz entwickelt!

 Die Lebensmittel-Delegation berichtet: „Heute 2030 gibt es viele nachhaltige Lebensmittelproduzent*innen, weshalb sehr viele Nahrungsmittel regional hergestellt sind und über regelmäßige Märkte vertrieben werden. Da es keine Autos mehr gibt, wurden sie außerdem erst über Elektro-Autos und später mit ausgeklügeltem System durch den Hypertube in der Region umverteilt.“

Lausitz – verbinde dich zu flächendeckenden erlebbaren Gegenprogrammen!

Zurück in die Gegenwart: Das Kühlhaus Görlitz, Die Stadtwerkstatt Kamenz, Café K, die Rabryka in Görlitz, LöbauLebt!, Laterna Futuri, die Kulturfabrik Meda, die alte Baderei Kamenz, das Steinhaus in Bautzen, die Hillersche Villa Zittau oder F wie Kraft sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass die verwundeten Straßen und leeren Räume längst von eifrigen Initiativen, Festen, Festivals und Kulturinitiativen angeeignet wurden und der Zukunft entgegen gestaltet werden. Da ist außerdem Dr. Kimey Pflüge, die aus der Brandenburger Lausitz forscht und fragt: „Warum kommen die Frauen besser mit dem Strukturwandel zurecht?“; da ist Bea Habermann, die sich dafür engagiert, mit neu- hinzugezogenen Menschen ein Hausprojekt aufzubauen; oder Anne Hasselbach, die Kamenz politisch und kulturell gemeinsam mit dem Verein Stadtwerkstatt – Bürgerwiese e.V. aufmischt; da ist Sofija Ziesch, die als junge Künstlerin darum ringt, die sorbische Kultur in die Zukunft zu katapultieren; eine Polizistin aus Kamenz, die laute Orte für die Jugend fordert; Anke Knaak, die sich in Bautzen sowohl für das Gärtnern, als auch eine Willkommenskultur engagiert und viele weitere tatkräftige Gestalterinnen.

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Bildung und Kultur sind die Motoren der Zukunft. Sie bestärken Menschen darin, sich nicht als Interessenlose Konsumentinnen, sondern als Bürgerinnen, die etwas tun können, zu begreifen. Um diese Motoren mit Treibstoff zu versorgen, bedarf es einer Verzahnung zweier Welten, die verschiedene Sprachen sprechen. Die Förderlandschaft, die Institutionen und Verwaltungen laufen Gefahr, lebendige Schöpfungsprozesse zu lähmen, statt sie zu fördern. Soziokultur und Bildung bedienen in ihrem oft prekären Arbeitsalltag völlig unterschiedliche Sprachsysteme. Es fehlt an Übersetzerinnen und Vermittlerinnen zwischen diesen zwei Welten und, so scheint es manchmal, an gegenseitiger Anerkennung für die jeweilige Arbeit. Soll das so? Oder ginge dies nicht anders, insofern man der Zukunft wegen, die gegenseitige Angewiesenheit aufeinander zur Grundlage von Kooperation macht?

Die in Görlitz ansässige Künstlerin und Kuratorin Romy Schmidt, die faires Träumen und Handeln von Politik und Kultur auf Augenhöhe fordert, lädt zu folgendem Gedankenspiel: „Wie befreiend wäre es, wenn Akteurinnen und Kollektive der freien und soziokulturellen Szene die sogenannten baren Eigenmittel erspart blieben? Wenn wir keine Anstrengungen mehr unternehmen müssten, unsere privaten, finanziellen Mittel in ein Projekt einzubringen, um überhaupt erst arbeiten zu dürfen? Wie wäre es, wenn wir keine privaten Ressourcen aufwenden müssten, um unsere in den meisten Fällen prekäre Arbeit für Pluralismus durch Kunst und Kultur intrinsisch zu erfüllen? Wäre es nicht großartig wenn Akteurinnen, Initiativen und Kollektive, die sich über Jahre professionalisiert haben, wie zum Beispiel in den Niederlanden durch ein wirklich divers besetztes Kuratorium durch Expertinnen, eine institutionelle Förderung über eine Periode von mindestens 5 Jahren zugesprochen bekämen?“

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Strukturwandel in der Lausitz bedeutet, den Visionen und Ideen der Region Gehör zu schenken und Strukturen entsprechend der Zukunftsbedarfe auszubauen, zu verbinden, neu zu schaffen und selbstbewusst die Strukturwandel-Fördertöpfe in gemeinsamer Aktion anzurühren! Die Region braucht eine Haltung, die ausstrahlt, dass von den vielen „lost places“ der Industriekultur die Zukunft ausgeht. „Man muss an der Seele der Oberlausitz arbeiten“ erzählte uns Thomas Pilz von der Bürgerregion Lausitz. Zukunft und Strukturwandel in der Lausitz wird heißen, die Angst vor dem Wandel neben der Lust auf Veränderung als Gesellschaft auszuhalten. Das ist ein komplexer Lernprozess, der Menschen mit allen möglichen, verschiedenen Fähigkeiten braucht, um zu gestalten. „Künstlerinnen, Philosophinnen, Handwerkerinnen, Schauspielerinnen, alle Menschen mit Herz und dem Willen, etwas Gutes für sich und jedes Lebewesen zu erreichen. Köchinnen und Gärtnerinnen, Sozialarbeiterinnen, Selbstständige, Freiberuflerinnen, die die ihre Ideen verwirklichen möchten.“ (Bea Habermann, Sozialarbeiterin aus Kamenz). All jene braucht es, um diese Haltung zu trainieren. Kultur- und Bildungsarbeitende halten den nötigen Werkzeugkoffer bereit und scheuen sich nicht vorm Stolpern in diesem Lern- und Veränderungsprozess.

 

[1]Gabler, J. (2021). Vom Waffenlager zur Bettwäscheausgabe. Überraschungen in der ehemaligen Pforte des Alten Kühlhauses in Görlitz. In J. Staemmler (Ed.), Wir machen das schon: Lausitz im Wandel (pp. 129-136). Berlin: Christoph Links Verlag.

[2]„Gemeinsam“ von Rose Ausländer, interpretiert von der Görlitzer Künstlerin Julia Boegershausen beim Salon, 07.08.2021, Steinhaus Bautzen.

 

 

„ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT“...

... ist als musikalischer Gesprächssalon mit Ausbruch der COVID-19 Pandemie 2020 entstanden und wurde von Anna Stiede & Hans Narva initiiert. Sie konzipierten ein wanderndes Showformat, das zivilgesellschaftliche Akteure, (semi-)professionelle Künstler:innen und gestaltende Akteur:innen involvierte, um Antworten auf drängende Fragen der Oberlausitz zu suchen. Beide sind an Utopien und Veränderungen interessiert. Aus unterschiedlichen biografischen Bezügen heraus liegt ihnen eine Stärkung von positivem ostdeutschen Selbstbewusstsein, was die offene Welt vor Augen hat, am Herzen.

ANNA STIEDE...

...ist politische Bildnerin, Performerin, Kommunikationstrainerin und manchmal Cyborg. Sie liebt es Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, Stimmen zu heben und zu hören, zu tanzen und der Zukunft entgegen zu wirken. Sie ist Mitgründerin des Politologinnen-Institut und Teil des Künstler*innen-Kollektiv Panzerkreuzer Rotkäppchen (PKRK).

HANS NARVA...

...ist musiker, performer, medien-und sounddesigner. Er stolpert, taumelt oder träumt sich durch viele Leben. Mit seiner Band „Herbst in Peking“ sorgte er erstmalig 1989 mit dem Indie Hit „bakschischrepublik“ für Aufsehen. Er ist Gründer des "Kommen & Gehen - das Sechsstädtebundfestival! Seine Soundutopien fließen in zahlreiche Theaterproduktionen ein. Er ist ua musikalischer Leiter des Künstler*innen-Kollektiv Panzerkreuzer Rotkäppchen (PRKR).

F wie Franzi Pohl

Franziska Pohl gestaltet Wohnräume. Am liebsten Altbauten, denn die tun ihr leid. Sie besichtigt gern, auch wenn sie nichts sucht, und sieht dabei oft schlimmes an Altbauvernachlässigung: „muffelige Atmosphäre mit typischer Raufaser, dreimal übereinander, und komische alte Bodenbeläge, die schlecht verklebt sind“.

Nach dem Grundgesetz der Atmosphäre können Menschen am besten strahlen, wenn die Räume in denen sie leben es tun, sagt Franzi. Sie ist geborene Zittauerin und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen durch Räume in eine gute Energie zu bringen. Da Menschen in Resonanz mit ihren Wohn- und Lebensräumen stehen, werden sie durch die Farben, Muster und Einrichtungsgegenstände, die sich in diesen Räumen befinden, geprägt.

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Franzi Pohl in ihrem sonnigen Winterquartier

 „Das ist so wie: wenn es kalt ist, dreh ich die Heizung auf. So wirkt auch eine Wandfarbe auf’s Gemüt. Das haben nur einige Leute noch nicht verstanden und die, die davon wissen, wollen mit der Farbe nichts falsch machen. “

Franzi betreibt derzeit drei Ferienwohnungen in Zittau und Olbersdorf. Sie mietet diese, statt sie zu kaufen. Dieses Konzept der Arbitrage ermöglicht es auch Menschen mit kleinem Budget, eine Ferienwohnung zu betreiben. Einige haben sich von Franzi bereits inspirieren lassen. Es ist für sie auch eine Möglichkeit, dem Leerstand in der Region zu begegnen: durch Miete können Veränderungen schnell und verhältnismäßig günstig stattfinden. In Venezuela, wo Franzi drei Monate gelebt hat, hat sie eine Idee vom Sozialismus bekommen und gemerkt, „krass, das ist ja irgendwie Teil meiner Wurzeln“. Das, was Eltern und Großeltern von Kreativität durch Mangel früher erzählt hatten, begriff sie nun. Und lernte, etwas aus und mit dem zu machen, was da ist.

„Hier kann ich die Beine lang machen. Hier komme ich zu mir, kann mich ausruhen vom Alltag und wirklich entspannen. Zittau ist perfekt dafür, aber wenn du halt in der Unterkunft ankommst und dann stehen da so ausrangierte Möbel ohne Konzept, Hauptsache ein Bett, ein apricotfarbenes Sofa und dann hängt da noch irgendwie ein billiger Druck an der Wand… Nee! Wir brauchen Stimmung. Wir brauchen diese Atmosphäre, die wir in der landschaftlichen Umgebung wiederfinden. Die müssen wir auch in den Unterkünften erzeugen, diesen Wohlfühlfaktor, der die Region so besonders macht.“

Franzi, die in Ottersberg bei Bremen Kunst im Sozialen studiert hat, weiß, dass eine solche eher pragmatisch-praktisch eingerichtete Ferienwohnung ein Urlaubserlebnis negativ beeinflussen kann. Das, was ihre Ferienwohnungen von vielen anderen unterscheidet, ist ihre Herangehensweise, die Idee der Atmosphäre als vierte Dimension. In ihren Ferienwohnungen sollen die Gästinnen und Gäste aus eleganten Korbsesseln heraus ihren Blick aus dem Fenster richten, sich beim Duschen gerne wie im Wellnesshotel fühlen und es sich nach ihren Tagesausflügen in stilvoller Atmosphäre gemütlich machen. Dazu gehören neben selbst restaurierten Einzelstücken mit Bedacht ausgewählte Muster auf Tapeten, Kissen, Teppichen. Dazu gehören Pflanzen, die ein wohnliches Gefühl geben. Dazu gehört hochwertiges Inventar. Ausrangierte Stühle, stumpfe Messer oder olle Handtücher sucht man in Franziska Pohls Ferienwohnungen vergeblich. Nichts ist dem Zufall überlassen, es gibt kein überflüssiges Möbel und kein fehlendes, und genau das macht diese Ferienwohnungen zu Orten der Ruhe und Entspannung. Dass es auch keine Fernseher gab, ging manchen Gästinnen dann allerdings zu weit – inzwischen gehören auch die teilweise zur Ausstattung.

“Ich lebe gern am Übergang.“

Nach 5 Jahren in Zittau stellt sie 2020 fest, dass sie Abwechslung braucht, um inspiriert zu sein. Franzi wollte, so erzählt sie, eine Bilderbuchrückkehrerin sein, das Konzept Rückkehrerin leben: nach einigen Jahren Reisen und Arbeit mit den Erfahrungen im Gepäck zurück in die Heimat. Hausbau, vielleicht Heirat, Kinder. Es schien auch anfangs alles perfekt: die Liebe führte sie zurück nach Zittau. Allein hätte sie sich nicht getraut, sagt sie, sich nicht bereit gefühlt für diesen Schritt, der sich groß anfühlte.

Das erste Jahr der Rückkehr war schlimm, erzählt Franzi. Ihr fehlte ein großer, bunter Freundeskreis und dass sie ihr Studium als eine der Besten abgeschlossen hatte, interessierte hier niemanden.

Sie besann sich auf das, was da war: nicht nur Franzis Familie, die hier lebt, ist ein wichtiger Pluspunkt. Als hier Aufgewachsene schätzt sie die sportlichen Möglichkeiten, die das Zittauer Gebirge bietet, ebenso wie die Grenznähe und die Strukturen in der Stadt, die es erlauben, sich schnell von A nach B zu begeben und so die Umgebung voll auszukosten.

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Franzi und Debbie beim Interview

Dieses Altbekannte erkundete die Rückkehrerin und verortete sich neu, um in der Region anzukommen. Das gelang. Und ermöglichte einen weiteren für Franzi wichtigen Schritt zum Wohlfühlen: etwas zu machen, von dem andere auch etwas haben, einen Mehrwert für die Region zu schaffen. In ihrem Fall waren zwei Festanstellungen einfach nicht das richtige. Den gemeinsamen Traum der Selbständigkeit erfüllte sie sich schließlich mit ihrer Freundin Sophie Herwig: die erste Ferienwohnung. „Dann haben wir irgendwie angefangen, einfach so, wir hatten keinen Plan“, sagt Franzi Pohl. Die ersten Gästinnen waren begeistert. Und die Anfragen häuften sich.

Mit ihrem damaligen Partner baute sie ein Haus aus, bekam eine Festanstellung, baute Freundeskreis und Netzwerk auf: von außen zweifellos eine geglückte Rückkehr zweier, die viel gesehen hatten und andere Perspektiven von ihren Reisen mitbrachten, die sie in die Gestaltung der Region einbringen wollten. Aber Franzi war nicht glücklich. Und dieses Gefühl ließ sich irgendwann nicht mehr ignorieren.

„Manchmal fühlte sich alles zu klein an, um ‚ich selbst‘ zu sein.“

Deshalb sitzt sie, als ich mit ihr spreche, gerade im spanischen Valencia. Sie ist nicht nur unverschämt braungebrannt für Mitte Dezember, sondern sieht auch noch entspannt aus, was kurz vor Weihnachten ein eher seltener Anblick ist. Doch neben dem Genuss von Sonne und Meer arbeitet Franzi gerade an ihrem neuen Projekt: sie macht eine Coaching-Ausbildung und baut ihre digitale Wohnraumberatung auf. Das geht digital und ermöglicht es ihr, immer mal woanders zu sein und trotzdem ihre „Home Base“ in Zittau zu haben, der Stadt ihres Herzens.

„Ich muss mich nicht entscheiden, bin ich jetzt die Rückkehrerin, die für immer in Zittau ist? Das war mein Glaubenssatz, wenn ich zurück nach Zittau gehe, dann für immer. Nee. Ich kann weggehen und wiederkommen.“

In anderen Städten – Franzi ist bisher fünfzehnmal umgezogen, lebte unter anderem in Bremen, Leipzig, Spanien und Venezuela – fühlte sie eine innere Unruhe, das Gefühl, weiter zu müssen. In Zittau fühlt sie sich „voll“. Beheimatet. Wohl. Angekommen. Und sie weiß, dass sie hier nicht weiter muss, sondern einfach bleiben kann. Dieses Gefühl möchte sie ihren Gästinnen geben, wenn sie das Zittauer Gebirge besuchen.

Für die Region wünscht sie sich, dass Menschen wiederkommen, die fortgegangen sind. Dass sie sich und ihre Erfahrungen einbringen und die Region gestalten, etwas zurückgeben. Die Ausrede „ich bin ja woanders, da kann ich nix für Zittau machen“ lässt Franzi, die ihre drei Ferienwohnungen derzeit von Valencia aus managt, nicht gelten. Jedoch sieht sie durchaus die Region in der Verantwortung, für Menschen von außerhalb durch gutes Marketing einen Zugang zu schaffen. Was ist Zittau heute? Was passiert hier? Wer ist hier? Wie lebt es sich hier? Mit dem Zittau, aus dem die achtzehnjährige Franzi wegging, hat die Stadt heute nichts mehr zu tun, sagt sie. Gelungenes Marketing war es auch, welches Franzi in ihrer Entscheidung zur Rückkehr bestärkte.

Ein Probewohnen, wie es in Görlitz ermöglicht wird, wäre dafür perfekt. Menschen könnten zeitweise in Zittau leben und so die Region und das Lebensgefühl, die Stimmung kennenlernen. Mit Franziska Pohl stünde auch schon eine Wohnraumexpertin bereit, die so etwas für Zittau liebend gern mit aufbauen würde.

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"Gelungenes Marketing war es auch, welches Franzi in ihrer Entscheidung zur Rückkehr bestärkte."

 Derzeit lebt Franzi die Idee von einem Winterquartier im warmen Spanien. Langfristig jedoch möchte sie dieses Winterquartier in einer Ferienwohnung gestalten, in der sie zeitweise selbst lebt und die sie vermietet, wenn sie in Zittau, ihrem Fixpunkt, ist. Im Frühling wird sie zurück in Berlin und Zittau sein und mit ihrer Online-Wohnraumberatung durchstarten, doch bis dahin findet man sie erstmal in Spanien.

 

 

Deborah Halang...

... hofft sehr darauf, in Franzis künftigem Winterquartier zu urlauben und noch viel lieber mit Franzi die weibliche Übernahme des Zittauer Stadtrats zu planen. Sie arbeitet als Sozialwissenschaftlerin an der TH Nürnberg und befragt freiberuflich Menschen zu ihren Leben.

Let's do it!

5 Jahre und immer noch nicht schlauer?!

Ein Update in vier Teilen - Part 4  

 

Im Dezember 2016 wurde die von Julia Gabler und ihrem Team abgeschlossene Studie Wer kommt? Wer geht? Wer bleibt? über die Verbleibchancen von jungen, qualifizierten Frauen im Landkreis Görlitz veröffentlicht. Im ersten Satz über die Relevanz der Studie heißt es: “Die Verbesserung der Verbleibchancen junger Menschen [...] ist von zentraler Bedeutung für die demografische und gesellschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten” (S.5). In den Handlungsempfehlungen werden Möglichkeiten beschrieben, um junge Menschen zum Bleiben und (Wieder-) Kommen zu ermutigen.

Vier Jahre und vier Monate später wird der zweite Lausitz Monitor veröffentlicht. Die im Frühjahr 2021 durchgeführte repräsentative Bürger*innen-Befragung von Lausitzer*innen spiegelte die Erkenntnisse von 2016 wider. Junge Frauen und Männer möchten die Region verlassen, Frauen können sich jedoch weniger häufig vorstellen, zurückzukommen. Der Lausitz Monitor liefert dafür auch zahlreiche Gründe und erklärt, was in den letzten fünf Jahren noch zu wenig ernst genommen wurde. Wir - Julia Gabler und Franziska Stölzel - nutzen die Gelegenheit, um gemeinsam zu resümieren.

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Julia Gabler und Franzi Stölzel: "Wir zeigen, dass wir Frauen in der Lausitz stark sind und noch stärker werden wollen!"

 

Lets do it! Ein Aufruf von Franzi und Julia an euch alle!

2020 schrieb F wie Kraft in einem Statuspapier für die ZWL: “Frauen in der Lausitz gehen mit gutem Beispiel voran und versuchen den drohenden “Verfall der Region“ und der damit einhergehenden Melancholie, Resignation und Ratlosigkeit etwas Kreatives und Sinnstiftendes entgegenzusetzen.” 

In den letzten fünf Jahren hat es die Initiative F wie Kraft geschafft, dass sich eine Netzwerkarbeit von Frauen in der gesamten Lausitz formt und monatlich zu Stammtischen trifft. Die Selbstorganisation der engagierten Frauen hat bewirkt, dass Medien auf uns zukommen, um Frauen in der Lausitz zu präsentieren, von ihrer unternehmerischen und gestaltenden Kraft zu berichten. Die Sichtbarkeit und damit verbundene Wirksamkeit ist gestiegen. Das Bündnis der Gleichstellungsbeauftragten plant im kommenden Jahr eine große Strukturwandelkonferenz - in etwas anderer Art und Weise als gewohnt. Kommen Sie, kommt auf uns zu, sprecht uns an und macht mit! Die Unterstützung auf zahlreichen Ebenen wächst: neben der Landesgleichstellungsbeauftragten aus Brandenburg, der Justizministerin und der Staatsministerin aus Sachsen ermutigen die Landeszentralen für politische Bildung diesen Selbstermächtigungsprozess. Wir brauchen aber auch Sichtbarkeit in den konkreten Beteiligungsarenen, mehr weibliche Stimmen. Wir zeigen, dass wir Frauen in der Lausitz stark sind und noch stärker werden wollen!

Wir brauchen mehr!

Die wichtigste Eigenschaft, die wir benötigen: Durchhaltevermögen. Das ist leichter gesagt als umgesetzt, das weiß sicher jede von uns. Daher brauchen wir vor allem mehr Entscheiderinnen und Entscheider, die uns zuhören und unterstützen, denn mit steigender Sichtbarkeit entwickelt sich auch mehr Akzeptanz und Selbstverständnis - hoffen wir zumindest. Um die bereits 2016 beschriebenen Handlungsempfehlungen umzusetzen, müssen sie auch 2022 wieder auf den Plan gebracht werden. Diverse Möglichkeiten nutzen unsere Vertreterinnen und Verantwortliche aus der Lausitz bereits - auch das frisch konstituierte Bündnis der Gleichstellungsbeauftragten. Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit werden als Themen nur relevant, wenn wir sie dazu machen. Der Strukturwandel ist eine günstige Gelegenheit, um interdisziplinäre Allianzen zu bilden. Die Kreis- und Regionalentwicklung ist verpflichtet, sie hat sogar die Notwendigkeit, Themen in ihre Zukunftsplanung einzubeziehen, die besonders von Frauen vorgetragen werden: nachhaltig wirtschaften, Mitbestimmung auf Augenhöhe, ÖPNV stärken und sozialen Zusammenhalt gestalten. Der Bedarf an politischer Geschlechtergerechtigkeit wächst sichtbar. Anfragen zu den wirtschaftlichen Entwicklungen generiert durch gezielte Einstellungsverfahren von Frauen nehmen zu, denn auch Wirtschaft versteht, dass das Innovationsfähigkeit bedeutet.

Stellt euch mal vor, die Lausitz wäre Modellregion im Strukturwandel, die sich daran messen lässt, wie viele Frauen daran beteiligt sind und wie ein vorrangig weiblich besetzter intergenerationaler Beirat, die Ergebnisse beurteilt: Kooperationsfähigkeit und Korrekturfähigkeit wären dann neue Maßstäbe von Strukturpolitik. Wenn auf die Frage des Lausitzmonitors, ob sich in den letzten 5 Jahren die Lausitz für junge Frauen verbessert hat, ein klares “Ja” kommt. Erst dann bewegen wir uns auf einem zukunftsfähigen Pfad. Unsere Anstrengungen darauf zu richten, würde für alle Menschen mehr Lebensqualität und Perspektiven in der Lausitz bedeuten.

2016 war der Beginn einer langen, anstrengenden aber auch spannenden und erstaunlichen Reise mit vielen Entdeckungen - es gilt, sie fortzusetzen!

 

Dr. Julia Gabler...

... lehrt als Vertretungsprofessorin im Master Studiengang Management Sozialen Wandels und forscht am TRAWOS-Institut der HSZG zur ländlichen Gesellschaft. Sie lebt in Görlitz und forscht u. a. zu den Verbleibchancen qualifizierter Frauen in Ostsachsen sowie zum Strukturwandel in der Lausitz. Als Mitbegründerin der Plattform F wie Kraft versucht sie, hier auf der Website, in Gremien und Wissenschaft die Sichtbarkeit von und Verantwortungsräume für Frauen und Geschlechtergerechtigkeit in der Lausitz zu stärken.

Franziska Stölzel...

... ist Wissenschaftlerin für Wandel- und Transformationsprozesse. Obwohl es sie nach ihrem Studium zunächst nach Südamerika gezogen hat, war für sie immer klar, dass sie zurück in die Lausitz möchte. Aktuell lebt sie in Weißwasser. Sie ist in verschiedenen Projekten aktiv, wie bspw. dem Soziokulturellen Zentrum Telux, als auch als Mitautorin des Lausitzmonitors. Nicht zu vergessen war sie maßgeblich daran beteiligt den Lausitzerinnen Frauenstammtisch zu initiieren.

 

Buchtipp

 

NACHHALTIGKEIT FRAUEN SCHAFFEN ZUKUNFT Claudia Rankers und Nadine Kammerslander (Hg.)

Frauen.Energie.Wende 2020:

https://www.wecf.org/de/wp-content/uploads/2018/10/Frauen.Energie.Wende2020.pdf

 

  • Hier geht's zu Teil 1 , 2 und 3 unserer Serie "5 Jahre und immer noch nicht schlauer?! Ein Update in vier Teilen"

Zeigt uns Euren Wandel in der Lausitz!

5 Jahre und immer noch nicht schlauer?!

Ein Update in vier Teilen - Part 3

 

Im Dezember 2016 wurde die von Julia Gabler und ihrem Team abgeschlossene Studie Wer kommt? Wer geht? Wer bleibt? über die Verbleibchancen von jungen, qualifizierten Frauen im Landkreis Görlitz veröffentlicht. Im ersten Satz über die Relevanz der Studie heißt es: “Die Verbesserung der Verbleibchancen junger Menschen [...] ist von zentraler Bedeutung für die demografische und gesellschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten” (S.5). In den Handlungsempfehlungen werden Möglichkeiten beschrieben, um junge Menschen zum Bleiben und (Wieder-) Kommen zu ermutigen.

Vier Jahre und vier Monate später wird der zweite Lausitz Monitor veröffentlicht. Die im Frühjahr 2021 durchgeführte repräsentative Bürger*innen-Befragung von Lausitzer*innen spiegelte die Erkenntnisse von 2016 wider. Junge Frauen und Männer möchten die Region verlassen, Frauen können sich jedoch weniger häufig vorstellen, zurückzukommen. Der Lausitz Monitor liefert dafür auch zahlreiche Gründe und erklärt, was in den letzten fünf Jahren noch zu wenig ernst genommen wurde. Wir - Julia Gabler und Franziska Stölzel - nutzen die Gelegenheit, um gemeinsam zu resümieren.

Informationen to go

Franziska Stölzel: Werden diese Themen zu selten in der Lausitz besprochen und geplant? Strukturwandel ist für mehr als die Hälfte der Befragten ein wichtiges Thema, 50% allerdings geben an, wenig, schlecht oder gar sehr schlecht über den Wandel informiert zu sein. 60% der befragten jungen Frauen geben den Wochenkurier als Zeitung an, welche sie häufiger lesen. 128 Minuten verbringen die jungen befragten Frauen am Tag durchschnittlich mit Whatsapp, Facebook, Instagram und Co. 2016 wird auf die analoge und digitale Kommunikation hingewiesen. Frauen geben 2021 an, dass sie sich am liebsten über Social Media austauschen (67%). Mehr als jede zweite kann sich vorstellen, Vereinsarbeit zu leisten. Das sind Zahlen, auf die sich aufbauen lassen - die Frage ist, wieso machen wir es nicht? 

Franzi Stölzel quer

Franziska Stölzel: "Das schreit nicht gerade nach Zukunft..."

Julia Gabler: Na, Franziska, da bist du das beste Beispiel! Ich finde es großartig, dass du den Social Media Account von F wie Kraft nutzt, um auf die politischen Arenen im Strukturwandel aufmerksam zu machen und von dort zu berichten … yeah - so geht Adressierung! Ich hingegen quäle mich mit Instagram und finde keinen Zugang zu dieser Kommunikationsform - liebe junge Frauen aus der Lausitz, unterstützt uns und folgt unserem Aufruf: Zeigt uns Euren Wandel in der Lausitz! Was sind Eure Themen und eure Ideen für eine Lausitz, in der ihr leben möchtet: Verlinkt eure Storys mit #Fwiekraft

Parität - fehl am Platz

Franziska Stölzel: In der Geschäftsordnung des Regionalen Begleitausschusses für das Lausitzer Revier (Freistaat Sachsen) – Stand 29.04.2021 heißt es: “6. Auf eine geschlechterparitätische Besetzung gemäß § 15 des Sächsischen Frauenförderungsgesetzes wird hingewirkt.” Dieses Hinwirken hat immerhin dafür gereicht, EINE Frau in das Kernteam des sächsischen Begleitausschusses zu setzen, mit ihr - sieben Männer und drei mal Thomas. Witzig für die einen, ganz und gar besorgniserregend für uns! Bereits in der “Kohlekommission” waren nur 10 Frauen auf 31 Sitzplätzen verteilt. Zudem waren von allen Beteiligten nur vier jünger als 50, eine Person jünger als 40 Jahre - das schreit nicht gerade nach Zukunft. In den brandenburgischen Begleitausschuss Lausitz 2038 wurden immerhin fünf Frauen gewählt - Quote 21%. Zu wenig für eine zukunftsorientierte Lausitz, vor der die qualifizierten Frauen Reißaus nehmen. Vorbildfunktion: Null!

Julia Gabler: Ja, das Mittun in den Entscheidungsstrukturen ist der einzige Weg wirkungsvoll zu partizipieren und Verantwortung zu übernehmen. Das bedeutet aber auch, dass Frauen an den Schnittstellen mittun müssen, die es ermöglichen, die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen. Ich sitze zum Beispiel für F wie Kraft im Regionalen Begleitausschuss. In der Interessensgruppe Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit und Demokratie brauchen wir dringend Unterstützung von weiteren aktiven Frauen und Männern aus Vereinen und Verbänden, die in den Themenfeldern demokratische Bildung, Chancengleichheit und Teilhabe unterwegs sind. Es ist nicht nur personell kaum zu wuppen, über 50 Anträge zu prüfen. Es fehlt der fachliche Austausch über die Richtung, die der Strukturwandel in der Region nehmen soll. Es ist mehr als notwendig, dass sich hier mehr Frauen einbringen. Meldet Euch bitte gern bei mir, wer sich hier angesprochen fühlt. 

Mit dem Bündnis der Lausitzer Gleichstellungsbeauftragten sind wir außerdem einen Schritt gegangen, die gesellschaftspolitische Position der Kolleginnen in Bautzen, Spremberg und Cottbus sowie aus den Landkreisen zu stärken, um für einen geschlechtergerechten Strukturwandel einzutreten.

 

Julia Gabler...

... lehrt als Vertretungsprofessorin im Master Studiengang Management Sozialen Wandels und forscht am TRAWOS-Institut der HSZG zur ländlichen Gesellschaft. Sie lebt in Görlitz und forscht u. a. zu den Verbleibchancen qualifizierter Frauen in Ostsachsen sowie zum Strukturwandel in der Lausitz. Als Mitbegründerin der Plattform F wie Kraft versucht sie, hier auf der Website, in Gremien und Wissenschaft die Sichtbarkeit von und Verantwortungsräume für Frauen und Geschlechtergerechtigkeit in der Lausitz zu stärken.

Franziska Stölzel...

... ist Wissenschaftlerin für Wandel- und Transformationsprozesse. Obwohl es sie nach ihrem Studium zunächst nach Südamerika gezogen hat, war für sie immer klar, dass sie zurück in die Lausitz möchte. Aktuell lebt sie in Weißwasser. Sie ist in verschiedenen Projekten aktiv, wie bspw. dem Soziokulturellen Zentrum Telux, als auch als Mitautorin des Lausitzmonitors. Nicht zu vergessen war sie maßgeblich daran beteiligt den Lausitzerinnen Frauenstammtisch zu initiieren.

 

  • Hier geht's zu Teil 1 und 2
  • Gespannt auf Teil 4 der Serie? Stay tuned!

Beteiligung - nein danke?!

5 Jahre und immer noch nicht schlauer?!

Ein Update in vier Teilen - Part 2

 

Im Dezember 2016 wurde die von Julia Gabler und ihrem Team abgeschlossene Studie Wer kommt? Wer geht? Wer bleibt? über die Verbleibchancen von jungen, qualifizierten Frauen im Landkreis Görlitz veröffentlicht. Im ersten Satz über die Relevanz der Studie heißt es: “Die Verbesserung der Verbleibchancen junger Menschen [...] ist von zentraler Bedeutung für die demografische und gesellschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten” (S.5). In den Handlungsempfehlungen werden Möglichkeiten beschrieben, um junge Menschen zum Bleiben und (Wieder-) Kommen zu ermutigen.

Vier Jahre und vier Monate später wird der zweite Lausitz Monitor veröffentlicht. Die im Frühjahr 2021 durchgeführte repräsentative Bürger*innen-Befragung von Lausitzer*innen spiegelte die Erkenntnisse von 2016 wider. Junge Frauen und Männer möchten die Region verlassen, Frauen können sich jedoch weniger häufig vorstellen, zurückzukommen. Der Lausitz Monitor liefert dafür auch zahlreiche Gründe und erklärt, was in den letzten fünf Jahren noch zu wenig ernst genommen wurde. Wir - Julia Gabler und Franziska Stölzel - nutzen die Gelegenheit, um gemeinsam zu resümieren.

Beteiligung - Nein danke?!

Franziska Stölzel: 2016 wird z.B. empfohlen, Handlungsempfehlungen “müssen durch die Verantwortlichen selbst in Handlungsaufträge überführt werden” (S.33). Weiter heißt es: “Um die Partizipation und Identifikation von Frauen in allen Lebensbereichen des Landkreises zu fördern, müssen Verantwortliche Maßnahmen entwickeln, die der bestehenden Benachteiligung und Ungleichbehandlung entgegenwirken.”

Diese Maßnahmen hat es in der Lausitz zu wenig gegeben. Demzufolge gibt es auch weniger junge Frauen, die sich aktiv an der Gestaltung der Lausitz beteiligen möchten. Nur 21% der Befragten zwischen 18 und 39 Jahren geben an, Interesse an der Gestaltung der Lausitz zu haben. 75% der jungen Frauen geben sogar an, dass sie wenig oder gar kein Interesse haben, sich an konkreten Projekten zum Strukturwandel zu beteiligen, bzw. gar nicht wissen ob sie sich beteiligen möchten. 

Das lässt darauf schließen, dass die derzeitigen Projekte nicht nur wenig mit den Themen zu tun haben, die junge Frauen interessant fänden, sondern dass es auch zu wenig Transparenz innerhalb dieser Gestaltungsoptionen gibt, da sie gar nicht wissen ob ihre Interessen vertreten werden. 

Julia Gabler: Mit der ProduzentinnenTOUR haben wir ein Format entwickelt, um das, was speziell Frauen in der Region umsetzen und nachhaltig entwickeln, strategisch zu thematisieren und Entwicklungspotenziale zu identifizieren: Solidarische Wirtschaftsformen, regionale Produktionsketten, sozialer Zusammenhalt in Stadt und Land, Pflege und (Selbst-)Fürsorge, Bildung. Alles Themen, die wir derzeit in der Pandemie als besonders nötig erfahren. Leider erleben wir immer wieder, dass das Interesse spezifisch Frauen oder gleichermaßen Frauen einzuladen von vielen (männlichen und einzelnen weiblichen) Verantwortungsträgern nicht geteilt wird. Die Skepsis darüber, warum Frauen eine Sonderbehandlung brauchen, ist tief verwurzelt in der Region. In den Abwanderungszahlen und den thematischen Schwerpunkten wie es der Lausitz Monitor wieder zeigt (s.u.), sind ja aber offensichtlich Geschlechterunterschiede vorhanden. Der Handlungsraum wird verengt, wenn wir die Tätigkeitsfelder vieler Frauen ignorieren oder als irrelevant für die strategische Entwicklung abtun. Frauen gehen dann eben woanders hin und kommen auch nicht her. Die Zukunftsfähigkeit der Lausitz wird nicht nur darunter leiden, sie wird mit dieser Ignoranz verspielt.

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Julia Gabler: "Die Skepsis darüber, warum Frauen eine Sonderbehandlung brauchen, ist tief verwurzelt in der Region"

Interessen und die wichtigen Themen

Franziska Stölzel: Über 90% der jungen Frauen geben an, dass ihnen medizinische Versorgung, gute Verkehrsanbindungen und schnelles Internet, vielfältige Freizeitangebote und attraktive Naherholungsgebiete wichtig sind. Durchschnittlich sind die jungen Frauen aber nur zu 60% mit diesen Angeboten zufrieden oder sehr zufrieden. Als erfolgreichste Zukunftsstrategien schätzen die jungen Frauen die Sektoren Gesundheit und Pflege sowie Fachkräftesicherung, als die erfolgreichsten Branchen schätzen sie Recyclingwirtschaft und Tourismus ein. Dazu braucht es laut 75% der Lausitzer jungen Frauen starke Visionen für die Zukunft, doch nur 22% erkennen erste Visionen, die die Lausitz retten könnten.

Julia Gabler: Bei Visionen muss ich immer an den Ausspruch von Helmut Schmidt denken: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Ich glaube, die Frage nach Zukunftsfähigkeit, die in dieser Region besonders dramatisch gestellt wird, entscheidet sich im Hinblick auf die Fähigkeit, den Status Quo gestalten zu wollen oder eben Gestalterinnen zu ignorieren. Mit dem Kohleausstieg ist ein sicher geglaubter Entwicklungspfad zu Ende gegangen und die wiederholten Versprechungen, Industrieregion bleiben zu wollen, verhindern es, jene Nachhaltigkeitspfade fokussiert zu entwickeln, die es auch in der Lausitz gibt und die in Zukunft zentral sein werden. Aber eben nicht vorrangig in ihrer industriewirtschaftlichen Bedeutung, sondern als Frage der Lebensqualität mit regenerativem Ressourceneinsatz und einer massiv alternden Bewohnerinnenschaft. Wir werden die Fragen von Mobilität, Versorgung und gesellschaftlichen Zusammenhalt anders stellen und nicht über Arbeitsplätze in der Industrie beantworten können.

Lausitzmonitor Beteiligung Themen

Quelle: Lausitzmonitor

How to Partizipation?

Franziska Stölzel: Die Unzufriedenheit und die wenige Bindung sind also nicht die einzigen ausschlaggebenden Punkte dafür, dass sich Frauen nicht gern an der Gestaltung der Lausitz beteiligen. Die Themen derzeitiger Projekte gehen einfach mit den Interessen der Lausitzer*innen auseinander. Junge Frauen würden sich gern zu den Themen Gesundheit, Pflege, Kinder, Bildung usw. einbringen. Zudem geben vor allem Männer höheren Alters an, sich beteiligen zu wollen. Die Interessenlagen der Beteiligungswilligen und -müden gehen stark auseinander.

 Julia Gabler: Ich will hier gerne auf die zahlreichen Initiativen und Portraits verweisen, die jene Frauen zeigen, die sich für “ihre” Themen in der Lausitz stark machen und einsetzen: Wir sind 50%; kreative Lausitz, Raumpionierstation. Nicht zuletzt erleben wir es doch bei den digitalen F wie Kraft-Stammtischen: Es fetzt einfach, miteinander Ideen auszuhecken und die Möglichkeiten, die diese Region uns allen ja auch bietet, anzugehen und auszuschöpfen! Es ist einfach wunderbar, wenn wir das miteinander feststellen und weiter teilen. Du machst das im Übrigen großartig über Instagram Franziska!

 

Julia Gabler...

... lehrt als Vertretungsprofessorin im Master Studiengang Management Sozialen Wandels und forscht am TRAWOS-Institut der HSZG zur ländlichen Gesellschaft. Sie lebt in Görlitz und forscht u. a. zu den Verbleibchancen qualifizierter Frauen in Ostsachsen sowie zum Strukturwandel in der Lausitz. Als Mitbegründerin der Plattform F wie Kraft versucht sie, hier auf der Website, in Gremien und Wissenschaft die Sichtbarkeit von und Verantwortungsräume für Frauen und Geschlechtergerechtigkeit in der Lausitz zu stärken.

Franziska Stölzel...

... ist Wissenschaftlerin für Wandel- und Transformationsprozesse. Obwohl es sie nach ihrem Studium zunächst nach Südamerika gezogen hat, war für sie immer klar, dass sie zurück in die Lausitz möchte. Aktuell lebt sie in Weißwasser. Sie ist in verschiedenen Projekten aktiv, wie bspw. dem Soziokulturellen Zentrum Telux, als auch als Mitautorin des Lausitzmonitors. Nicht zu vergessen war sie maßgeblich daran beteiligt den Lausitzerinnen Frauenstammtisch zu initiieren.

Foto...

... ist von Tine Jurtz

 

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Wir lieben die Lausitz - “aber nur en bissl”

5 Jahre und immer noch nicht schlauer?!

Ein Update in vier Teilen - Part 1

 

Im Dezember 2016 wurde die von Julia Gabler und ihrem Team abgeschlossene Studie Wer kommt? Wer geht? Wer bleibt? über die Verbleibchancen von jungen, qualifizierten Frauen im Landkreis Görlitz veröffentlicht. Im ersten Satz über die Relevanz der Studie heißt es: “Die Verbesserung der Verbleibchancen junger Menschen [...] ist von zentraler Bedeutung für die demografische und gesellschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten” (S.5). In den Handlungsempfehlungen werden Möglichkeiten beschrieben, um junge Menschen zum Bleiben und (Wieder-) Kommen zu ermutigen.

Vier Jahre und vier Monate später wird der zweite Lausitz Monitor veröffentlicht. Die im Frühjahr 2021 durchgeführte repräsentative Bürger*innen-Befragung von Lausitzer*innen spiegelte die Erkenntnisse von 2016 wider. Junge Frauen und Männer möchten die Region verlassen, Frauen können sich jedoch weniger häufig vorstellen, zurückzukommen. Der Lausitz Monitor liefert dafür auch zahlreiche Gründe und erklärt, was in den letzten fünf Jahren noch zu wenig ernst genommen wurde. Wir - Julia Gabler und Franziska Stölzel - nutzen die Gelegenheit, um gemeinsam zu resümieren.

Wir lieben die Lausitz - “aber nur en bissl”

Franziska Stölzel: Frauen zwischen 18 und 39 Jahren sind weniger stark an die Lausitz gebunden. Ihre emotionale, rationale und normative Bindung ist im Vergleich zu den anderen befragten Gruppen unterdurchschnittlich stark ausgeprägt. Sie sind nicht besonders stolz, Lausitzerinnen zu sein und sie haben auch keine Schuldgefühle, die Lausitz zu verlassen, da sie keinen speziellen Nutzen darin sehen, hier zu bleiben. Anscheinend wurden die in 2016 empfohlenen Handlungen - nämlich das Signalisieren, “dass in der Region Platz für sie ist, dass sie gebraucht und geschätzt werden, dass sie willkommen sind” (S.33) - die Bindungen und den Nutzen des Bleibens durch bestimmte Maßnahmen zu stärken wenig oder nicht genug umgesetzt. 

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Julia und Franzi im Gespräch: "Frauen gestalten Strukturwandel, Männer aber mehr"

 Julia Gabler: Das stimmt, Franziska. Allerdings erleben wir mit dem Netzwerk und dem digitalen Stammtisch, dass die Frauen sich gegenseitig signalisieren, wie wichtig es ist, dass sie, ja, wir hier sind. Trotzdem die Abwanderungsmobilität bleibt hoch und ist wie Ines Fabisch es sagte “strukturell verfestigt” - es ist nach wie vor eine riesige Anstrengung für Bedingungen zu sorgen, die es Frauen attraktiv machen, hier zu bleiben. Man könnte sagen: wir ackern hier, um, nicht nach Berlin oder Leipzig ziehen zu müssen. 

Die Leute in der Lausitz - ob hier wohnend oder schon aus der Ferne - beschreiben sich gerne als besonders heimatverbunden. Das ist dann problematisch, wenn daraus Haltungen erwachsen, die nicht verstehen, dass auch die Lausitz von unterschiedlichen Lebensweisen geprägt ist, Kritik an den dominierenden Heimat- und Wertvorstellungen als Beschmutzung verunglimpfen und die Förderung demokratischer Bildung und sozialer Innovationsfähigkeit als Geldverschwendung ansehen. Alles Punkte, die für die Verbleibchancen von Frauen höchst relevant sind: Pluralität, Bildung, kritischer Diskurs und neue Formen von Arbeit und Leben erfinden - die die Vorzüge des Lebens jenseits der Metropolen mit den Gestaltungschancen und Auseinandersetzungen einer postindustriellen Gesellschaft verbinden.

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Quelle: Lausitz Monitor

Die geringe Bindung an die Lausitz auf der Gefühlsebene, aber auch in rationaler und normativer Hinsicht ist Ausdruck von Freizügigkeit junger Frauen, sich nicht binden zu müssen: Die Frauen sehen also gar keinen Grund, sich schuldig zu fühlen oder besonders stolz zu sein. Man kann es auch deuten, dass der Entwicklungsprozess in der Region aus Sicht von Frauen stagniert und allein die wirtschaftspolitische Ausrichtung nicht dazu führt, hierbleiben zu wollen. Die Verfahren von Beteiligung und die Maßnahmen zur Stärkung von Verantwortlichkeit adressieren (noch) nicht den Großteil der Menschen - die Mehrheit der jungen Frauen - die (noch) hier leben. Sie einzubeziehen und ihnen angemessene Gestaltungsräume zu ermöglichen, in denen sie strukturelle Verantwortung übernehmen und durchsetzen können, wären Bindungsversuche die lohnend sein werden.

Unzufriedenheit

Franziska Stölzel: Des Weiteren sind die jungen Frauen in der Lausitz die Gruppe, welche mit der Entwicklung der Lausitz und der derzeitigen Lebenssituation am unzufriedensten sind. “Nur jede vierte jüngere Frau (26 Prozent) ist mit der derzeitigen Situation in der Lausitz zufrieden oder sehr zufrieden; bei den Männern der gleichen Altersgruppe (18-39) liegt dieser Anteil bei immerhin 45 Prozent. Zum weiteren Vergleich: 40 Prozent der 40-59-jährigen Frauen sind mit der derzeitigen Situation in der Lausitz zufrieden oder sehr zufrieden sowie 35 Prozent der Männer dieser Altersgruppe” (Stölzel; 2021)

Julia Gabler: Ich fand diesen Absatz aus Deinem Artikel zum Lausitz-Monitor zentral: “Während der Anteil der Lausitzerinnen und Lausitzer, die meinen, dass die Situation in der Lausitz während der vergangenen fünf Jahre besser oder sogar viel besser geworden ist, über alle Bevölkerungsgruppen hinweg betrachtet, von 43 Prozent in 2020 auf 46 Prozent in 2021 leicht gewachsen ist, hat sich der Anteil bei den jüngeren Frauen von 50 Prozent in 2020 auf 34 Prozent in 2021 verringert”. Das finde ich dramatisch und sehr besorgniserregend. Eigentlich haben im Zuge des Strukturwandels durch den Kohleausstieg auch in der Lausitz die Beteiligungs- und Mitwirkungschancen zugenommen, um die Qualität der Entscheidungen über die zukünftigen Entwicklungen in der Lausitz zu erhöhen. Entweder kommen diese bei den jungen Frauen nicht an oder, wenn sie mitwirken wollen, machen sie die Erfahrung, sich nicht wirkungsvoll einbringen zu können und Entwicklungen nicht in ihrem Sinne beeinflussen zu können. Victoria Luh und Johannes Staemmler vom IASS haben für F wie Kraft den Mitmachfonds ausgewertet und ebenfalls festgestellt: Frauen gestalten Strukturwandel, Männer aber mehr.

 

Julia Gabler...

... lehrt als Vertretungsprofessorin im Master Studiengang Management Sozialen Wandels und forscht am TRAWOS-Institut der HSZG zur ländlichen Gesellschaft. Sie lebt in Görlitz und forscht u. a. zu den Verbleibchancen qualifizierter Frauen in Ostsachsen sowie zum Strukturwandel in der Lausitz. Als Mitbegründerin der Plattform F wie Kraft versucht sie, hier auf der Website, in Gremien und Wissenschaft die Sichtbarkeit von und Verantwortungsräume für Frauen und Geschlechtergerechtigkeit in der Lausitz zu stärken.

Franziska Stölzel...

... ist Wissenschaftlerin für Wandel- und Transformationsprozesse. Obwohl es sie nach ihrem Studium zunächst nach Südamerika gezogen hat, war für sie immer klar, dass sie zurück in die Lausitz möchte. Aktuell lebt sie in Weißwasser. Sie ist in verschiedenen Projekten aktiv, wie bspw. dem Soziokulturellen Zentrum Telux, als auch als Mitautorin des Lausitzmonitors. Nicht zu vergessen war sie maßgeblich daran beteiligt den Lausitzerinnen Frauenstammtisch zu initiieren.

 

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Frauen als wichtiger Entwicklungsfaktor in der Lausitz

Warum Frauen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die regionale Entwicklung in der Lausitz sind? Dieser Frage widmet sich die neue Reportage vom MDR “Mehr Frauen braucht das Dorf” mit spannenden Portraits und Einblicken in die Entwicklungspotentiale der Region, die im Rahmen der ARD-Themenwoche „Stadt.Land.Wandel“ im November veröffentlicht wurde.

Vorgestellt wird in der Reportage unter anderem auch der Lausitzerinnen Stammtisch, eine Initiative von F wie Kraft – Frauen.Leben.Lausitz (Görlitz). Der regelmäßig stattfindende digitale Stammtisch lädt Lausitzerinnen und Rückkehrerinnen dazu ein, sich über Themen wie den geschlechtergerechten Strukturwandel in der Lausitz, das Herziehen, Zurückkehren oder Hierbleiben sowie über die Rolle und den Einfluss von Frauen in der Politik auszutauschen. Hierdurch gestalten Frauen aktiv auch ihre zukünftige Rolle in der Lausitz selbst mit. Auch das L&T Bündnis unterstützt diese Initiative. Durch die regelmäßige Teilnahme an den Stammtischen und das Einbringen von eigenen Ideen, wird die Verzahnung von technologischen und sozialen Innovationsfeldern zur strategischen Weiterentwicklung und fließen direkt in die Bündnis- und Netzwerkarbeit von L&T ein. „Der Stammtisch verbindet Frauen aus der ganzen Lausitz, mit dem Ziel die neue oder alte Heimat lebenswerter zu machen und mitzugestalten. Dies ist auch ein wesentliches Anliegen für das Bündnis Lausitz — Life & Technology,“ hebt die Projektkoordinatorin vom L&T Strategieteam Leonie Liemich hervor.Viele Dörfer bluten aus, weil so viele junge Menschen und vor allem Frauen weggehen. Aber was passiert, wenn „Frau“ sich entscheidet wieder auf´s Dorf zurückzugehen? Welchen Mehrgewinn das für die Entwicklung von Dörfern und den ländlichen Raum hat, wird in dem Beitrag mit spannenden Portraits dargestellt.

Über Neuseeland zurück in die Oberlausitz

Im sächsischen Reichenbach eröffnete Fanny Bracke als Rückkehrerin eine Intarsienmanufaktur, eine alte Traditionskunst aus dem Tischlerhandwerk, und entschied sich bewusst für das Leben auf dem Dorf. Nach einem Auslandsaufenthalt in Neuseeland, einem Biologiestudium in Greifswald und einer Tischlerlehre führte sie der Weg wieder zurück in die Oberlausitz. „Als für mich damals die Entscheidung stand, mich selbstständig zu machen, entschied ich mich wieder zurück in meine Heimatstadt und zurück in die Lausitz zu gehen.“ Durch den Internetauftritt ist sie deutschlandweit präsent mit ihrer Handwerkskunst und kann somit auch von der Lausitz aus gut arbeiten.

„Frauen sind nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, wenn sie (heimisches) Bier trinken, sondern sie machen Lust hier zu bleiben, weil sie oft nachhaltig und ressourcenschonend arbeiten, den Zusammenhalt stärken und sich aktiv vernetzen, Kritik nicht unter den Teppich kehren und Übersetzerinnen und Botschafterinnen der regionalen Herausforderungen sind […] im Dorf, in den (Klein-)Städten, auf dem Land und bis in die EU,“ unterstreicht Dr. Julia Gabler die Bedeutung von Frauen.

Landflucht — ein Thema seit über 30 Jahren

Acht von Zehn jungen Frauen geben im Landkreis Görlitz an, nach der Schule weggehen zu wollen. Dr. Julia Gabler, Initiatorin der Initiative F‑wie Kraft und zur Zeit als Vertretungsprofessorin im Master-Studiengang Management Sozialen Wandels an der Hochschule Zittau/Görlitz, erklärt dies damit, dass viele Frauen nach der Schule bewusst in größere Städte und andere Regionen gehen und leider oft nicht zurückkehren, da sie spannende Positionen in der Arbeit oder auch familiäre Grundsteine anderswo aufgebaut haben. Somit ist die Landflucht nicht nur ein präsentes Thema in den 90er Jahren sondern auch heute, 30 Jahre später immer noch ganz aktuell. Lebten in den 90er Jahren noch 367.000 EinwohnerInnen im Landkreis Görlitz, so sind es heute nicht mehr als 250.000 EinwohnerInnen. Die Motivation, die Region zu verlassen und in urbane Zentren zu ziehen, hat sich hierbei aber geändert. Entschieden sich früher ganze Familien, die Lausitz zu verlassen, sind es heute vor allem junge Menschen und vor allem junge Frauen. Auf der Suche nach adäquaten Ausbildungschancen, aber auch andere junge Menschen sowie eine offene und tolerantere Umgebung sind entscheidende Gründe für die Abwanderung. Umso wichtiger ist es, die Forderungen des Bündnisses der Lausitzer Gleichstellungsbeauftragten für den Strukturwandel in der Lausitz wahrzunehmen und für die Veränderungsprozesse in der Region aufzunehmen.

Der Wirtschaftsfaktor von Frauen in ländlichen Regionen ist dabei wesentlich für die regionale Entwicklung. „Durch die aktive Beteiligung von Frauen werden offene Orte geschaffen, die gut funktionierende Kindergärten, eine aktive Kirchengemeinschaft haben und an denen sich Kulturcafés etablieren oder Kinos eröffnen. D.h. in Dörfern, wo Frauen aktiv sind, werden Orte lebendiger, haben mehr Zuzug oder verweisen auch auf ein qualifiziertes Bildungssystem. Dies ist ein klarer Gewinn für die Region, denn somit wird ein nachhaltiger Wirtschaftsfaktor durch die aktive Beteiligung von Frauen geschaffen,“ so Dr. Julia Gabler.

  • Der Beitrag entstammt dem Projekt "Lausitz – Life & Technology" - einem Kooperationsvorhaben der Hochschule Zittau/Görlitz, des Landkreis Görlitz, der ULT AG und des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU. Das Bündnis setzt sich für die Stärkung der Wirtschaftsstruktur im Dreiländereck ein.
  • Die MDR Wissen - Reportage "Zukunftsland - Mehr Frauen braucht das Dorf" ist hier  zu finden

Unterwegs mit Susanne Thäsler-Wollenberg

Drei Lausitzer Akteurinnen im Kulturbereich geben Einblicke in ihren Alltag             

                                                               

Von Katrin Kamrau

 

Ich bin mit Susanne Thäsler-Wollenberg im Esperanto-Stacio verabredet. Mit dem Auto mache ich mich auf Richtung Halbe. In dieser internationalen Veranstaltungsstätte am Halber Bahnhof wird gerade die Gruppenausstellung Transform. Aus Rampe wird Kunst gezeigt. Das Esperanto-Stacio ist heute am Tag des offenen Denkmals in Brandenburg gut besucht. Susanne beaufsichtigt die Ausstellung, ehrenamtlich, begrüßt abwechselnd eintretende Besucher*innen, weist auf Hygieneregeln hin oder ist in Gespräche vertieft.

Ich schaue mich um. Es ist nicht mein erster Besuch hier. Für diese Ausstellung, organisiert von den Mitgliedern des Kulturvereins Halbe.Welt e.V., wird das ganze Erdgeschoss des Bahnhofgebäudes einbezogen. Die gelungene Präsentation, die Material- und Formenvielfalt der ausgestellten Werke fallen mir auf.

Susanne, Mitinitiatorin dieser Ausstellung, führt einzelne Besucher*innen durch die Räume. Sie zeigt ihnen Installationen, Keramiken, Objekte und Arbeiten auf Papier; allesamt ortsbezogene Kunstwerke, die aus altem Baumaterial der kürzlich abgerissenen historischen Güterverladerampe des Bahnhofs entstanden sind. Zwölf Künstler*innen aus Brandenburg und Berlin sind an dieser Ausstellung beteiligt. Auch Susanne zeigt zwei kleinformatige Arbeiten.

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Portrait von Susanne Thäsler-Wollenberg im Esperanto-Stacio ©Katrin Kamrau / www.document-architecture.com

Wir haben uns in diesem Frühjahr durch Susannes soziokulturelles Fotografieprojekt Halbe Welt. Ganzes Leben kennengelernt. Dieses hat sie zusammen mit dem Verein SHIA e.V. - Landesverband Brandenburg für Alleinerziehende konzipiert. Sie lud mich ein, eine der Arbeitsgruppen digital zu begleiten. Eine bereichernde Erfahrung während des Lockdowns.

Nach einer Weile kommt Susanne auf mich zu. Es ist das erste Mal, dass wir uns außerhalb des digitalen Raumes begegnen. Inzwischen ist es in der Ausstellung auch etwas ruhiger geworden. Wir ziehen uns hinter den Empfang zurück. Bei einem Tee vertiefen wir uns in ein Gespräch über Susannes Leben, ihre kulturelle Arbeit, ihre Beziehung zur Frauenbewegung und zur bildenden Kunst. Die Teilnahme an Gruppenausstellungen wie dieser in Halbe sind für sie bedeutsam. Eine wunderbare Möglichkeit für den kollegialen Austausch und für kulturelle Vermittlungsarbeit. Beruflich hat sie in den letzten Jahren vor allem partizipative Kunstprojekte organisiert. Für ihre eigene künstlerische Praxis benötigt sie eine gute Balance aus Interaktion und Freiraum für konzentriertes Arbeiten.

Susanne zählt sich zur späten 68er-Generation. Aus einer Arbeiterfamilie stammend hat sie, nach einer Lehre zur Farblithografin und Abitur auf dem zweiten Bildungsweg, Kunstpädagogik und Experimentelle Bildhauerei bei Christiane Möbus an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig studiert – Möbus war eine der ersten weiblichen Lehrenden dort. Susanne beschreibt sich als frauenbewegt, hat in ihren Studienjahren die Frauengalerie Gegenlicht mitbegründet, setzt sich kollektiv und künstlerisch mit kulturellen Gewohnheiten auseinander. In den Jahren nach ihrem Studium entwickelte sie eine reiche Palette künstlerischer Ausdrucksformen, die Body Art, Installation und Performance einschließen. Ein Stipendium führte die Künstlerin für eine Weile ins Ausland. Ihre Zeit teilte sich Susanne zwischen Brotjobs und ihrer künstlerischen Arbeit auf.

Vereinzelt betreten noch Gäste die Ausstellung. Susanne begrüßt diese und führt gekonnt mit wenigen Worten in die Ausstellung ein.

Als ich einige Portraits von Susanne in der Ausstellung fotografiere, betritt ein einzelner älterer Mann das Esperanto-Stacio. Er trägt zwei Hörgeräte, schaut sich um. Auch ihn begrüßt Susanne freundlich, lässt ihn schauen. Wir machen weitere Aufnahmen in einem Nebenraum, als er sich mit einigen Fragen an Susanne wendet. Ganz offensichtlich kann er wenig mit den Kunstwerken anfangen. Ich ziehe mich in unsere Tee Ecke zurück, lasse sie sprechen. Bedingt durch seine Hörgeräte spricht der Mann recht laut. Einige seiner Wortfetzen dringen zu mir hinüber: “... so’ne Scheiße kauft doch keiner ... aber ist Anregung, ne ...“.

Kurz darauf setzt sich Susanne wieder zu mir, wir führen unser begonnenes Gespräch fort. Susanne erzählt von ihrer kunstpädagogischen Arbeit an einer Gemeinschaftsschule in Berlin-Neukölln. Nach finanziell herausfordernden, unsteten Jahren in West-Berlin als freiberufliche Künstlerin und Initiatorin der Produzentengalerie Querformat nahm sie zunächst eine Vertretungsstelle an dieser Schule an. Es sollten über 20 Jahre werden. Sie berichtet von zahlreichen engagierten Kunstprojekten, die sie in den Folgejahren als Kunsterzieherin an der Fritz-Karsen-Schule mit Schüler*innen und Künstler*innen im städtischen Kontext umsetzen konnte, von ihrem Vertrauen in kreative Prozesse, von zahlreichen Fort- und Weiterbildungen, von kulturellen Bildungsprogrammen des Bundes, wie KUBIM, an denen auch sie wachsen konnte. Sie wirkte mit an der Veränderung des Kunstunterrichtes durch die Zusammenarbeit mit Künstlern an der Schule, zum Beispiel durch das partizipative Zeitzeugenprojekt Feuerzeugen mit dem Künstler Kain Karawahn oder dem fächerübergreifenden Projekt Farbmolekül mit der Berliner Künstlerin Annet Lau.

Auch von innerschulischen Herausforderungen, von ihrer intensiven Auseinandersetzung mit Bedeutungen und Potentialen künstlerischer Arbeit als Teil gesellschaftlicher und erkenntnistheoretischer Prozesse, sowie von fachlichen Anerkennungen ihrer kulturellen Bildungsprojekte berichtet sie.

Beim Verlassen des Ausstellungsortes sieht der ältere Mann uns hinter dem Empfang sitzen. Auch wenn bereits durch Susanne verabschiedet, möchte er sein Gespräch doch gern noch fortführen. Hierfür umrundet er den Empfang und kommt näher, auch um unsere Stimmen, gedämpft durch das Tragen medizinischer Masken, zu verstehen.

Susanne fragt ihn nach seinem Wohnort — ihm gefallen meine „so schönen Augen“. Nachdem Susanne ihre Frage mehrfach wiederholt hat, antwortet er schließlich, nennt den Ortsnamen. Er erzählt von Vorurteilen anderer gegenüber seinem Heimatort, sagt, er verstünde sich als dessen Botschafter; Worte wie: „Nicht alle Einwohner seien rechts“ und „Ich habe damals auch geklatscht, aber ...“ fallen. Der Monolog nimmt weitere Wendungen. Ich merke, wie mich seine übergriffige Art und das Gesagte zunehmend emotional packen, weiß nicht recht, wie ich mich positionieren soll, habe aber auch gerade gar keine Lust auf diese Art der emotionalen Arbeit. Ich wende mich Susanne zu, frage wie es ihr als Gastgeberin geht.

Auch noch lange nach seinem recht widerwilligen Abgang sprechen Susanne und ich über das eben Erlebte. Ich frage, wie sie in ihrer kulturellen Arbeit mit Begegnungen wie dieser umgeht. Zu keinem Moment ist sie laut geworden. Sie erzählt von ihrem Weg, davon, wie sie während ihrer langjährigen kunstpädagogischen Tätigkeit an der städtischen Gesamtschule mehrfach Kommunikationsstrategien eingeübt, revidiert und neu erprobt hat.

Am nächsten Tag brause ich nach Schulzendorf. Ich bin dort mit Susanne in ihrem Atelier verabredet. Seit 1998 leben Susanne und ihr Partner Jens Wollenberg hier in der Lausitz.

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Atelier Susanne Thäsler-Wollenberg ©Katrin Kamrau / www.document-architecture.com

Susanne nimmt regelmäßig am Brandenburger Tag des offenen Ateliers teil. In diesem Jahr zeigt sie Zeichnungen und kleine Plastiken zum Thema Entropie sowie eine umfangreiche fotografische Arbeit, die sie über zwei Jahre hinweg gemeinsam mit Gisela Michailova in einem nahen Kieswerk erarbeitet hat. Begegnet sind sich die zwei Frauen im Fotoclub Schwarz-Weiß e.V. in Wildau. Ihre kooperative Fotoserie trägt den Titel Die Wanderdüne, ein Thema, das Susanne seit langem begleitet. Während des Tages des offenen Ateliers im August haben die beiden Frauen durch ihre Ausstellung geführt, es gab Musik im Freien und eine Lesung mit Texten zur Entropie.

Für Susanne bietet dieser feste Termin im Jahr eine willkommene Gelegenheit, um Nachbarn, Freunde, Kolleginnen und Kollegen sowie Bekannte aus ihrem sozialen und kulturellen Netzwerk zu sich einzuladen. Für sie ist ihr regionales Engagement Möglichkeit und Notwendigkeit zugleich, um ihre sozialen Bezüge vor Ort zu stärken. Zwar wohnt sie seit mehr als zwanzig Jahren in Schulzendorf, während ihrer Erwerbsjahre war allerdings vor allem die Schule ihr Lebensmittelpunkt; Zeit für die Pflege von lokalen Kontakten blieb kaum.

Dann zeigt mir Susanne noch frühe Arbeiten, Dokumente und Zeitungsartikel aus ihrer Studienzeit an der HfBK Braunschweig. Ein mehrseitiger Artikel zu ihrer Arbeit Metamorphose Zebra von 1984 im kritischen Wissenschaftsmagazin Wechselwirkung fällt mir auf. Ein liebevoll gestaltetes Fotoalbum liegt auf dem Tisch. Auf der Suche nach weiblichen Vorbildern gründete Susanne zusammen mit Kommilitoninnen in Braunschweig die feministische Gruppe um die Galerie Gegenlicht. Auf einigen der Fotografien erkenne ich Susanne, auf anderen Valerie Export; diese hatten die Studierenden zu einem Performanceworkshop an die Hochschule eingeladen. Auch erste Kontakte zu frauengeführten Projekträumen nach West-Berlin, Susannes späterem Wohnort, gehen auf diese kurzlebige, aber prägende Initiative zurück.

Wieder auf dem Weg zu meinem Auto sprechen wir noch über einige aktuelle und kommende Projekte, über Susannes Interesse an einer engen Verknüpfung von Kunst und Kulturarbeit, über das stärkende Potential, das sie in dieser Herangehensweise für die Lausitz sieht und darüber, wie wichtig es auch für sie ist in Kontexten aktiv zu sein, in denen ein Voneinander-Lernen, ein Miteinander-Gestalten möglich sind. Vor kurzem kam eine Förderzusage vom Kulturland Brandenburg für ein partizipatives Kunstprojekt im kommenden Jahr. Susanne möchte zum Thema Jagd mit Künstler*innen der Region zusammenarbeiten — sie freut sich riesig drauf!

Reich beschenkt mit vielen Eindrücken, aufgenommenen Fotos, einem Glas selbstgekochter Marmelade und einigen frischen Chillies im Gepäck fahre ich heim. Das Treffen mit Susanne klingt noch lange in mir nach.

 

Mehr Informationen über Susanne:

Katrin Kamrau...

… ist bildende Künstlerin und Kunstvermittlerin. Die gebürtige Lausitzerin hat Fotografie & Medien an der Fachhochschule Bielefeld und Kunst mit Schwerpunkt Fotografie (M.A.) an der Kunstakademie in Gent studiert. Als Freiberuflerin macht sie sich für kulturelle Teilhabe auf Augenhöhe stark. Sie arbeitet für (sozio-)kulturelle Initiativen und Institutionen der zeitgenössischen bildenden Kunst - am liebsten mehrsprachig und hands-on - zu drängenden gesellschaftlichen Fragen und (bild-)kulturellen Themen. Mehr: www.katrinkamrau.de

 

 

 

Unterwegs mit Karen Ascher

Drei Lausitzer Akteurinnen im Kulturbereich geben Einblicke in ihren Alltag                                                                                                                             

 

Von Katrin Kamrau

 

Karen Ascher treffe an einem regnerischen Tag am Lübbener Bahnhof. Gemeinsam fahren wir zu einem Netzwerktreffen auf dem Gelände des Großenhainer Bahnhofs in Cottbus. Seit gut zwölf Jahren lebt die Kulturschaffende in der Niederlausitz. Auf unserer gemeinsamen Zugfahrt nach Cottbus erzählt mir Karen von ihrem Berufsalltag im Spreewald und davon, wie sie die Lausitz kennenlernte.

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Portrait Karen Ascher ©Katrin Kamrau / www.document-architecture.com

Ein ruhiges Plätzchen für unser Gespräch ist schnell gefunden und schon geht unsere Reise los.

Bevor sie nach Brandenburg kam, hat Karen in Mecklenburg-Vorpommern bei einem regionalen Fernsehsender gearbeitet. Als Kind dachte sie, dass im Spreewald die meisten Menschen auf Inseln leben; dass der Kahn DAS zentrale Fortbewegungsmittel sei, und dies in einer der heißesten Wetterzonen in Deutschland – kurz: Frösche, Libellen und Wasser.

Dass ziemlich vieles davon stimmt, auch wenn anders als ursprünglich angenommen, davon erzählt mir die Mittvierzigerin im Regionalexpress.

Die Lübbenerin engagiert sich mutig und leidenschaftlich für die Region sowie die Kolleginnen und Kollegen im Landkreis Dahme-Spreewald (LDS), bringt sich aktiv in Plattformen und Netzwerke ein (oder kreiert diese): ist vielgefragte Impulsgeberin und sucht und initiiert aktiv kollegialen Austausch.
So haben wir uns auch vor gut einem Jahr kennengelernt: spontan, in einer kurzen Gesprächspause während eines Ausstellungsaufbaus. Einige Tage später hatte ich eine Einladung in meinem Emailpostfach zu einer Gruppenausstellung in den Lübbener kommunalen Galerien zusammen mit rund 40 Künstlerinnen und Künstlern des Landkreises. Titel: Panorama. Organisation: Karen Ascher.

Mit viel Energie hat sich Karen über die letzten Jahre hinweg ihr Netzwerk in der Lausitz aufgebaut. Die Künstlerin setzt ganz auf Kooperation, weiß aber auch von vielen Widerständen und Schwierigkeiten zu berichten, als freiberufliche lokale Akteurin im städtischen und regionalen Kulturbetrieb Gehör zu finden.

Karen ist stark in die kulturellen Aktivitäten des Landkreises eingebunden: Sie betreute sie über einige Jahre hinweg die zwei kommunalen Galerien der Stadt Lübben, ist im Künstlerbeirat des Landkreises Dahme-Spreewald aktiv und gestaltet und betreut beispielsweise auch die Bücherzelle auf dem Lübbener Marktplatz. Ein nachhaltiges, gemeinwohlorientiertes Projekt, finanziert vom Lions Club Lübben und dem Spendenverein "Wir helfen", das Bücher 24/7 niedrigschwellig zugänglich macht, häufig Gesprächsanlass ist, zum Verweilen und zum Austausch einlädt. In der Büchertauschbox kann man auch regelmäßig aktuelle Flyer zu kulturellen Angeboten der Gegend finden. An vielen dieser Angebote ist Karen beteiligt.

Karen empfindet die kulturelle Vielfalt in der Lausitz als unglaublich groß und interessant. Sie schätzt die zentrale Lage der Lausitz in Europa, sowie die Nähe zu den Nachbarländern Polen und Tschechien. Dass der Spreewald ihr dabei über die Jahre hinweg zu einem geschätzten Begleiter geworden ist, macht Karen unter anderem in ihrem Instagram-Account @spree.every.day sichtbar.

Kooperationen mit lokalen Akteuren, ein Zusammenarbeiten auf Augenhöhe und die Stärkung kultureller Teilhabe sind Karen in ihrem Schaffen wichtig: ’Impulse für die Region von Innen heraus entwickeln’, ’aus der Kultur vor Ort schöpfen’, dafür brennt sie.

Diese Eckpfeiler ihres Tuns wollte Karen auch in den Kulturplan Lausitz einbringen. Dafür hat sie dessen Genese über zweieinhalb Jahre hinweg aktiv als Kulturschaffende begleitet.

Auch die sorbische Sprache und Kultur liegen Karen am Herzen. Hier interessiert sie das Unübersetzbare, die Identifikationskraft einer Sprache. Projektideen entwickelt sie aus dem Heute heraus. Neben Workshopangeboten und Malheften ist kürzlich das niedersorbisch-deutsche Memory-Spiel Mudra Głowka – Schlaues Köpfchen entstanden; in Zusammenarbeit mit der Sorben/Wenden-Beauftragten des LDS Sabrina Kuschy. Erhältlich ist dieses Gesellschafts- und Sprachspiel in verschiedenen touristischen und kommunalen Einrichtungen des Landkreises. Konzeption und Umsetzung: Karen Ascher. Fortsetzung folgt.

Aber Lübben ist nicht der einzige Ort im LDS an dem sich Karen engagiert. Zusammen mit weiteren Mitstreiter*innen baut sie momentan den Kulturverein Halbe.Welt auf. Einen zentralen Veranstaltungsort hat der Verein im Esperanto-Stacio gefunden: einem internationalen Veranstaltungsort gut erreichbar gelegen am Bahnof in Halbe. Hier sind seit dem Sommer 2020, zusammen mit vielen Bewohnern aus Halbe und dem Landkreis erste Ausstellungen und intergenerationelle, partizipative Aktionen realisiert worden: im Sommer 2021 fand hier das Sprachenfestival LingvaFEST’ statt; vor kurzem das Gaming Festival LUDO.

In Halbe.Welt e.V. arbeiten die Mitglieder des Vereins mit Arbeitsweisen und Formaten, die auch Karen sehr schätzt. Die Teammitglieder stärken und unterstützen einander; arbeiten vertrauensvoll und zugewandt miteinander. In den Aktivitäten des Vereins kann Karen beobachten, wie Menschen sich durch partizipativ angelegte, inklusive Kulturprojekte öffnen, einander begegnen; wie gemeinsame kulturelle Arbeit zur Stärkung der Meinungsbildung aller beiträgt; wie das Verständnis füreinander, aber auch für die Kunst wächst; wie Ideen in andere Bereiche, wie Wirtschaft oder Tourismus, getragen werden. Hier sieht sie Potentiale das gesellschaftliche Miteinander im ländlichen Raum zu stärken.

Kulturelle Teilhabe möchten die Mitglieder von Halbe.Welt zusammen mit anderen Akteur*innen aus der Region weiterentwickeln. Gemeinsam mit der Laga Luckau GmbH und dem Förderverein Lieberose entstand vor Kurzen, auf Anregung von Karen Ascher, ausformuliert und ausgekleidet unter gleichrangiger Mitwirkung aller drei Partner, ein ländlicher kultureller Ankerpunkt in Brandenburg: das Kulturdreieck Dahme-Spreewald.

Projektbezogenes Arbeiten wechselt Karen inzwischen mit festen Angeboten für Kinder und Senioren ab. Hierfür arbeitet sie mit verschiedenen sozialen Trägern aus der Region zusammen.
Für sie hat sich der Sprung in die Lausitz und damit in die Selbständigkeit im Kulturbereich gelohnt, sagt Karen kurz vor unserem Ziel. Sie schätzt es sehr künstlerische und gemeinwohlorientierte Arbeit miteinander zu verbinden, auch wenn dies manchmal viel Kraft verlangt.

Die Zugtüren öffnen sich. Wir machen uns gemeinsam auf den Weg.

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Portrait Karen Ascher ©Katrin Kamrau / www.document-architecture.com

Möchtest du mehr zu Karen und ihren kulturellen Aktivitäten hören? Dann empfehle ich diese Folge des Podcasts Digitale Wunderbar. Kunst und digitale Medien Kunst und digitale Medien von Susann Schulz. Susann und Karen haben sie gemeinsam während der Pandemie aufgenommen. Kennengelernt haben sich die beiden in einer Online-Kneipe.

Weitere Infos unter:

Katrin Kamrau...

… ist bildende Künstlerin und Kunstvermittlerin. Die gebürtige Lausitzerin hat Fotografie & Medien an der Fachhochschule Bielefeld und Kunst mit Schwerpunkt Fotografie (M.A.) an der Kunstakademie in Gent studiert. Als Freiberuflerin macht sie sich für kulturelle Teilhabe auf Augenhöhe stark. Sie arbeitet für (sozio-)kulturelle Initiativen und Institutionen der zeitgenössischen bildenden Kunst - am liebsten mehrsprachig und hands-on - zu drängenden gesellschaftlichen Fragen und (bild-)kulturellen Themen. Mehr: www.katrinkamrau.de

 

Unterwegs mit Marie-Luise Schmidt

Drei Lausitzer Akteurinnen im Kulturbereich geben Einblicke in ihren Alltag                                                                                                                              

 

Von Katrin Kamrau

 

Marie-Luise Schmidt hat in ihre Küche eingeladen. Bei einem leckeren Kaffee, umgeben von Gläsern mit selbstgemachtem Trockenobst, erzählt Marie von ihrer Arbeit.

Nach Stationen in Berlin, Frankfurt/Main und Karlsruhe hat es sie vor gut 10 Jahren nach Lübben zurück gezogen. Die A13 zwischen Berlin und Lübben nennt Marie ihre Ameisenstraße. Lübben ist ihr Kraftort.
Marie ist in vielen Gewerken zu Hause, die sich allesamt um Gestaltung und Kommunikation - um Grafik und Fotografie - ranken; hat in der Werbung, in der Filmbranche und als Werbe-, Familien- und Hochzeitsfotografin gearbeitet.

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Foto: ©Käthe Marie Krzok

Auch in ihrem beruflichen Alltag im Spreewald hat sich Marie breit aufgestellt; liebt die Abwechslung. Die selbständige Fotografin bietet Betreuung in Bild, Text und Social Media für feste Firmenkunden, Freiberufler und Privatpersonen. Marie zeigt gern Menschen, die ganz bei sich sind; möchte diese mit ihren Fotografien stärken.

Für Paare bietet sie beispielsweise intime Sessions, bei denen Bilder während eines Spaziergangs entstehen. Familien begleitet die ausgebildete Fotografin tageweise; hält den familiären Alltag fest. Eine vielschichtige Familienreportage entsteht. Diese familiäre Nähe abzubilden, das Hinter-sich-Lassen repräsentativer Gruppenbilder und anonymer Studioatmosphäre, ist Marie und ihren Kolleginnen wichtig: Nah dran sein an den Menschen, an den Familien, und visuelle Erinnerungen schaffen, die zeigen, wie es wirklich war.

Auch ihre eigene innere Arbeit ist Marie wichtig. Aktiv arbeitet sie an einer lebenswerten, schätzenden und achtsamen Lebens- und Arbeitsumgebung für sich, ihre Familie und ihre Kund*innen. Das In-Verbindung-Sein mit der sie umgebenden Natur schenkt ihr Kraft und Inspiration zugleich. Intuitives und strukturiertes Arbeiten wechseln sich ab; sind für sie Stand- und Spielbein.

Austausch und Impulse für ihre Arbeit findet die Fotografin bundesweit in langjährigen, informellen Netzwerken mit Kolleginnen mit ähnlicher Familiensituation und beruflichen Interessen. In diesen geschützten Räumen entstehen neue Ideen; wird gemeinsam Neues ausprobiert. So lerne ich auch Nina aus der Nähe von Hamburg kennen.

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Marie-Luise Schmidt während einer Wildfang-Fotosession ©Katrin Kamrau

Sie wohnt für einige Tage bei Marie, hält mit ihrer Kamera den Alltag von Marie und ihrer Tochter fest und steht selbst für Wildfang vor der Kamera. Wildfang ist eine von Marie entwickelte jahreszeitenbezogene Portrait-Session, die ihre Interessen und Fertigkeiten zusammenbringt.

Zu dritt brechen wir mit viel Gepäck Richtung Wald auf. Kamera und Utensilien baumeln am Fahrrad. Marie hat auch ihre Trommel dabei. Erst schiebt Marie, später ich; immer den Damm entlang. Während unseres halbstündigen Spaziergangs bleiben Marie und Nina hier und da stehen; tauschen sich zur Umgebung, zur Familie und zu Pflanzen am Wegesrand aus.

Tief versunken ins Gespräch erreichen wir ein Waldstück. Gehen tief hinein. Marie weist uns den Weg zu einer Lichtung: weich, moosbewachsen, umgeben von Schilf und jungen Birken. Hell bricht die Sonne durch das Astwerk. Hier machen wir halt. Marie reicht uns Tee und baut einen Ruheplatz mit Kissen und einer Decke auf. Wir nehmen uns viel Zeit, um an diesem Ort anzukommen. Ich ziehe mich etwas zurück. Marie bittet Nina, mit ihr auf der Decke Platz zu nehmen. Das Fotoshooting beginnt mit Tee, Düften, Klang und gemeinsamen Atemübungen.

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Marie-Luise Schmidt während einer Wildfang-Fotosession ©Katrin Kamrau

Ich sehe, wie sich die beiden Frauen öffnen; einander vertrauen. Erste Fotos entstehen, langsam, tastend. Nina lehnt sich an einen Baum, schaut durch den tiefhängenden Ast einer Buche. Später liegt sie auf einem Stamm. Probiert wechselnde Outfits aus. Auch ein plötzlicher Regenschauer scheint die zwei nicht weiter zu stören.

Ich mache noch einige Fotos von den Beiden. Nach einer Weile ziehe ich mich vorsichtig zurück.

 

Weitere infos unter:

 

Katrin Kamrau...

… ist bildende Künstlerin und Kunstvermittlerin. Die gebürtige Lausitzerin hat Fotografie & Medien an der Fachhochschule Bielefeld und Kunst mit Schwerpunkt Fotografie (M.A.) an der Kunstakademie in Gent studiert. Als Freiberuflerin macht sie sich für kulturelle Teilhabe auf Augenhöhe stark. Sie arbeitet für (sozio-)kulturelle Initiativen und Institutionen der zeitgenössischen bildenden Kunst - am liebsten mehrsprachig und hands-on - zu drängenden gesellschaftlichen Fragen und (bild-)kulturellen Themen. Mehr: www.katrinkamrau.de

 

 

 

Wir wurden gefragt, was bei F wie Kraft momentan so los ist…

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Und das ist so einiges. Im September bekamen wir eine Anfrage von MDR Wissen, ob wir nicht gern Teil ihres Beitrags zur ARD-Themenwoche „Stadt.Land.Wandel“ wären. Sie würden uns gern bei einem unserer Stammtische begleiten. Selbstverständlich hatten wir Lust darauf. Und so trafen wir uns am 6. Oktober in den Räumlichkeiten des KOLABORacja in Görlitz. Es war das erste Mal, dass wir (Franzi, Julia, Marenka, Leonie und Marie) uns „in echt“ trafen – falls ihr euch erinnert: der Lausitzerinnen-Stammtisch wurde geboren, als Corona bereits fester Bestandteil unseres Alltags war, und somit hatte er bis dato ausschließlich digital stattgefunden. Digital waren außerdem Tonie, Andrea, Gabriele, Lisa, Sophie, Katrin und Sandra zugeschalten. Nachdem wir alle verkabelt wurden und die Kameras auf uns gerichtet waren, ging es bei Kuchen, Snacks und Teechen los mit dem Treffen. Anfangs stellte uns Moderatorin Daniela ein paar Fragen über das Netzwerk und seine Arbeit sowie allgemein über das Thema Frauen im ländlichen Raum. Danach begannen wir „unter uns“ (natürlich nicht, denn wir wussten, dass das irgendwann die ganze Welt sehen wird) mit den Überlegungen zu unserem ersten richtigen Lausitzerinnen-Stammtisch in Präsenz. Neben unzähligen Ideen inhaltlicher und organisatorischer Natur einigten wir uns auf ein Datum, den 30. Oktober, und einen Ort, das TELUX in Weißwasser. Ziel erfüllt. Und das MDR Team war mit dem Dreh ebenfalls zufrieden. Die Vorfreude auf das Ergebnis war entfacht.

Da ja gar nicht so viel Zeit war, den Präsenzstammtisch in Weißwasser zu planen, legten wir uns mächtig ins Zeug, organisierten die Räumlichkeiten, die Workshopleiter*innen, die Einladungen, die Bewerbung, die Anmeldungen und alles, was so ein Treffen im Real Life so braucht… war ja niemand von uns mehr so richtig gewöhnt.

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Samstag, der 30. Oktober 2021 – ein wunderbar sonniger Herbsttag. Nach einem lockeren Ankommen, Austauschen und Sonne genießen setzten wir uns bei Kaffee und Kuchen für eine Vorstellungsrunde zusammen. Viele kannten sich bereits, andere noch nicht, es kamen gänzlich neue Gesichter dazu, und das aus den unterschiedlichsten Alters- und Interessensgruppen. WIr besprachen, welche Projekte und aktuell beschäftigen, wo wir Mitstreiterinnen, Rat oder Unterstützung suchen. Danach ging es los mit den Workshops: Julia besprach mit den Teilnehmerinnen des Workshops „Uns fragt doch eh keiner!? – Mitmachen, mitgestalten, mitbestimmen aus Eurer Sicht." die Perspektiven der jungen engagierten Lausitzerinnen, Sophie lieferte einen speziell für uns designten Pantarei-Embodiment-Workshop, Franzi bastelte wunderschöne Herbstkränze und weitere feine Sachen und OB Torsten Poetzsch führte uns durch Weißwasser.  Mit so vielen neuen und wunderbaren Eindrücken versammelten wir uns zur Auswertungsrunde - selbstverständlich bei Pizza, Limo und köstlichen selbstgebackenen Kuchen und Kürbisgerichten. Unser Fazit: Es gibt noch viel zu tun, hier in der Lausitz. Aber gemeinsam können wir das angehen. Und Alle waren sich einig: Wir wollen uns wiedersehen!

Anfang November raunte es aus mehreren Richtungen, dass unser MDR-Beitrag nun fertig wäre. Die Veröffentlichung sollte im Rahmen einer Preview inklusive Podiumsdiskussion mit Staatsministerin Petra Köpping als Stargast in Görlitz stattfinden.

Das Ganze sollte so aussehen:

Vom 7. bis 13. November findet die ARD-Themenwoche „Stadt.Land.Wandel“ statt. In dieser Woche wird MDR WISSEN, die Wissenschaftsredaktion des MDR, fünf Filme in der ARD-Mediathek veröffentlichen (Länge jeweils ca. 15 bis 20 Minuten), die sich in Mitteldeutschland mit dem Thema „Ländlicher Raum“ aus unterschiedlichen Perspektiven und mit verschiedenen Herausforderungen beschäftigen. So wird es unter anderem um Mobilität auf dem Land gehen, um ländliche Versorgung und Dorfläden, um Landwirtschaft und um Energiegewinnung / Stromerzeugung. Auch der Rolle der Frauen im ländlichen Raum wird ein Film gewidmet sein. Ein wesentlicher Drehort dieses Films war die Region Görlitz mit seinen aktiven und engagierten Frauen! Um Ihnen das Ergebnis dieses Drehs zu zeigen, uns bei allen Beteiligten zu bedanken und mit Ihnen und interessierten Bewohnerinnen und Bewohnern ins Gespräch zu kommen, möchten wir Sie zusammen mit dem Netzwerk F wie Kraft zu einem Filmabend mit Podiumsdiskussion einladen. Neben dem genannten Film werden wir auch zwei weitere Filme zeigen, über die wir anschließend auf einem prominent besetzten Podium (und mit Ihnen) diskutieren wollen.

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Dies wurde leider coronabedingt abgesagt, soll aber nachgeholt werden. Hoffentlich klappt es bald! Den Film gibt es aber natürlich trotzdem schon zu sehen. Schaut mal rein!

https://www.ardmediathek.de/video/zukunftsland/mehr-frauen-braucht-das-dorf/mdr/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy8zMmJhZjliYy0xNDhkLTRlNDgtYjFjNy1jMzZkNWY0MGVkODk/

Und als wenn dieser Film nicht schon cool genug wäre, wurde Franzi dazu auch nochmal interviewt. Hier könnt ihr den Radiobeitrag hören:

Kuhkaff oder Landidylle: Wie geht es Dörfern und Kleinstädten in Sachsen?

Aussterbende Dörfer und Kleinstädte oder blühende Landlust? Wie steht es um das Leben abseits der Großstädte in Sachsen? Wie ergeht es den Menschen, was sagen BürgermeisterInnen? "Dienstags direkt" fragt nach.

https://www.mdr.de/sachsenradio/podcast/dienstags/audio-1880858.html

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Uns erreichen auch weiterhin viele Anfragen von verschiedenen Medien. Das ist toll, denn es ist uns gelungen, als Ansprechpartner*innen für super relevante Themen wahrgenommen zu werden. Doch: F wie Kraft ist ein Netzwerk und somit nicht nur die Stimme der Redaktion. Falls euch so eine Anfrage erreicht, dürft ihr euch gern angesprochen fühlen und über eure Erfahrungen und Perspektiven sprechen. Es ist nicht notwendig, ein Einverständnis der Redaktion einzuholen, aber wir freuen uns natürlich, wenn ihr uns kurz informiert und auf die Veröffentlichung hinweist, so dass wir es die Welt davon in Kenntnis setzen können.

Zuguterletzt haben wir noch viele weitere tolle Sachen geplant:

  • Im Rahmen des neuen Projektes „Hoffnung und W/Mut: demokratische Teilhabe junger Menschen – mit Blick auf junge Frauen - in Ostsachsen“ soll eine Audio-Reihe bzw. ein Podcast entstehen. Was die konkreten Themen sind? Sagt ihr es uns!
  • Die Netzwerkkarte „Frauen.Leben.Hier“, welche Studierende der Sozialen Arbeit an der HSZG erstellt haben, geht bald online. Wenn ihr dabei sein wollt, tragt euch hier ein: https://forms.gle/xpZNErDCYKRA3xkg6. Genauere Infos zu dem Projekt findet ihr unter https://fwiekraft.de/index.php/blogs/frauen-leben-hier-1
  • Wir planen bereits die nächsten Stammtische, zum Beispiel einen Rückkehrerinnen-Stammtisch zwischen Weihnachten und Neujahr, einen Stammtisch im Rahmen der Brandenburgischen Frauenwochen am 7. Mai 2022 in Altdöbern, und, weil wir halt schon auch eine gesunde Portion Größenwahn mitbringen, ein F wie Kraft – Festival im September 2022

Für all das brauchen und wollen wir Euch – in welcher Form auch immer, wir freuen uns über jeden Beitrag. Wenn ihr dabei sein möchtet, schreibt uns an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

„Ich bringe gerne Regionen voran“

Kathrin Uhlemann kommt zwar nicht aus Niesky, aber sie ist sich sicher, dass sie die Stadt positiv verändern kann. Darum tritt sie dort für die Bürgermeisterwahl Ende des Jahres an.

Dresden, Tadschikistan, Kirgisistan, Görlitz und nun bald vielleicht Niesky – der Lebensweg von Kathrin Uhlemann ist eher ungewöhnlich. Nach vielen Stationen in Asien hat es sie schon vor einiger Zeit wieder zurück in nach Ostdeutschland gezogen. Sie ist in der Lausitz, in Görlitz gelandet und hat bisher auch hauptberuflich Strukturwandelprozesse begleitet. „Ich habe viel Erfahrung mit Transformationsprozessen“, sagt die 44-jährige. Rund 15 Jahre lang war sie für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Meist hat sie dort im post-sowjetischen Zentralasien daran gearbeitet, Strukturen wieder aufzubauen, beispielsweise in Kirgisistan oder Tadschikistan. „Ich bringe gerne Regionen voran“, erinnert sie sich.

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Bisher hat sie das vor allem aus der diplomatischen Perspektive einer Projektverantwortlichen bei einem Bundesunternehmen gemacht, sie hat Dialoge organisiert, Projekte geplant. Das alles habe ihr eine Menge an Handwerkszeug und Methoden, sowie ein umfassendes Verständnis von Transformation und Wandel gegeben, sagt sie.

Gestalten und nicht nur verwalten

Um noch stärkere Impulse zu setzen, möchte sie nun selbst politisch aktiv werden. „Ich will nicht nur eine Verwalterin, sondern eine Gestalterin sein“, sagt sie. „Bisher ist Niesky hinter seinen Möglichkeiten zurück geblieben“. Kathrin Uhlemann tritt zwar für die CDU an, ist aber selbst parteilos. Ihre Verbindung mit der CDU beschreibt sie als eine Art strategische Zweckgemeinschaft. Die CDU habe für die Stadt nach einer geeigneten Kandidatin gesucht und sie nach einer neuen beruflichen Herausforderung. „Ich teile aber das Werteverständnis der CDU“, sagt sie.

Kathrin Uhlemann ist in Dresden aufgewachsen. Zur Zeit der Wende war sie 13 Jahre alt, die Umbrüche der darauffolgenden Jahre haben sie geprägt. Sie erinnert sich besonders an die Freiheit, die mit dem „neuen Zeitalter“ kam. Beispielweise für Auslandsaufenthalte. Sie erinnert sich aber auch daran, wie ihr Vater als Patentanwalt in den folgenden Jahren versuchte, ostdeutsches Traditionshandwerk zu schützen und wie schwierig das manchmal war. Zum Studium in Biochemie zog sie nach Halle an der Saale, von da aus dann in die weite Welt. Damit ihre Kinder in Deutschland zur Schule gehen können, kam sie irgendwann wieder zurück. Aktuell arbeitet sie für die Sächsische Agentur für Strukturwandel.

Zusammenarbeiten auf einem persönlichen Level

Und warum will Uhlemann nun gerade Bürgermeisterin von Niesky werden? Die Stadt habe die perfekte Größe, sagt sie. Niesky gehört mit rund 10.000 Einwohner*innen zu den kleinsten Städten in Sachsen. Die Stadt liegt im Landkreis Görlitz, nur wenige Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Sie hat die typischen Probleme, die viele sächsische Kleinstädte prägen: Eine abnehmende Zahl an Einwohner*innen, ein Problem mit Rechtsextremismus. Nirgendwo in Deutschland hat die Alternative für Deutschland (AfD) bei den Bundestagswahlen im September so viele Stimmen bekommen wie im Landkreis Görlitz. Hinzu kommt die Abhängigkeit von der Kohle und die Frage, wohin es nach dem Kohleausstieg mit der Region geht. Uhlemann sieht das alles, als erstes aber sieht sie die perfekte Größe der Stadt: Sie sei klein genug, dass man auf einem guten persönlichen Level zusammenarbeiten könne.  „Ich bin zwar nicht von hier, ich kenne nicht jede Ecke“, sagt sie. „Aber ich habe die Möglichkeit, die Stadt aus einem anderen Blickwinkel heraus voranzubringen: als Neu-Lausitzerin“.

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Außerdem betont sie immer wieder, wie traditionsreich das Städtchen eigentlich sei. Niesky ist eine Herrnhuter Brüdergemeine, dass das immer wieder vergessen wird, findet Uhlemann traurig. Der Herrnhuter Weihnachtsstern, der in ganz Deutschland auf Weihnachtsmärkten und in Wohnzimmern den Advent verschönert, sei eigentlich sogar in Niesky erfunden worden – nur wisse das nun leider kaum noch jemand. Uhlemann würde das gerne ändern – beispielweise indem der Stern in einem Staffellauf symbolisch von Niesky ins südsächsische Städtchen Herrnhut getragen wird.

Traditionsreiche Vereinslandschaft

Bei der Frage nach dem, was sich zu erhalten lohnt, nennt Uhlemann auch die ausgeprägte Vereinsarbeit in Niesky. Natürlich schrumpft die Stadt, wie die meisten in der Region, durch Wegzug und demografischen Wandel. Gleichzeitig fahre der örtliche Fußballverein Eintracht zweimal in der Woche mit einem Bus nach Dresden, um junge Menschen von dort zum Vereinstraining nach Niesky zu bringen. „Davon bin ich schwer beeindruckt“, sagt die Bürgermeisterkandidatin.

Auch sonst gebe es viele Traditionen, die in Niesky noch nicht genug gewürdigt werde und deren Potenzial übersehen wird, meint Uhlemann. Da ist beispielweise die lokale Holzwirtschaft. Das könne eine Branche der Zukunft sein und nach dem Kohleausstieg Arbeitsplätze schaffen. Das seien aber nur kleine Beispiele, der Wandel in der Region werde noch umfassender werden. „Ich möchte, dass Niesky an seinen Werten und seiner Tradition festhält, aber gleichzeitig auch neue Wege geht“, sagt sie.

Rechtsextremismus in Niesky

Weg von der Tradition, zurück zur grauen, oder wohl eher blau-braunen politischen Realität in Niesky. Ein Viertel der Sitze im Stadtrat wird von AfD-Politikern besetzt, die Grünen haben keinen einzigen. „Aus meiner Sicht spricht auch nichts dagegen, konstruktiv mit dem Kandidaten der AfD in einem Wahlforum über Sachthemen zu sprechen“, sagt Uhlemann. Sie wolle inhaltlich und professionell überzeugen, anstatt von vorneherein zu verurteilen. Dazu kann man sagen, dass die Brandmauer nach rechts wohl mehr als nur ein bisschen wackelt. Man kann aber auch denken, dass ohne eine gehörige Portion Pragmatismus ganz im Osten der Republik nichts mehr zu machen ist. Und Kathrin Uhlemann ist praktisch veranlagt. Über Vieles könne sie noch nicht urteilen – dafür sei sie noch zu neu in Niesky. „Ich rede erstmal mit allen Bürgern der Stadt“, sagt sie. Auch nicht vorschnell urteilen möchte sie zum Beispiel über das neue Clubhaus der „Schlesischen Jungs“ im Bahnhof von Niesky. Diese sind eine rechtsextreme Gruppierung, die auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird. „Durch den Umzug mit meiner Familie nach Niesky bringe ich auch Weltoffenheit mit“, sagt sie. Dass das allein im Kampf gegen Neonazis wohl nicht reichen wird, gibt sie allerdings auch zu.

150 Prozent im Beruf

Zwar war Kathrin Uhlemann bisher keine Berufspolitikerin, aber dass sie lange in einem Umfeld von Diplomatie gearbeitet hat, merkt man ihr an. Sie spricht überlegt, fokussiert und durchdacht. Gleichzeitig ist es aber – wie oft bei Politiker*innen – schwierig, wirklich nah an sie heran zu kommen und hinter die Fassade zu schauen. Auf die Frage, was ihr in ihrer Freizeit Kraft gibt, sagt sie: „Ich definiere mich sehr über meine Arbeit.“ Ihr sei es wichtig, im Beruf immer 150 Prozent zu geben.

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Viel Privates möchte sie also nicht preisgeben. Ein bisschen etwas erzählt sie dann doch. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder. Eine Tochter hat eine Behinderung, dies sei oft schon sehr einnehmend. Zur Entspannung in der Freizeit sei sie gerne draußen, etwa zum Skifahren oder wandern.

Damit sie auch in Zukunft stolz auf ihre Arbeit sein kann, gibt Kathrin Uhlemann nun im Wahlkampf alles. Sie hat Flyer und Plakate drucken lassen, führt unzählige Gespräche. Sie will auch jetzt schon etwas verändern – und arbeitet in Projektwerkstätten mit Bürger*innen an Ideen für die Stadt. „Selbst wenn ich nicht Bürgermeisterin werde, bleibt davon dann etwas“, sagt sie.

 

Lisa Kuner...

...ist freie Journalistin, sie schreibt für die FAZ über Bildung, für Perspective Daily über den Osten und würde am liebsten aus Brasilien von sozialer Ungleichheit erzählen. Außerdem studiert sie Nachhaltige Entwicklung in Leipzig. Einen Überblick über ihre bisherigen Veröffentlichungen gibt es hier: https://www.torial.com/lisa.kuner

Fotos...

... von Tine Jurtz: https://www.tinejurtz.de/

Die Lausitz - ein Underdog wie ich

Einmal Prinzessin sein, mit einem langen Kleid durch ein Meer von Blüten laufen und in einem märchenhaften Schloss wohnen. Ein typisches Bild in einer Welt voller Stereotype?

Tonie Jahnke ist 21 Jahre alt und engagiert sich als „Kromlauer Blütenkönigin“, der Repräsentantin des Kromlauer Parks. Auf ihrem Instagram-Account folgen ihr fast 9000 Personen. Die meisten ihrer Follower:innen sind zwischen 25 und 34 Jahren, 74% sind Frauen. Die Hauptthemen: ihr Lieblingsort – die Rakotzbrücke, Lifestyle und ihr facettenreiches Engagement.

Die Aufgaben als Blütenkönigin nimmt sie sehr ernst. Sie ist Repräsentantin des Parks, wirbt für die Blütenpracht der über 100 Jahre alten Rhododendren und das Parkfest zu Pfingsten. Auch hinter den Kulissen ist sie aktiv, kümmert sich um die Pflege und Instandhaltung des Parks. In ihrem Amt möchte sie Besucher:innen verschiedener Altersklassen für ihre Heimat begeistern. Sie weiß alles über die Parkgeschichte, die Entstehung, die Restaurierungen. Drei Stunden hat sie mich herumgeführt. Sie kennt alle Geheimnisse!

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So ganz nebenbei erzählt sie, dass sie 2019 zur Lady Karneval der Lausitz gekürt wurde. In Bad Muskau tanzt sie in der Funkengarde. Ich selbst durfte Sie bei verschiedensten Projekten  im Soziokulturellen Zentrum Telux in Weißwasser kennenlernen. Hier übernimmt sie die Moderation der „Gamingstube“ und hilft bei der Organisation und Durchführung des Kleidertauschcafés „Weitertragen“. Und als wäre das alles noch nicht genug, ist sie Trainerin der Foxettes – den Cheerleadern der Lausitzer Füchse. Mit 21 Jahren weiß sie genau, was sie will und wie sie diese Ziele erreichen kann. Ihre Aufgabe liegt nicht nur darin, sich im Glanze schöner Kleider fotografieren zu lassen. Sie will nicht nur des kleinen Mädchens Traum sein. Sie will mehr!

„Ich will mehr als schick aussehen und irgendwo herumstolzieren. Ich will arbeiten und Dinge richtig machen und dass wir junge Menschen in die Lausitz bringen.“

Unsere Region hat große Probleme, junge Leute in der Heimat zu halten. Meine eigene Jugend war geprägt von der Frage, was ich aus meinem Leben machen soll, wenn ich in der Lausitz bleibe. Studien bestätigen, dass viele Jugendliche sorgenvoll auf ihre Zukunft in der Lausitz schauen[1].

Auch Tonie kennt diese Probleme. Für ihre früheren beruflichen Ziele hätte sie die Region verlassen müssen. Um Sport oder Schauspiel zu studieren, müsste sie mindestens nach Berlin oder Leipzig ziehen – alles zu weit weg! Jetzt studiert sie Kulturmanagement in Görlitz.

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Als Blütenkönigin geht sie von Mai bis Dezember auf Tour, um bei verschiedenen Events ihr Kromlau und weitere Schätze der Lausitz zu vertreten. Die Tour wurde im letzten Jahr aufgrund der Pandemie abgesagt. In dieser Pandemie ist sie jedoch besonders dankbar für ihr Leben in der Lausitz.

„Wenn du Bock hast - gehst du wandern oder an den See, gehst in den Sportverein, engagierst dich, setzt deine Ideen um!

Wenn Tonie von ihren Aufgaben und Zielen spricht, ist alles voller Enthusiasmus. Selten sehe ich so starke junge Frauen, die voller Überzeugung von ihrer Lausitz sprechen! Doch auch sie muss kämpfen, gegen Vorurteile, Hasskommentare im Netz und männliche Autoritäten.

„Frauen werden leider immer noch unterdrückt, auch hier – ich werde manchmal nicht ernst genommen, einfach weil ich 21 Jahre alt und blond bin, weil ich Kleider trage und mich schminke!“

Über die Enttäuschungen darüber, dass sich Menschen ihr gegenüber negativ äußern, spricht sie offen. Vorverurteilung und Stereotypisierung nerven sie zutiefst. Sie legt ihren Hatern ans Herz, lieber erstmal nachzufragen, anstatt ohne Vorwissen zu urteilen. Tonie will aber positiv bleiben. Sie lässt Stereotype und Zuschreibungen nicht unkommentiert, wehrt sich. Sie will aus solchen Situationen lernen und sich nicht unterkriegen lassen. Sie weiß was sie kann.

Die Choreografien der Cheerleader denkt sie sich allein aus, ihre Königinnenkleider und die Uniformen für die Foxettes designt und schneidert sie selbst. Sie schneidet ihre Musik und ihre Videos, bearbeitet ihre Fotos allein. Sie hat sich alles selbst beigebracht.

„Ich hab’s einfach gemacht und geguckt was bei rauskommt. Ich finde immer einen Weg, dass es funktioniert!“

Geld verdient sie mit keinem einzigen ihrer Jobs. Sie dominiert sich in den Männerwelten des Eishockeysports, der Tourismusbranche, der Lausitz. Sie wünscht sich mehr Anerkennung für das, was Mädchen und Frauen in der Zivilgesellschaft leisten. Sie wünscht sich, dass diese Arbeit nicht als selbstverständlich abgetan wird.

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Trotzdem liebt Tonie ihre Heimat– sie braucht diese ganzen Aufgaben. Sie will als Beispiel dienen, dass ein gutes Leben für junge Frauen auch hier möglich ist, wenn wir uns gegenseitig unterstützen und verbünden. Sie will sich einbringen und junge Mädchen mitziehen.

Ich frage sie, ob sie das nicht müde macht, diese ganze Arbeit, kein Geld, was bleibt für sie da übrig? Was hält sie in der Lausitz?

„Ich will keinen Urlaub brauchen von meinem Leben! Alles was ich mache ist mein positiver Stress – ich lieb es zu hustlen. Ich kann hier meine Vorstellungen umsetzen, ich weiß, wen ich anrufen muss, wenn ich was brauche, ich kann mich entfalten. Es ist eine bessere Lebensqualität als in den ganzen Großstädten. Klar ich mag das, auch mal nach Dresden zu fahren, aber diese Freiheit hast du da nicht. Ja, du musst Abstriche machen – aber das Leben an sich ist hier einfach lebenswerter für mich. Ich will was erreichen und was bewegen – das geht nicht, wenn ich zu Hause auf der Couch sitze und fernsehe.“

Im letzten Jahr war ich oft mit Tonie zusammen, wir helfen uns, tauschen uns aus - schmieden Ideen. Dieser Artikel ist bei mir zu Hause entstanden, in Weißwasser, bei Tee und Eis, mit Gitarre und Ukulele. Ich wünschte mir manchmal ein bisschen von Tonie‘s Leichtigkeit. Sie macht einfach; sie legt einfach los!

Zum Abschluss frage ich sie, was sie mit der Lausitz gemeinsam hat. Bei Ihrer Antwort bin ich gerührt. Dieser Satz wird mich über Tage hinweg beschäftigen!

Die Lausitz ist wie ich – ein Underdog. Wir werden so oft unterschätzt, dabei entfalten wir erst unsere wahre Größe, wenn Mensch sich traut, uns kennen zu lernen!

Tonie Online

Franziska Stölzel...

... ist Wissenschaftlerin für Wandel- und Transformationsprozesse. Obwohl es sie nach ihrem Studium zunächst nach Südamerika gezogen hat, war für sie immer klar, dass sie zurück in die Lausitz möchte. Aktuell lebt sie in Weißwasser und ist für das Projekt REBOOST der Universität Graz beschäftigt. Außerdem ist sie in verschiedenen Projekten aktiv, wie bspw. dem Soziokulturellen Zentrum Telux, als auch als Mitautorin des Lausitzmonitors sowie F wie Kraft - Stammtischlerin der ersten Stunde. 

Fotos: https://patlografie.de/

 

 [1] Eine Studie des IASS beschreibt die Situation der Jugendlichen und Auszubildenden bei der LEAG als “Sorgenvoll (…) im Hinblick auf die Themen Arbeit, Familie und Armut. Ihnen macht nicht per se der Verlust ihres Arbeitsplatzes Angst, sondern für eine neue Arbeitsstelle aus der Region wegziehen zu müssen, Familie und Freunde weniger oft sehen zu können und zu schlechteren (finanziellen) Konditionen arbeiten zu müssen.“

Gemeinschaft, Diversität, neue Möglichkeiten

Ein Interview mit Franziska Stölzel

Heute stellen wir euch Franziska Stölzel vor. Franzi ist Wissenschaftlerin für Wandel- und Transformationsprozesse. Obwohl es sie nach ihrem Studium zunächst nach Südamerika gezogen hat, war für sie immer klar, dass sie zurück in die Lausitz möchte. Aktuell lebt sie in Weißwasser und ist für das Projekt REBOOST der Universität Graz beschäftigt. Außerdem ist sie in verschiedenen Projekten aktiv, wie bspw. dem Soziokulturellen Zentrum Telux, als auch als Mitautorin des Lausitzmonitors. Nicht zu vergessen war sie maßgeblich daran beteiligt den Lausitzerinnen Frauenstammtisch zu initiieren – und ich würde gerne wissen: Franzi, wieso ist der Strukturwandel eigentlich so interessant für dich?


Herzlichen Dank für diese liebe Vorstellung. Strukturwandel – in aller Köpfe ist dieses Wort. Allgemein sagt die Definition, Strukturwandel ist eine Veränderung einer Region oder eines Gebiets, in den Bereichen Wirtschaft, Infrastruktur, aber auch soziale oder kulturelle Bereiche spielen dabei eine Rolle. Laut Befragungen sind die Menschen in der Lausitz einen Wandel gewohnt. Mich interessiert daher, wie man diesen Wandel positiv und nachhaltig gestalten kann, um zum Beispiel ein Modell zu entwickeln, dass man auf andere Regionen in der ganzen Welt übertragen kann. Kohleausstieg ist ja immerhin ein globaler Prozess.

 
Und was sind eigentlich Faktoren für einen gelingenden Strukturwandel?


Unser Lausitzer Strukturwandel ist geplant und bekommt auch durch den Kohleausstieg einen gewissen Ablaufplan. Allgemein gilt, dass alle Informationen für alle Bürger:innen zur Verfügung
stehen müssen. Das bedeutet auch, dass sie in leichter Sprache zur Verfügung stehen müssen. Desweiteren ist die Transparenz aller Entscheidungsgremien total wichtig und darüber hinaus müssen alle Bürger:innen die Möglichkeit bekommen, sich an diesem Wandel beteiligen zu können. Für die Lausitz wurde von Akteur:innen und Stakeholdern der Region die  Entwicklungsstrategie 2050 entwickelt. In ihr geht es vor allem darum, wie man Wirtschaft fördern kann, Wertschöpfungsketten generieren kann, wie man kulturelle Angebote weiterentwickeln kann, aber auch um vieles mehr! Da lohnt es sich auf jeden Fall einen Blick reinzuwerfen.


Franzi, ein Strukturwandel ohne Frauen – was soll das für ein Strukturwandel sein?

Sorry, not sorry, aber ohne Frauen geht gar nichts, vor allem kein Wandel. Die vom Kohleausstieg betroffenen Berufe sind eher technisch und daher eher männerdominierte Berufe. Das zeigt sich auch in den Entscheidungsgremien und in der Politik – die ist nämlich eher homogen, männlich und älter aufgestellt. Die Lausitz allerdings braucht unbedingt junge Menschen, junge Frauen, junge qualifizierte Frauen, denn die, wir, sind die Zukunft der Region und müssen uns mit unseren Ideen und Projekten einbringen. Ich wünsche mir daher mehr Diversität in  Entscheidungsgremien und der Politik. Nicht nur Männer, sondern auch Frauen, Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung, FLINTA Personen oder Menschen, die von der Mehrheitsgesellschaft abweichen, bspw. eine Behinderung haben. Das schafft nicht nur mehr Diversität, sondern auch Mut für andere Personen, sich einzubringen und ihre Ideen auszuplaudern und gemeinschaftlich neue Möglichkeiten zu entwickeln.


Und wie unterstützen dich Netzwerke wie bspw. F wie Kraft in deiner Arbeit?


Für mich ist es wichtig, diesen Wandel für alle gestaltungfähig aufzustellen. Du bist Wandel, ich bin Wandel, wir alle werden von den Auswirkungen des Wandels betroffen sein – doch wir jungen Leute sind vor allem die Zukunft des Wandels. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass Wandel an sich gar nichts Schlechtes ist und dass wir alle davon profitieren können, es
aber eben auch ziemlich viel Nachholbedarf gibt. Wir brauchen aktive Bürger:innen, die sich entscheiden für diesen Wandel zu kämpfen. Wir brauchen Transparenz und Diversität in den Entscheidungsgremien und da setzt F wie Kraft an. Denn hier muss man auf gemeinschaftlicher Ebene agieren. F wie Kraft bietet mir selbst die Ressource mich mit anderen Frauen zu  vernetzen und auszutauschen. Diese Frauen kennen die Prozesse und Strukturen in der Lausitz, wir pushen uns gegenseitig, aber wir können uns auch mal so richtig auskotzen. Allgemein ist es ebenso, dass wenn man gemeinschaftlich an einer Sache arbeitet auch eher auf Probleme aufmerksam machen kann und doch eher gehört wird. In der großen Gemeinschaft, die wir bilden, können wir uns gegenseitig so gut unterstützen und sind eben gemeinsam stark und das schätze ich so sehr an F wie Kraft.


Dann bedanke ich mich ganz herzlich, liebe Franzi, und noch ein kleiner Aufruf an Dich da draußen – und zwar, falls Du vorgestellt werden möchtest oder Du gerne ein Projekt vorstellen würdest, dann meld dich doch einfach bei uns und vielleicht können wir das nächste Mal schon ein bisschen mehr über dich oder eben dein Projekt erfahren!

Das Interview führte Nicole Maziarka. Nicole lebt in Görlitz. Sie ist Sozialarbeiterin (i.A.), Mädchen*arbeiterin (i.A.) und seit 2020 Projektmitarbeiterin bei F wie Kraft. Mit einem intersektional-queerfeministischen und herrschaftskritischen Zugang setzt sie sich in ihrer Arbeit mit Impulsen für selbstbestimmte, gesellschaftliche, politische Aktivität auseinander und macht sich für soziale Gerechtigkeit und solidarisches Miteinander stark. Seit 2019 engagiert sie sich im Projekt „Studierende beraten Studierende“ der HSZG, desweiteren ist sie im Studierendenrat aktiv, in dem sie das Referat Soziales leitet.

“Frauen.Leben.Hier” legt die Karten auf den Tisch!

Wir - das sind 14 Studierende der Hochschule Zittau/Görlitz - wollen bis Ende 2021 in Kooperation mit F wie Kraft und den Gleichstellungsbeauftragten der Lausitz eine Karte zu Lebens- und Arbeitswelten von Frauen in der Lausitz erstellen. Dabei gehen wir der Frage nach dem aktuellen Stand der Gleichberechtigung nach und wollen mit Hilfe der Karte Projekte, Initiativen und Lebenswelten, die von und für Frauen im Raum der Lausitz existieren, sichtbar machen. Die besagte Karte dient damit als wichtige und nötige Basis für mehr Empowerment und der gleichzeitigen Vernetzung von Frauen. Das entstehende Produkt zeigt dabei die Zusammenhänge und die Wirksamkeit von Frauen in der Lausitz auf, kann als Argumentationsgrundlage für Anträge und Maßnahmen herangezogen werden und fungiert somit als alltagspraktische Hilfe für Menschen die im Bereich der Gleichstellung und der Geschlechtergerechtigkeit in der Lausitz aktiv werden wollen oder für die, die es bereits sind.

Im Rahmen unseres Studiums der Sozialen Arbeit haben wir so die Möglichkeit theoretische und auch praxisbezogene Einblicke in die Projektarbeit zu erhalten und wollen so die Arbeit in der Geschlechtergerechtigkeit fördern. Dafür treffen wir uns wöchentlich seit März und sind weiterhin fleißig am planen, recherchieren und diskutieren.

Für alle die Teil unseres Projektes werden sowie sich und ihre Institution auf der Netzwerkkarten verewigen lassen wollen, haben wir eine Möglichkeit geschaffen sich direkt bei uns zu melden. Unter dem folgenden Link öffnet sich unser Interessent*Innen-Paper, wo sich direkt ein Platz auf der Netzwerkkarte sichern lässt.
https://forms.gle/xpZNErDCYKRA3xkg6

Bleibt gespannt für weitere Informationen und Updates, die bald folgen werden.
Das gesamte Team vom Projekt Frauen.Leben.Hier

Was wir wollen: Geschlechtergerechtigkeit für die Lausitz im Wandel!

Das Bündnis der Gleichstellungsbeauftragten der Lausitz trifft sich mit Landesgleichstellungsbeauftragter und Staatsministerin

 

Zum zweiten Bündnistreffen der Lausitzer Gleichstellungsbeauftragten kamen am 07.06.2021 die Beauftragte für die Gleichstellung von Frauen und Männern des Landes Brandenburg Manuela Dörnernburg, die sächsische Staatssekretärin Dr. Gesine Märtens sowie die Gleichstellungsbeauftragten der Städte und Landkreise der Lausitz nach Senftenberg. Ziel des Bündnisses ist es, die grenzüberschreitende Bedeutung der Geschlechterperspektive im Strukturwandel hinauszustellen.

Die Idee zu diesem Bündnis kam von den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten der sächsischen und brandenburgischen Lausitz; Sabine Hiekel (Cottbus), Elke Voigt (Dahme-Spreewald), Ute Miething (Elbe-Elster), Lisa Temesvari-Alamer (Spree-Neiße), Fränzi Straßberger (Stadt Bautzen), Ina Körner (Landkreis Bautzen), Ines Fabisch (Landkreis Görlitz) und Johanna Zabka (Oberspreewald-Lausitz).

In diesem zweiten Treffen der Lausitzer Beauftragten sollen gleichstellungspolitische Positionen zum Strukturwandel der Lausitz abgestimmt und eine Strategie für das gemeinsame Vorgehen entwickelt werden. Als Unterstützerinnen für einen geschlechtergerechten Strukturwandel auf landespolitischer Seite waren Frau Dörnenburg, Landesbeauftragte für die Gleichstellung von Frauen und Männern des Landes Brandenburg, Frau Dr. Märtens, Staatssekretärin und Jana Rothe, Referatsleiterin für Gleichstellung von Frauen und Männern im Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung sowie der Landrat des Landkreises Oberspreewald-Lausitz Siegurd Heinze anwesend.

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2. Bündnistreffen der Lausitzer Gleichstellungsbeauftragten (Foto: Landkreis Oberspreewald-Lausitz)

Im derzeitigen Prozess zeigt sich unmissverständlich die mangelnde Relevanz geschlechterspezifischer Kriterien – beispielsweise beim Umgang mit Arbeitsplätzen, die nur sekundär vom Strukturwandel betroffen, aber mehrheitlich von Frauen besetzt sind.

Ergebnis des Treffens ist ein gemeinsames Positionspapier. Darin formulierten die Gleichstellungsbeauftragten ihre Forderungen:

  • Geschlechtergerechte Verteilung der Strukturwandelmittel
  • paritätische Besetzung aller Gremien
  • ein überregionales Gremium oder Fachbeirat, der die Einhaltung geschlechterge-rechter und partizipatorischer Ansprüche begleitet, integriert und kontrolliert
  • Methodische Vielfalt statt einfältiger Sitzungsmarathons.

Das Bündnis der Gleichstellungsbeauftragten ist ein Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen dem TRAWOS Institut der Hochschule Zittau Görlitz und dem Landkreis Görlitz, umgesetzt durch die Plattform F wie Kraft. Die Plattform wurde auf dem Treffen durch Dr. Julia Gabler, Marie Melzer und Pauline Voigt vertreten.

 

Ihr wollt Euch gemeinsam mit uns für einen geschlechtergerechten Strukturwandel in der Lausitz einsetzen? Schreibt uns an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.!

Das Land heilen

Das Land heilen - eine Aufgabe für Generationen. Wie Naturverbindung ein Anfang sein kann.

Wenn man von Strukturwandel spricht, einem Begriff aus der Wirtshaft, spricht man meistens von Industrie, Wirtschaft, Plänen, Infrastruktur. Vor meinem inneren Auge tauchen auch sofort Bilder von Tagebaulandschaften, Baggern, Seen, Demonstranten, Arbeitslosenquoten und Bewohnern auf, denn selten meint man zeitgleich den Wandel, der mit den Menschen, die das Land bewohnen, einhergeht – also die Folgen, die sozialen Veränderungen, die Wohnsituation (und natürlich auch die Arbeitssituation).

Jede in die Landschaft eingebrachte Veränderung hat einen merklichen Einfluss auf die Menschen, die in dieser Landschaft wohnen. Diese Binsenweißheit können Alle nachvollziehen, die schon mal schwer schlucken mussten, als der Nachbar unvorhergesehen etwas gebaut oder gepflanzt hat, was eine Störung im täglichen Landschaftsbild mit sich brachte. Später setzt Gewöhnung ein, oder Resignation. Ein Teil der täglichen Landkarte hat sich unwiderruflich verändert. Diese unwiderrufliche Veränderung, eine Strukturanpassung, hat folglich auf die inneren Landkarten der Menschen Einfluss. Auf ihre inneren Orientierungspunkte, Gewohnheiten, Abhängigkeiten und Gestaltungsräume. Das, was äußerlich einmal verändert ist, verändert auch den Menschen nach innen.

Eine Region im Übergang

Dass in einer sich im Übergang befindlichen Region wie der (ehemaligen) Braunkohleregion Lausitz dies ein ständiges Thema ist, wundert kaum. Unser Reden und Agieren darüber und damit zeigt, dass wir in äußerlicher und innerlicher Anpassung sind. Wir haben unsere Landschaft auf Generationen nach uns für immer verändert. Die Lausitz ist nicht mehr die, die sie mal war, und wird für immer eine Neue sein. Dieser Prozess ist unumkehrbar. Er bedarf großer Anpassungsleistungen der Menschen, die hier leben und einer über Jahrzehnte gelebten Verantwortung für das, was wir den aktuellen und allen zukünftigen Generationen hinterlassen wollen und müssen.

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Manchmal schaue ich auf die Wunden dieses Landes, auf die aufgerissene (oder versiegelte) Erde. Aber auch auf die neuen Seen, Schutzgebiete, Gründungen, Ideen, Erholungsmöglichkeiten. Auf die neuen Arten oder die, die für immer verschwunden sind. Manchmal sehe ich in der Lausitz ein Land, welches zutiefst verwundet worden ist. Dies könnte man politisch sehen, wirtschaftlich oder eben auch gesellschaftlich, denn ich persönlich glaube, dass der Wandel Alle in der Region verwandelt. Das kann zu Gunsten der Region, aber auch zu ihren Ungunsten ausfallen.  Denn: Zufriedenheit stellt sich erst mit einem positiven Wandlungsprozess ein. Und Wandel heißt zunächst erst einmal, dass etwas unwiderruflich endet, eh sich etwas Neues einstellt oder etablieren kann. Zufriedenheit braucht Weitsicht. Und Weitsicht braucht Angstfreiheit und Vertrauen, dass es gut ausgeht. Und das ist eine harte Übung für Menschen.

Wandel der Menschen

Deswegen ist für mich Strukturwandel auch innere Arbeit jedes Menschen in einer solchen Region. In meiner Arbeit als Prozessbegleiterin, Beraterin für Menschen in Lebenswandelsituationen, erlebe ich, wie Menschen Anpassungsschwierigkeiten haben, wenn die äußere Struktur sich verändert. Es fällt dann schwer, sich neu zu orientieren, das Gefühl von Beheimatung zu finden, sich neu einzupassen. Das Leben fühlt sich wie eine aufgerissene, verwundete Braunkohlelandschaft an, wenn plötzlich der Tod ins Leben tritt, Trennung oder Verlust der Arbeit oder der Ideale im Leben real werden. Beschäftigt sich ein Mensch nicht mit seinem persönlichen Wandel, kann die Verwundung nicht heilen. Eben auch wie in einer Braunkohlelandschaft für eine landschaftliche und wirtschaftliche Veränderung etwas getan werden muss. Auch individuell fragt sich der Mensch: Was will ich der nächsten Generationen hinterlassen? Wie will ich mich einbringen? Wie kann und will ich ein Teil der gestaltenden Gesellschaft sein?

In meiner Arbeit spielt der Kontakt mit der Natur eine entscheidende Rolle. Je tiefer die Begegnung mit der Natur einen Menschen berührt, umso stärker erlebe ich, wie ein Mensch sich auf seinen und ihren eigenen inneren Wandel einlassen kann. Diese Arbeit in einer Region mit sehr verletzter Erde offenbart ein Spiegelbild unserer Generation, die die Altlasten der Industrialisierung noch lange verwalten muss. Heilen und transformieren muss. Persönlich nach innen und strukturell nach außen.

Frauenkraft ist Heilkraft im Wandel

Frauen spielen - meiner Meinung nach - im Strukturwandel des Landes und der Menschen eine entscheidende Rolle. Es ist, als würde ihnen auf besondere Art der Wunsch nach Ganzheit, Zusammenhalt und Heilung der Wunden innewohnen. Selbstverständlich erlebe ich das auch bei Männern und diversen Menschen. Jedoch: etwas weiß die Frauenkraft, die weibliche Energie in den Menschen mehr darüber, wie es geht, wieder ganz zu werden. Wie kann die Frauenenergie wirken, dass sich Mensch und Landschaft wieder heilen lassen?

Ich bin überzeugt, dass es viele Wege dafür gibt. Für mich ist ein wichtiger Weg, mich als Teil des Systems zu verstehen, die Verbundenheit zu meinen Mitmenschen, und anderen Mitlebewesen zu erleben und zu spüren. Das sortiert mich neu ein - nimmt mir meine Bulldozermentalität und macht mich behutsamer. Mit Menschen und mit dem Land. In meinen Augen ist das eine Fähigkeit, die gerade die Lausitz dringend braucht. Für Mensch und Landschaft, damit sich die Struktur, das System, in dem wir leben, verändern kann. Auch darum bin ich nach 20 Jahren Steinkohleregion wieder zurück in meine Heimat, die Lausitz, gekommen. Zutiefst verbunden mit dem geschundenen Land, mit dem Wunsch, etwas zu dieser Transformation beitragen zu können. Mit Frauenkraft.

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 Anne-Maria Apelt...

... ist Spreewälderin, Wendin, Rückkehrerin. Nach ihrem Abitur 2001 zog sie 20 Jahre durch den Westen, erlebte die Steinkohleregion Ruhrpott, kam 2020 mit Mann und Maus wieder zurück. Strukturwandel ist für sie eine Aufgabe von Herz und Hand, die im Einklang mit der Natur zu bewerkstelligen ist. Dafür bietet sie Menschen die Möglichkeit, sich wieder mit der Natur, der Erde, dem Land stärker zu verbinden. Denn sie glaubt: das ist der Anfang des Wandels.

Anne-Maria ist unter www.lebensentdeckungsreisen.de  zu finden.

Fotos: Roland Baege, Anne-Maria Apelt

Über Pflege

Den Tag der Pflege wollen wir von F wie Kraft nutzen, um an unsere Recherchereise durch die Lausitz zu erinnern. Vor über einem Jahr, noch bevor eine Pandemie sie in den Mittelpunkt rückte, recherchierten Jenny Bartel und Pauline Voigt zu einer der wichtigsten Berufsgruppen in der Lausitz: die Pflegerinnen. Nicht nur im Privaten übernehmen Frauen den Großteil der Sorgearbeit. Im Pflegesektor sind über 85% der Beschäftigten weiblich. Der Strukturwandel ist eine passende Gelegenheit, um in einer alternden Region ins Gespräch zu kommen, über die Bedingungen, Beteiligungen und Perspektiven insbesondere der Altenpflegerinnen.

Im Rahmen der ProduzentinnenTOUR sprachen wir mit Expertinnen und Pflegerinnen. Schon hier wird deutlich: Wer sichtbar über das Thema Pflege spricht, praktiziert sie nicht. Neben Expertinnen aus Gewerkschaft, Sozialplanung und Wirtschaftsförderung sprachen wir mit drei Pflegerinnen, die namentlich nicht genannt werden wollten. Sie aber waren es, die uns eine Welt vor Augen führten, die mitten in der Pandemie ins gesellschaftliche Blickfeld geriet und uns immerhin Applaus abrang. So zynisch die Geste der applaudierenden Menschen auf den Balkons hier und da auch kommentiert wurde, sie drückt das unbehagliche Verhältnis zu den professionellen Pflegekräften aus: Wir müssen begeistert sein, dass sie sich tagtäglich bereit erklären für einen Niedriglohn Jene zu pflegen, die dank fortgeschrittener medizinischer Standards noch leben können, es aber nicht mehr schaffen sich selbst zu versorgen. Und dann doch ihren letzten Lebensabschnitt dort verbringen, wo viele von ihnen nie landen wollten.

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Es ist erstaunlich, dass die meisten Pflegerinnen sowohl den Familienangehörigen wie den Bewohnerinnen eines Altenpflegeheimes so viel Lebensfreude entgegenbringen, als wöllten sie das Unausweichliche demonstrativ beschwichtigen: die Angehörigen von der Last des schlechten Gewissens befreien und den Pflegebedürftigen das Gefühl austreiben, abgestellt worden zu sein.

So wie das Sterben zum Altern, so gehört das Begleiten der Sterbenden wie der weiter Lebenden zum Alltagsgeschäft der Pflegerinnen. Neben dem Heben und Legen, Wenden und Füttern, Waschen und Karten spielen, Tabletten geben und Witze erzählen, Trinkmengen abfüllen und Windeln entsorgen, Lesen und Kämmen, Cremen und Wickeln, Protokollieren und Telefonieren, Erklären und Bitten, Berücksichtigen und Sorgen, scheinen sie nie zu vergessen, wie außergewöhnlich und sensibel dieser Abschnitt für alle Beteiligten ist. UND DAS ALLES JEDEN TAG FÜR 2.500 brutto, wenn’s gut läuft und sie bereit sind, Vollzeit zu pflegen. Deswegen müssen wir applaudieren.

Auch unsere Recherchezeit war begleitet von einer gewissen Scham. Nicht nur die besonderen Herausforderungen der Pandemie waren schuld, dass wir einen riesigen Bogen machten, um irgendwie in Kontakt mit Pflegerinnen zu kommen. Auch die Erkenntnis, dass professionelle Pflege vollen Einsatz verlangt und oft im Verborgenen stattfindet. Leider konnten wir pandemiebedingt nicht unserem aufsuchenden Ansatz folgen und mit den Pflegerinnen in ihrem Berufsumfeld sprechen, wo Knappheit (Zeit, Geld, Personal) herrscht, und der betriebsbedingte Stress natürlich Vorwürfe und Vorhaltungen produziert: bei den Angehörigen, den Pflegebedürftigen und den Pflegerinnen. Die körperliche Belastung gepaart mit psychischem Stress führen zu einer begrenzten Verweildauer in diesem Beruf. Da klingen die Durchhalteparolen der Bundespolitikerinnen zum Tag der Internationalen Pflege fast frech: mehr Zeit für Selbstverwaltung und Interessenorganisation kann unter den bestehenden Bedingungen kaum gelingen. Denn, das wissen alle, bevor eine Pflegekraft auf die Straße geht, kümmert sie sich lieber ein paar Minuten länger um ihren Schutzbefohlenen.

Mit dem Fokus auf Gesundheitswirtschaft und dem Ausbau der Ausbildungs- und Studiengänge im Pflege- und Managementbereich als Zukunftsfelder im Strukturwandel der Lausitz sind wichtige Schritte bereits getan; wünschenswert wäre, wenn die Chance genutzt würde, die erfahrenen Pflegerinnen aus der Region am ökonomischen Aufwärtsprozess teilhaben zu lassen oder ihnen Unterstützung durch fachlich versiertes Personal zu ermöglichen - das wünschen sich unsere Gesprächspartnerinnen nämlich.

Julia Gabler…

… ist Görlitzerin, Dozentin an der Hochschule Zittau/Görlitz, Autorin und Initiatorin des Netzwerkes F wie Kraft.

 

Foto: https://unsplash.com/photos/BxXgTQEw1M4

Radikale Selbstfürsorge – jetzt!

Wer beim Thema Selbstfürsorge jetzt schon nicht weiterlesen will, sollte es sich wirklich anders überlegen. Die Leipziger Autorin Svenja Gräfen versteht es in ihrem neuen Buch „Radikale Selbstfürsorge jetzt – eine feministische Perspektive“, die Leser:innen auf humorvolle und verständnisvolle Weise mitzunehmen auf einen Weg, den wir in dieser Pandemie wirklich gebrauchen können: Einen Weg hin zu mehr Selbstverständnis, zur Anerkennung der eigenen Bedürfnisse. Dabei erzählt sie von ihren Erfahrungen und Aha-Momenten, beleuchtet auch kritische Seiten der Selbstfürsorge-Industrie und zeigt, wie der Begriff ganz grundsätzlich neu verstanden werden kann. 

Ann-Kathrin Canjé hat sie für FwieKraft zu ihrem neuen Buch interviewt.

 Zu Beginn der Klassiker: Wie kam die Idee zu diesem Buch?

Ich habe mich immer schwer getan mit dem Thema, auch weil mir die feministische Perspektive darauf gefehlt hat. Dann habe ich mich aufgrund diverser, persönlicher Krisen auf verschiedenen Ebenen mit dem ganzen großen Thema Selbstfürsorge auseinandergesetzt. Viel gelesen, viel gelernt, viel darüber mit Freund:innen gesprochen. Irgendwann hatte ich nicht nur die Idee, sondern auch einfach das Bedürfnis, das alles aufzuschreiben, um es zu sammeln, um es festzuhalten, auch für mich selbst. Ich habe beim Schreiben dann relativ schnell gemerkt: Okay, das könnte auch für meine Freund:innen und im Grunde auch für viele andere Menschen interessant und hilfreich sein. So kam ich auf die Idee.

 Warum ist es so schwer, mit der Selbstfürsorge anzufangen und warum sträuben sich so viele Menschen noch dagegen?

Ich glaube, ein Hauptgrund könnte sein, dass es ja mit Verletzlichkeit zu tun hat, also damit, sich auch eine Schwäche einzugestehen oder überhaupt, dass man Bedürfnisse hat, die vielleicht nicht gestillt sind. Es geht einfach um mehr als so ein „sich-pampern“, etwas betäuben, damit man sich eben nicht mit etwas auseinandersetzen muss. Ganz im Gegenteil: Es geht darum, dass man sich auch mit Dingen auseinandersetzen muss, die unangenehm sein können. Es ist anstrengend, es kostet super viel Energie, etwas zu verändern, auch wenn es nur so Dinge sind, wie aus Gewohnheit jeden Abend lange vorm Fernseher zu sitzen und dann abends nicht einschlafen zu können. Wenn man das eine gewisse Zeit gemacht hat, dann ist es einfach so doll im Gehirn drin, dass es anstrengend ist, das zu ändern. Ich glaube, das schreckt ganz einfach ab.

Wie hast Du es selbst geschafft, Selbstfürsorge als etwas Hilfreiches anzuerkennen? Als etwas, das wir brauchen, das uns gut tut – und wegzukommen von der Ablehnung, die etwa beim Wort „Self Care“ kommt?

Erstmal so ein bisschen aus der Not heraus, weil es mir wirklich nicht gut ging. Ich stand gefühlt vor einem Burn Out und habe mich dann gezwungenermaßen mit dem Thema beschäftigt. Ich habe erstmal gesucht, was ich tun könnte, um mir zu helfen, weil es so einfach nicht weiter gehen konnte. Durch diesen Prozess und auch durch die Lektüre bestimmter Bücher, also Self-Help Literatur und auch zum Teil durch spirituelle Bücher habe ich dann irgendwann gemerkt: Okay, was ich suche, kann ich mir im Endeffekt erstmal nur selbst geben.

Ich hatte sehr lange die Erwartung, dass ich mir das aus dem Außen ziehen kann. Aus beruflichen Erfolgen oder einer bestimmten Follower:innenanzahl. Ich dachte, dass mir das dann so die Leichtigkeit, die Erfüllung gibt, nach der ich suche. Aber: Pustekuchen. Das war so der Moment, in dem ich realisiert habe: Ne, erstmal muss ich irgendwie mit mir selbst klar kommen. Es reicht nicht, diese Dinge zu tun, die dann so als „Self Care“ gelabelt sind, sondern ich muss da einfach etwas tiefer graben, mich mit Glaubenssätzen und Denkmustern auseinandersetzen.

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© Paula Kittelmann

Du lädst in Deinem Buch auch dazu ein, sich darauf einzulassen, mit Dingen mal neu anzufangen, neue Gewohnheiten kennenzulernen, neue Rituale zu entdecken. Gibt es etwas, mit dem Du 2021 auch zum ersten Mal neu angefangen hast?

Da muss ich fast passen oder enttäuschen, weil dieses Jahr bei mir absurderweise bis jetzt von sehr viel Arbeit geprägt gewesen ist. Aber: Auch wenn ich viel zu tun hatte, weil eben das Buch zu finalisieren war, ich parallel noch an anderen Projekten gearbeitet habe und noch arbeite, versuche ich mir mehr und mehr Zwischendurch-Auszeiten zu gönnen. Ich glaube es fällt mir inzwischen auch leichter, mal so eine To-Do-Liste gehen zu lassen. Das ist eine Sache, die ich immer noch übe, auch 2021.

 Dein Buch trägt den Untertitel „eine feministische Perspektive“. Wie kann Selbstfürsorge denn Deiner Meinung nach feministisch sein?

Also erstmal ist es natürlich ein bisschen die Vorrausetzung für gesellschaftliches, politisches Engagement, dass ich auf mich aufpasse, mit meinen Kräften, mit meiner Energie haushalte und mich um mich selbst kümmere. Ansonsten laufe ich Gefahr, auszubrennen und gar nichts mehr machen zu können. Allein daher sollte es Bestandteil sein von Feminismus, von Aktivismus, dass ich mich eben auch um mich selbst kümmere. Dass ich nicht nur gucke: Wie kann ich die Missstände, die Strukturen, die Welt verändern und zu einem sicheren und besseren Ort machen, sondern dazu gehört auf jeden Fall auch, dass ich nett zu mir selbst bin, dass ich auf meine Bedürfnisse achte und schaue: Wie viel kann ich denn gerade überhaupt geben?

Zum anderen ist es natürlich auch so eine Art von Rebellion, wenn eben Selbstfürsorge nicht als Ausrede dafür gilt, dass ich irgendwelche teuren Kosmetikprodukte konsumiere oder als Selbstoptimierungsmaßnahme verstehe, damit ich noch produktiver sein und noch mehr arbeiten kann im Kapitalismus, sondern einfach als Selbstzweck.

Also dass ich jetzt nicht sage: Ich mache eine Pause, damit ich danach noch mehr leisten kann, sondern ich mache jetzt eine Pause, weil es mir dann besser geht. Ich habe verdient, dass ich mich besser fühle. Auch wenn die Gesellschaft oder die politischen Strukturen mir eigentlich sagen: Nö, Du hast es nicht verdient. Dann kämpfe ich im Kleinen natürlich, aber ich kämpfe trotzdem gegen diese ungerechten Strukturen an.

Spoiler für die, die das Buch noch nicht gelesen haben: Ganz am Ende gibt es ja eine Liste mit Dingen, die für Dich zu Selbstfürsorge gehören können. Was von dieser Liste hast Du denn heute vielleicht schon gemacht?

Noch nicht so viel, weil es noch früh ist, aber so ein paar Dinge, die auf der Liste zu finden sind, habe ich tatsächlich schon gemacht:

Ich habe schon einen kleinen Spaziergang mit meinem Hund gemacht, ihn schon gestreichelt (auch ein Punkt auf der Liste) und ich habe meinen Wecker später gestellt, weil ich gestern so müde war und gemerkt habe: Ich brauche mehr Schlaf. Das ist mein Favorite-Thing to do: Wann immer es mir möglich ist, so lange zu schlafen, wie es möglich ist. Gestern habe ich außerdem einen Telefontermin auf nächste Woche verschoben, weil ich gemerkt habe: Nö, das ist mir gerade zu viel. Das habe ich vor ein, zwei Jahren noch nicht gemacht, weil ich immer dachte: den Termin haben wir jetzt vereinbart, da muss ich dann auch können. Jetzt habe ich einfach eine Mail geschrieben und gesagt: Können wir das bitte auf nächste Woche verschieben. Das war sehr selbstfürsorglich.

Das Buch ist ja in Zusammenarbeit mit Slinga Illustration entstanden. Wie kamst Du auf die Idee? Wieso war es Dir wichtig, diese Illustrationen zu haben und was bedeuten Sie Dir?

Ich wollte, dass es für jede Person so zugänglich wie möglich ist und hatte das Gefühl, dass Illustrationen total gut unterstützen können, einfach weil dadurch der Zugang niedrigschwelliger wird. Die Illustrationen verstärken zusätzlich das, was man gelesen hat.

Da hatte ich sofort Lea bzw. Slinga Illustration im Kopf, weil ich ihre Arbeit kenne und schätze, weil sie eine Freundin von mir ist, weil sie auch zu solchen Themen ganz viel macht; also nicht nur Feminismus, sondern auch Mental Health, Körperbilder und viel zum Thema Angst.

Ich finde, es ergänzt sich ganz schön. Und – das kann ich selbst nicht so sagen, aber das haben mir andere gespiegelt – das Buch hat einen humorvollen Anteil und ich glaube, dass gerade durch die Illus nochmal mehr Humor mitreinkommt.

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© Slinga Illustration 

Was wäre das Schönste für dich, dass ein:e Leser:in nach der Lektüre deines Buches macht?

Ich glaube, das Schönste fände ich erstmal, dass eine Leserin oder ein Leser sich nicht schon während des Lesens unter Druck gesetzt fühlt, sondern einfach eine schöne und entspannte Zeit mit dem Buch hat. Und es danach vielleicht auch schafft, den Druck rauszunehmen und nicht das Gefühl hat, dass Self Care jetzt auf die To-Do-Liste muss, die sowieso schon zu voll ist, sondern, dass vielleicht so eine neue Art der Beziehung zu sich selbst entstehen kann. Dass man so ein bisschen nachsichtiger, verständnisvoller ist.

Wenn man sich vielleicht vorgenommen hat: Jetzt lese ich erst ein paar Seiten in dem Buch, dann mach ich noch mein Work Out, dann meditiere ich, dann trinke ich noch einen Tee und dann gehe ich ins Bett – dass man stattdessen vielleicht einfach sagt: Okay, ich lese jetzt noch ein bisschen und wenn ich müde bin, dann gehe ich schlafen, weil das gerade mein Bedürfnis ist.

Wie würdest Du denn beispielsweise Menschen in der Lausitz erklären, die eher in kleinen Gemeinden oder Dörfern leben, sehr viel Care Arbeit leisten und in ganz vielen Bereichen tätig sein müssen und vielleicht nicht so viele Zugänge haben, dass Selbstfürsorge sich auch für sie lohnt?

Genau aus dem Grund ist es mir ein Anliegen gewesen, dieses Buch zu schreiben. Ich finde es so wichtig, dass darüber gesprochen und aufgeklärt wird, dass Selbstfürsorge nicht nur ist, in den fancy Yoga Kurs zu gehen, teure Kosmetikprodukte zu kaufen, ein Sabbatical zu machen oder sich jeden Tag zwei Stunden Zeit nur für sich zu nehmen, sondern dass es schon mit Kleinigkeiten anfängt.

Besonders in so krass herausfordernden Zeiten wie gerade kann man versuchen, damit anzufangen, sich selbst mehr Verständnis entgegenzubringen. Die eigenen Bedürfnisse nicht zu verleugnen. Die eigenen Gefühle nicht zu unterdrücken, sondern auch gerne mal zu sagen: Es ist gerade einfach alles zu viel, ich bin gerade gestresst und ängstlich. Sich da eine Verletzlichkeit, Menschlichkeit zuzugestehen.

Vielleicht auch einfach die eigenen Bedürfnisse nicht nur wertzuschätzen, sondern auch zu kommunizieren. Gegenüber Partner:innen, vielleicht auch Kindern. Sich da eben nicht zu zwingen, eine Fassade aufrechtzuerhalten und so zu tun als wäre man stark und würde alles easy wegstecken, sondern auch einfach mal zu sagen: Mir ist es gerade auch zu viel und ich brauche gerade mal zehn Minuten für mich.

Weinen ist eine total gute Sache, weil man dadurch Stress abbaut und sich durch Gefühle hindurchmanövrieren kann.

Man kann auch schauen: Was habe ich denn für Möglichkeiten der Vernetzung gerade? Auch in der Gemeinde. Gibt es ein schwarzes Brett wo man aufschreiben kann, wie man sich gerade gegenseitig unterstützen kann. Kann man sich im Zweifelsfall Unterstützung von außen holen, z.B. durch Krisentelefone. Auch das ist Selbstfürsorge. Wie kann ich auch in einer Dreifachbelastung mich selbst unterstützen? Da wirklich die eigenen Bedürfnisse mal an die erste Stelle packen, denn wenn die auf Dauer nicht erfüllt sind, kommt das niemandem zu Gute.

Und noch ein Pro-Tipp zum Schluss: Wenn man das nicht gleich schafft, sich selbst mehr Verständnis und Freundlichkeit entgegen zu bringen, einfach mal vorstellen, dass es nicht um mich geht, sondern um eine Person, die ich liebe. Um mein Kind, meine gute Freundin. Würde ich die auch fertig machen und alles von ihr fordern? Oder würde ich sagen: Oh man, das ist gerade echt eine harte Zeit, gönn Dir mal eine Pause!

Svenja Gräfen...

... geboren 1990, lebt in Leipzig und ist Autorin für Prosa, Essays und Drehbücher. Sie veröffentlichte bisher zwei Romane, „Das Rauschen in unseren Köpfen“ (2017) und „Freiraum“ (2019), sowie Texte in diversen Anthologien und Literaturzeitschriften. Für ihr Schreiben hat sie bereits zahlreiche Stipendien erhalten. Sie leitet außerdem Schreibkurse und arbeitet als freiberufliche Redakteurin, Lektorin und Kreativberaterin. Ihr neues Buch „Radikale Selbstfürsorge – jetzt!“ ist bei Eden Books erschienen. Mehr zur Autorin: https://svenjagraefen.de/ ; Die Illustrationen stammen von der Leipziger Illustratorin Lea Hillerzeder, mehr Infos: https://www.slingashop.de/  

Ann-Kathrin Canjé…

… ist schreib-,musik- und leseaffin. Ihr liegen die kleinen, unauffälligen Geschichten des Alltags am Herzen, die sie meist in Kurzgeschichten festhält. Wenn sie nicht kreativ schreibt, ist sie als Volontärin beim MDR tätig.

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Unterwegs mit Marie-Luise Schmidt

Drei Lausitzer Akteurinnen im Kulturbereich geben Einblicke in ihren Alltag                                                                                                                              

 

Von Katrin Kamrau

 

Marie-Luise Schmidt hat in ihre Küche eingeladen. Bei einem leckeren Kaffee, umgeben von Gläsern mit selbstgemachtem Trockenobst, erzählt Marie von ihrer Arbeit.

Nach Stationen in Berlin, Frankfurt/Main und Karlsruhe hat es sie vor gut 10 Jahren nach Lübben zurück gezogen. Die A13 zwischen Berlin und Lübben nennt Marie ihre Ameisenstraße. Lübben ist ihr Kraftort.
Marie ist in vielen Gewerken zu Hause, die sich allesamt um Gestaltung und Kommunikation - um Grafik und Fotografie - ranken; hat in der Werbung, in der Filmbranche und als Werbe-, Familien- und Hochzeitsfotografin gearbeitet.

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Foto: ©Käthe Marie Krzok

Auch in ihrem beruflichen Alltag im Spreewald hat sich Marie breit aufgestellt; liebt die Abwechslung. Die selbständige Fotografin bietet Betreuung in Bild, Text und Social Media für feste Firmenkunden, Freiberufler und Privatpersonen. Marie zeigt gern Menschen, die ganz bei sich sind; möchte diese mit ihren Fotografien stärken.

Für Paare bietet sie beispielsweise intime Sessions, bei denen Bilder während eines Spaziergangs entstehen. Familien begleitet die ausgebildete Fotografin tageweise; hält den familiären Alltag fest. Eine vielschichtige Familienreportage entsteht. Diese familiäre Nähe abzubilden, das Hinter-sich-Lassen repräsentativer Gruppenbilder und anonymer Studioatmosphäre, ist Marie und ihren Kolleginnen wichtig: Nah dran sein an den Menschen, an den Familien, und visuelle Erinnerungen schaffen, die zeigen, wie es wirklich war.

Auch ihre eigene innere Arbeit ist Marie wichtig. Aktiv arbeitet sie an einer lebenswerten, schätzenden und achtsamen Lebens- und Arbeitsumgebung für sich, ihre Familie und ihre Kund*innen. Das In-Verbindung-Sein mit der sie umgebenden Natur schenkt ihr Kraft und Inspiration zugleich. Intuitives und strukturiertes Arbeiten wechseln sich ab; sind für sie Stand- und Spielbein.

Austausch und Impulse für ihre Arbeit findet die Fotografin bundesweit in langjährigen, informellen Netzwerken mit Kolleginnen mit ähnlicher Familiensituation und beruflichen Interessen. In diesen geschützten Räumen entstehen neue Ideen; wird gemeinsam Neues ausprobiert. So lerne ich auch Nina aus der Nähe von Hamburg kennen.

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Marie-Luise Schmidt während einer Wildfang-Fotosession ©Katrin Kamrau

Sie wohnt für einige Tage bei Marie, hält mit ihrer Kamera den Alltag von Marie und ihrer Tochter fest und steht selbst für Wildfang vor der Kamera. Wildfang ist eine von Marie entwickelte jahreszeitenbezogene Portrait-Session, die ihre Interessen und Fertigkeiten zusammenbringt.

Zu dritt brechen wir mit viel Gepäck Richtung Wald auf. Kamera und Utensilien baumeln am Fahrrad. Marie hat auch ihre Trommel dabei. Erst schiebt Marie, später ich; immer den Damm entlang. Während unseres halbstündigen Spaziergangs bleiben Marie und Nina hier und da stehen; tauschen sich zur Umgebung, zur Familie und zu Pflanzen am Wegesrand aus.

Tief versunken ins Gespräch erreichen wir ein Waldstück. Gehen tief hinein. Marie weist uns den Weg zu einer Lichtung: weich, moosbewachsen, umgeben von Schilf und jungen Birken. Hell bricht die Sonne durch das Astwerk. Hier machen wir halt. Marie reicht uns Tee und baut einen Ruheplatz mit Kissen und einer Decke auf. Wir nehmen uns viel Zeit, um an diesem Ort anzukommen. Ich ziehe mich etwas zurück. Marie bittet Nina, mit ihr auf der Decke Platz zu nehmen. Das Fotoshooting beginnt mit Tee, Düften, Klang und gemeinsamen Atemübungen.

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Marie-Luise Schmidt während einer Wildfang-Fotosession ©Katrin Kamrau

Ich sehe, wie sich die beiden Frauen öffnen; einander vertrauen. Erste Fotos entstehen, langsam, tastend. Nina lehnt sich an einen Baum, schaut durch den tiefhängenden Ast einer Buche. Später liegt sie auf einem Stamm. Probiert wechselnde Outfits aus. Auch ein plötzlicher Regenschauer scheint die zwei nicht weiter zu stören.

Ich mache noch einige Fotos von den Beiden. Nach einer Weile ziehe ich mich vorsichtig zurück.

 

Weitere infos unter:

 

Katrin Kamrau...

… ist bildende Künstlerin und Kunstvermittlerin. Die gebürtige Lausitzerin hat Fotografie & Medien an der Fachhochschule Bielefeld und Kunst mit Schwerpunkt Fotografie (M.A.) an der Kunstakademie in Gent studiert. Als Freiberuflerin macht sie sich für kulturelle Teilhabe auf Augenhöhe stark. Sie arbeitet für (sozio-)kulturelle Initiativen und Institutionen der zeitgenössischen bildenden Kunst - am liebsten mehrsprachig und hands-on - zu drängenden gesellschaftlichen Fragen und (bild-)kulturellen Themen. Mehr: www.katrinkamrau.de

 

 

 

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Wir wurden gefragt, was bei F wie Kraft momentan so los ist…

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Und das ist so einiges. Im September bekamen wir eine Anfrage von MDR Wissen, ob wir nicht gern Teil ihres Beitrags zur ARD-Themenwoche „Stadt.Land.Wandel“ wären. Sie würden uns gern bei einem unserer Stammtische begleiten. Selbstverständlich hatten wir Lust darauf. Und so trafen wir uns am 6. Oktober in den Räumlichkeiten des KOLABORacja in Görlitz. Es war das erste Mal, dass wir (Franzi, Julia, Marenka, Leonie und Marie) uns „in echt“ trafen – falls ihr euch erinnert: der Lausitzerinnen-Stammtisch wurde geboren, als Corona bereits fester Bestandteil unseres Alltags war, und somit hatte er bis dato ausschließlich digital stattgefunden. Digital waren außerdem Tonie, Andrea, Gabriele, Lisa, Sophie, Katrin und Sandra zugeschalten. Nachdem wir alle verkabelt wurden und die Kameras auf uns gerichtet waren, ging es bei Kuchen, Snacks und Teechen los mit dem Treffen. Anfangs stellte uns Moderatorin Daniela ein paar Fragen über das Netzwerk und seine Arbeit sowie allgemein über das Thema Frauen im ländlichen Raum. Danach begannen wir „unter uns“ (natürlich nicht, denn wir wussten, dass das irgendwann die ganze Welt sehen wird) mit den Überlegungen zu unserem ersten richtigen Lausitzerinnen-Stammtisch in Präsenz. Neben unzähligen Ideen inhaltlicher und organisatorischer Natur einigten wir uns auf ein Datum, den 30. Oktober, und einen Ort, das TELUX in Weißwasser. Ziel erfüllt. Und das MDR Team war mit dem Dreh ebenfalls zufrieden. Die Vorfreude auf das Ergebnis war entfacht.

Da ja gar nicht so viel Zeit war, den Präsenzstammtisch in Weißwasser zu planen, legten wir uns mächtig ins Zeug, organisierten die Räumlichkeiten, die Workshopleiter*innen, die Einladungen, die Bewerbung, die Anmeldungen und alles, was so ein Treffen im Real Life so braucht… war ja niemand von uns mehr so richtig gewöhnt.

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Samstag, der 30. Oktober 2021 – ein wunderbar sonniger Herbsttag. Nach einem lockeren Ankommen, Austauschen und Sonne genießen setzten wir uns bei Kaffee und Kuchen für eine Vorstellungsrunde zusammen. Viele kannten sich bereits, andere noch nicht, es kamen gänzlich neue Gesichter dazu, und das aus den unterschiedlichsten Alters- und Interessensgruppen. WIr besprachen, welche Projekte und aktuell beschäftigen, wo wir Mitstreiterinnen, Rat oder Unterstützung suchen. Danach ging es los mit den Workshops: Julia besprach mit den Teilnehmerinnen des Workshops „Uns fragt doch eh keiner!? – Mitmachen, mitgestalten, mitbestimmen aus Eurer Sicht." die Perspektiven der jungen engagierten Lausitzerinnen, Sophie lieferte einen speziell für uns designten Pantarei-Embodiment-Workshop, Franzi bastelte wunderschöne Herbstkränze und weitere feine Sachen und OB Torsten Poetzsch führte uns durch Weißwasser.  Mit so vielen neuen und wunderbaren Eindrücken versammelten wir uns zur Auswertungsrunde - selbstverständlich bei Pizza, Limo und köstlichen selbstgebackenen Kuchen und Kürbisgerichten. Unser Fazit: Es gibt noch viel zu tun, hier in der Lausitz. Aber gemeinsam können wir das angehen. Und Alle waren sich einig: Wir wollen uns wiedersehen!

Anfang November raunte es aus mehreren Richtungen, dass unser MDR-Beitrag nun fertig wäre. Die Veröffentlichung sollte im Rahmen einer Preview inklusive Podiumsdiskussion mit Staatsministerin Petra Köpping als Stargast in Görlitz stattfinden.

Das Ganze sollte so aussehen:

Vom 7. bis 13. November findet die ARD-Themenwoche „Stadt.Land.Wandel“ statt. In dieser Woche wird MDR WISSEN, die Wissenschaftsredaktion des MDR, fünf Filme in der ARD-Mediathek veröffentlichen (Länge jeweils ca. 15 bis 20 Minuten), die sich in Mitteldeutschland mit dem Thema „Ländlicher Raum“ aus unterschiedlichen Perspektiven und mit verschiedenen Herausforderungen beschäftigen. So wird es unter anderem um Mobilität auf dem Land gehen, um ländliche Versorgung und Dorfläden, um Landwirtschaft und um Energiegewinnung / Stromerzeugung. Auch der Rolle der Frauen im ländlichen Raum wird ein Film gewidmet sein. Ein wesentlicher Drehort dieses Films war die Region Görlitz mit seinen aktiven und engagierten Frauen! Um Ihnen das Ergebnis dieses Drehs zu zeigen, uns bei allen Beteiligten zu bedanken und mit Ihnen und interessierten Bewohnerinnen und Bewohnern ins Gespräch zu kommen, möchten wir Sie zusammen mit dem Netzwerk F wie Kraft zu einem Filmabend mit Podiumsdiskussion einladen. Neben dem genannten Film werden wir auch zwei weitere Filme zeigen, über die wir anschließend auf einem prominent besetzten Podium (und mit Ihnen) diskutieren wollen.

Screenshot MDR alle längs

Dies wurde leider coronabedingt abgesagt, soll aber nachgeholt werden. Hoffentlich klappt es bald! Den Film gibt es aber natürlich trotzdem schon zu sehen. Schaut mal rein!

https://www.ardmediathek.de/video/zukunftsland/mehr-frauen-braucht-das-dorf/mdr/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy8zMmJhZjliYy0xNDhkLTRlNDgtYjFjNy1jMzZkNWY0MGVkODk/

Und als wenn dieser Film nicht schon cool genug wäre, wurde Franzi dazu auch nochmal interviewt. Hier könnt ihr den Radiobeitrag hören:

Kuhkaff oder Landidylle: Wie geht es Dörfern und Kleinstädten in Sachsen?

Aussterbende Dörfer und Kleinstädte oder blühende Landlust? Wie steht es um das Leben abseits der Großstädte in Sachsen? Wie ergeht es den Menschen, was sagen BürgermeisterInnen? "Dienstags direkt" fragt nach.

https://www.mdr.de/sachsenradio/podcast/dienstags/audio-1880858.html

MDR Bild Gleise

Uns erreichen auch weiterhin viele Anfragen von verschiedenen Medien. Das ist toll, denn es ist uns gelungen, als Ansprechpartner*innen für super relevante Themen wahrgenommen zu werden. Doch: F wie Kraft ist ein Netzwerk und somit nicht nur die Stimme der Redaktion. Falls euch so eine Anfrage erreicht, dürft ihr euch gern angesprochen fühlen und über eure Erfahrungen und Perspektiven sprechen. Es ist nicht notwendig, ein Einverständnis der Redaktion einzuholen, aber wir freuen uns natürlich, wenn ihr uns kurz informiert und auf die Veröffentlichung hinweist, so dass wir es die Welt davon in Kenntnis setzen können.

Zuguterletzt haben wir noch viele weitere tolle Sachen geplant:

  • Im Rahmen des neuen Projektes „Hoffnung und W/Mut: demokratische Teilhabe junger Menschen – mit Blick auf junge Frauen - in Ostsachsen“ soll eine Audio-Reihe bzw. ein Podcast entstehen. Was die konkreten Themen sind? Sagt ihr es uns!
  • Die Netzwerkkarte „Frauen.Leben.Hier“, welche Studierende der Sozialen Arbeit an der HSZG erstellt haben, geht bald online. Wenn ihr dabei sein wollt, tragt euch hier ein: https://forms.gle/xpZNErDCYKRA3xkg6. Genauere Infos zu dem Projekt findet ihr unter https://fwiekraft.de/index.php/blogs/frauen-leben-hier-1
  • Wir planen bereits die nächsten Stammtische, zum Beispiel einen Rückkehrerinnen-Stammtisch zwischen Weihnachten und Neujahr, einen Stammtisch im Rahmen der Brandenburgischen Frauenwochen am 7. Mai 2022 in Altdöbern, und, weil wir halt schon auch eine gesunde Portion Größenwahn mitbringen, ein F wie Kraft – Festival im September 2022

Für all das brauchen und wollen wir Euch – in welcher Form auch immer, wir freuen uns über jeden Beitrag. Wenn ihr dabei sein möchtet, schreibt uns an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

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„Ich bringe gerne Regionen voran“

Kathrin Uhlemann kommt zwar nicht aus Niesky, aber sie ist sich sicher, dass sie die Stadt positiv verändern kann. Darum tritt sie dort für die Bürgermeisterwahl Ende des Jahres an.

Dresden, Tadschikistan, Kirgisistan, Görlitz und nun bald vielleicht Niesky – der Lebensweg von Kathrin Uhlemann ist eher ungewöhnlich. Nach vielen Stationen in Asien hat es sie schon vor einiger Zeit wieder zurück in nach Ostdeutschland gezogen. Sie ist in der Lausitz, in Görlitz gelandet und hat bisher auch hauptberuflich Strukturwandelprozesse begleitet. „Ich habe viel Erfahrung mit Transformationsprozessen“, sagt die 44-jährige. Rund 15 Jahre lang war sie für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Meist hat sie dort im post-sowjetischen Zentralasien daran gearbeitet, Strukturen wieder aufzubauen, beispielsweise in Kirgisistan oder Tadschikistan. „Ich bringe gerne Regionen voran“, erinnert sie sich.

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Bisher hat sie das vor allem aus der diplomatischen Perspektive einer Projektverantwortlichen bei einem Bundesunternehmen gemacht, sie hat Dialoge organisiert, Projekte geplant. Das alles habe ihr eine Menge an Handwerkszeug und Methoden, sowie ein umfassendes Verständnis von Transformation und Wandel gegeben, sagt sie.

Gestalten und nicht nur verwalten

Um noch stärkere Impulse zu setzen, möchte sie nun selbst politisch aktiv werden. „Ich will nicht nur eine Verwalterin, sondern eine Gestalterin sein“, sagt sie. „Bisher ist Niesky hinter seinen Möglichkeiten zurück geblieben“. Kathrin Uhlemann tritt zwar für die CDU an, ist aber selbst parteilos. Ihre Verbindung mit der CDU beschreibt sie als eine Art strategische Zweckgemeinschaft. Die CDU habe für die Stadt nach einer geeigneten Kandidatin gesucht und sie nach einer neuen beruflichen Herausforderung. „Ich teile aber das Werteverständnis der CDU“, sagt sie.

Kathrin Uhlemann ist in Dresden aufgewachsen. Zur Zeit der Wende war sie 13 Jahre alt, die Umbrüche der darauffolgenden Jahre haben sie geprägt. Sie erinnert sich besonders an die Freiheit, die mit dem „neuen Zeitalter“ kam. Beispielweise für Auslandsaufenthalte. Sie erinnert sich aber auch daran, wie ihr Vater als Patentanwalt in den folgenden Jahren versuchte, ostdeutsches Traditionshandwerk zu schützen und wie schwierig das manchmal war. Zum Studium in Biochemie zog sie nach Halle an der Saale, von da aus dann in die weite Welt. Damit ihre Kinder in Deutschland zur Schule gehen können, kam sie irgendwann wieder zurück. Aktuell arbeitet sie für die Sächsische Agentur für Strukturwandel.

Zusammenarbeiten auf einem persönlichen Level

Und warum will Uhlemann nun gerade Bürgermeisterin von Niesky werden? Die Stadt habe die perfekte Größe, sagt sie. Niesky gehört mit rund 10.000 Einwohner*innen zu den kleinsten Städten in Sachsen. Die Stadt liegt im Landkreis Görlitz, nur wenige Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Sie hat die typischen Probleme, die viele sächsische Kleinstädte prägen: Eine abnehmende Zahl an Einwohner*innen, ein Problem mit Rechtsextremismus. Nirgendwo in Deutschland hat die Alternative für Deutschland (AfD) bei den Bundestagswahlen im September so viele Stimmen bekommen wie im Landkreis Görlitz. Hinzu kommt die Abhängigkeit von der Kohle und die Frage, wohin es nach dem Kohleausstieg mit der Region geht. Uhlemann sieht das alles, als erstes aber sieht sie die perfekte Größe der Stadt: Sie sei klein genug, dass man auf einem guten persönlichen Level zusammenarbeiten könne.  „Ich bin zwar nicht von hier, ich kenne nicht jede Ecke“, sagt sie. „Aber ich habe die Möglichkeit, die Stadt aus einem anderen Blickwinkel heraus voranzubringen: als Neu-Lausitzerin“.

Tine Jurtz Fotografie 2021 10 1160s

Außerdem betont sie immer wieder, wie traditionsreich das Städtchen eigentlich sei. Niesky ist eine Herrnhuter Brüdergemeine, dass das immer wieder vergessen wird, findet Uhlemann traurig. Der Herrnhuter Weihnachtsstern, der in ganz Deutschland auf Weihnachtsmärkten und in Wohnzimmern den Advent verschönert, sei eigentlich sogar in Niesky erfunden worden – nur wisse das nun leider kaum noch jemand. Uhlemann würde das gerne ändern – beispielweise indem der Stern in einem Staffellauf symbolisch von Niesky ins südsächsische Städtchen Herrnhut getragen wird.

Traditionsreiche Vereinslandschaft

Bei der Frage nach dem, was sich zu erhalten lohnt, nennt Uhlemann auch die ausgeprägte Vereinsarbeit in Niesky. Natürlich schrumpft die Stadt, wie die meisten in der Region, durch Wegzug und demografischen Wandel. Gleichzeitig fahre der örtliche Fußballverein Eintracht zweimal in der Woche mit einem Bus nach Dresden, um junge Menschen von dort zum Vereinstraining nach Niesky zu bringen. „Davon bin ich schwer beeindruckt“, sagt die Bürgermeisterkandidatin.

Auch sonst gebe es viele Traditionen, die in Niesky noch nicht genug gewürdigt werde und deren Potenzial übersehen wird, meint Uhlemann. Da ist beispielweise die lokale Holzwirtschaft. Das könne eine Branche der Zukunft sein und nach dem Kohleausstieg Arbeitsplätze schaffen. Das seien aber nur kleine Beispiele, der Wandel in der Region werde noch umfassender werden. „Ich möchte, dass Niesky an seinen Werten und seiner Tradition festhält, aber gleichzeitig auch neue Wege geht“, sagt sie.

Rechtsextremismus in Niesky

Weg von der Tradition, zurück zur grauen, oder wohl eher blau-braunen politischen Realität in Niesky. Ein Viertel der Sitze im Stadtrat wird von AfD-Politikern besetzt, die Grünen haben keinen einzigen. „Aus meiner Sicht spricht auch nichts dagegen, konstruktiv mit dem Kandidaten der AfD in einem Wahlforum über Sachthemen zu sprechen“, sagt Uhlemann. Sie wolle inhaltlich und professionell überzeugen, anstatt von vorneherein zu verurteilen. Dazu kann man sagen, dass die Brandmauer nach rechts wohl mehr als nur ein bisschen wackelt. Man kann aber auch denken, dass ohne eine gehörige Portion Pragmatismus ganz im Osten der Republik nichts mehr zu machen ist. Und Kathrin Uhlemann ist praktisch veranlagt. Über Vieles könne sie noch nicht urteilen – dafür sei sie noch zu neu in Niesky. „Ich rede erstmal mit allen Bürgern der Stadt“, sagt sie. Auch nicht vorschnell urteilen möchte sie zum Beispiel über das neue Clubhaus der „Schlesischen Jungs“ im Bahnhof von Niesky. Diese sind eine rechtsextreme Gruppierung, die auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird. „Durch den Umzug mit meiner Familie nach Niesky bringe ich auch Weltoffenheit mit“, sagt sie. Dass das allein im Kampf gegen Neonazis wohl nicht reichen wird, gibt sie allerdings auch zu.

150 Prozent im Beruf

Zwar war Kathrin Uhlemann bisher keine Berufspolitikerin, aber dass sie lange in einem Umfeld von Diplomatie gearbeitet hat, merkt man ihr an. Sie spricht überlegt, fokussiert und durchdacht. Gleichzeitig ist es aber – wie oft bei Politiker*innen – schwierig, wirklich nah an sie heran zu kommen und hinter die Fassade zu schauen. Auf die Frage, was ihr in ihrer Freizeit Kraft gibt, sagt sie: „Ich definiere mich sehr über meine Arbeit.“ Ihr sei es wichtig, im Beruf immer 150 Prozent zu geben.

Tine Jurtz Fotografie 2021 10 1223s

Viel Privates möchte sie also nicht preisgeben. Ein bisschen etwas erzählt sie dann doch. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder. Eine Tochter hat eine Behinderung, dies sei oft schon sehr einnehmend. Zur Entspannung in der Freizeit sei sie gerne draußen, etwa zum Skifahren oder wandern.

Damit sie auch in Zukunft stolz auf ihre Arbeit sein kann, gibt Kathrin Uhlemann nun im Wahlkampf alles. Sie hat Flyer und Plakate drucken lassen, führt unzählige Gespräche. Sie will auch jetzt schon etwas verändern – und arbeitet in Projektwerkstätten mit Bürger*innen an Ideen für die Stadt. „Selbst wenn ich nicht Bürgermeisterin werde, bleibt davon dann etwas“, sagt sie.

 

Lisa Kuner...

...ist freie Journalistin, sie schreibt für die FAZ über Bildung, für Perspective Daily über den Osten und würde am liebsten aus Brasilien von sozialer Ungleichheit erzählen. Außerdem studiert sie Nachhaltige Entwicklung in Leipzig. Einen Überblick über ihre bisherigen Veröffentlichungen gibt es hier: https://www.torial.com/lisa.kuner

Fotos...

... von Tine Jurtz: https://www.tinejurtz.de/

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Die Lausitz - ein Underdog wie ich

Einmal Prinzessin sein, mit einem langen Kleid durch ein Meer von Blüten laufen und in einem märchenhaften Schloss wohnen. Ein typisches Bild in einer Welt voller Stereotype?

Tonie Jahnke ist 21 Jahre alt und engagiert sich als „Kromlauer Blütenkönigin“, der Repräsentantin des Kromlauer Parks. Auf ihrem Instagram-Account folgen ihr fast 9000 Personen. Die meisten ihrer Follower:innen sind zwischen 25 und 34 Jahren, 74% sind Frauen. Die Hauptthemen: ihr Lieblingsort – die Rakotzbrücke, Lifestyle und ihr facettenreiches Engagement.

Die Aufgaben als Blütenkönigin nimmt sie sehr ernst. Sie ist Repräsentantin des Parks, wirbt für die Blütenpracht der über 100 Jahre alten Rhododendren und das Parkfest zu Pfingsten. Auch hinter den Kulissen ist sie aktiv, kümmert sich um die Pflege und Instandhaltung des Parks. In ihrem Amt möchte sie Besucher:innen verschiedener Altersklassen für ihre Heimat begeistern. Sie weiß alles über die Parkgeschichte, die Entstehung, die Restaurierungen. Drei Stunden hat sie mich herumgeführt. Sie kennt alle Geheimnisse!

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So ganz nebenbei erzählt sie, dass sie 2019 zur Lady Karneval der Lausitz gekürt wurde. In Bad Muskau tanzt sie in der Funkengarde. Ich selbst durfte Sie bei verschiedensten Projekten  im Soziokulturellen Zentrum Telux in Weißwasser kennenlernen. Hier übernimmt sie die Moderation der „Gamingstube“ und hilft bei der Organisation und Durchführung des Kleidertauschcafés „Weitertragen“. Und als wäre das alles noch nicht genug, ist sie Trainerin der Foxettes – den Cheerleadern der Lausitzer Füchse. Mit 21 Jahren weiß sie genau, was sie will und wie sie diese Ziele erreichen kann. Ihre Aufgabe liegt nicht nur darin, sich im Glanze schöner Kleider fotografieren zu lassen. Sie will nicht nur des kleinen Mädchens Traum sein. Sie will mehr!

„Ich will mehr als schick aussehen und irgendwo herumstolzieren. Ich will arbeiten und Dinge richtig machen und dass wir junge Menschen in die Lausitz bringen.“

Unsere Region hat große Probleme, junge Leute in der Heimat zu halten. Meine eigene Jugend war geprägt von der Frage, was ich aus meinem Leben machen soll, wenn ich in der Lausitz bleibe. Studien bestätigen, dass viele Jugendliche sorgenvoll auf ihre Zukunft in der Lausitz schauen[1].

Auch Tonie kennt diese Probleme. Für ihre früheren beruflichen Ziele hätte sie die Region verlassen müssen. Um Sport oder Schauspiel zu studieren, müsste sie mindestens nach Berlin oder Leipzig ziehen – alles zu weit weg! Jetzt studiert sie Kulturmanagement in Görlitz.

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Als Blütenkönigin geht sie von Mai bis Dezember auf Tour, um bei verschiedenen Events ihr Kromlau und weitere Schätze der Lausitz zu vertreten. Die Tour wurde im letzten Jahr aufgrund der Pandemie abgesagt. In dieser Pandemie ist sie jedoch besonders dankbar für ihr Leben in der Lausitz.

„Wenn du Bock hast - gehst du wandern oder an den See, gehst in den Sportverein, engagierst dich, setzt deine Ideen um!

Wenn Tonie von ihren Aufgaben und Zielen spricht, ist alles voller Enthusiasmus. Selten sehe ich so starke junge Frauen, die voller Überzeugung von ihrer Lausitz sprechen! Doch auch sie muss kämpfen, gegen Vorurteile, Hasskommentare im Netz und männliche Autoritäten.

„Frauen werden leider immer noch unterdrückt, auch hier – ich werde manchmal nicht ernst genommen, einfach weil ich 21 Jahre alt und blond bin, weil ich Kleider trage und mich schminke!“

Über die Enttäuschungen darüber, dass sich Menschen ihr gegenüber negativ äußern, spricht sie offen. Vorverurteilung und Stereotypisierung nerven sie zutiefst. Sie legt ihren Hatern ans Herz, lieber erstmal nachzufragen, anstatt ohne Vorwissen zu urteilen. Tonie will aber positiv bleiben. Sie lässt Stereotype und Zuschreibungen nicht unkommentiert, wehrt sich. Sie will aus solchen Situationen lernen und sich nicht unterkriegen lassen. Sie weiß was sie kann.

Die Choreografien der Cheerleader denkt sie sich allein aus, ihre Königinnenkleider und die Uniformen für die Foxettes designt und schneidert sie selbst. Sie schneidet ihre Musik und ihre Videos, bearbeitet ihre Fotos allein. Sie hat sich alles selbst beigebracht.

„Ich hab’s einfach gemacht und geguckt was bei rauskommt. Ich finde immer einen Weg, dass es funktioniert!“

Geld verdient sie mit keinem einzigen ihrer Jobs. Sie dominiert sich in den Männerwelten des Eishockeysports, der Tourismusbranche, der Lausitz. Sie wünscht sich mehr Anerkennung für das, was Mädchen und Frauen in der Zivilgesellschaft leisten. Sie wünscht sich, dass diese Arbeit nicht als selbstverständlich abgetan wird.

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Trotzdem liebt Tonie ihre Heimat– sie braucht diese ganzen Aufgaben. Sie will als Beispiel dienen, dass ein gutes Leben für junge Frauen auch hier möglich ist, wenn wir uns gegenseitig unterstützen und verbünden. Sie will sich einbringen und junge Mädchen mitziehen.

Ich frage sie, ob sie das nicht müde macht, diese ganze Arbeit, kein Geld, was bleibt für sie da übrig? Was hält sie in der Lausitz?

„Ich will keinen Urlaub brauchen von meinem Leben! Alles was ich mache ist mein positiver Stress – ich lieb es zu hustlen. Ich kann hier meine Vorstellungen umsetzen, ich weiß, wen ich anrufen muss, wenn ich was brauche, ich kann mich entfalten. Es ist eine bessere Lebensqualität als in den ganzen Großstädten. Klar ich mag das, auch mal nach Dresden zu fahren, aber diese Freiheit hast du da nicht. Ja, du musst Abstriche machen – aber das Leben an sich ist hier einfach lebenswerter für mich. Ich will was erreichen und was bewegen – das geht nicht, wenn ich zu Hause auf der Couch sitze und fernsehe.“

Im letzten Jahr war ich oft mit Tonie zusammen, wir helfen uns, tauschen uns aus - schmieden Ideen. Dieser Artikel ist bei mir zu Hause entstanden, in Weißwasser, bei Tee und Eis, mit Gitarre und Ukulele. Ich wünschte mir manchmal ein bisschen von Tonie‘s Leichtigkeit. Sie macht einfach; sie legt einfach los!

Zum Abschluss frage ich sie, was sie mit der Lausitz gemeinsam hat. Bei Ihrer Antwort bin ich gerührt. Dieser Satz wird mich über Tage hinweg beschäftigen!

Die Lausitz ist wie ich – ein Underdog. Wir werden so oft unterschätzt, dabei entfalten wir erst unsere wahre Größe, wenn Mensch sich traut, uns kennen zu lernen!

Tonie Online

Franziska Stölzel...

... ist Wissenschaftlerin für Wandel- und Transformationsprozesse. Obwohl es sie nach ihrem Studium zunächst nach Südamerika gezogen hat, war für sie immer klar, dass sie zurück in die Lausitz möchte. Aktuell lebt sie in Weißwasser und ist für das Projekt REBOOST der Universität Graz beschäftigt. Außerdem ist sie in verschiedenen Projekten aktiv, wie bspw. dem Soziokulturellen Zentrum Telux, als auch als Mitautorin des Lausitzmonitors sowie F wie Kraft - Stammtischlerin der ersten Stunde. 

Fotos: https://patlografie.de/

 

 [1] Eine Studie des IASS beschreibt die Situation der Jugendlichen und Auszubildenden bei der LEAG als “Sorgenvoll (…) im Hinblick auf die Themen Arbeit, Familie und Armut. Ihnen macht nicht per se der Verlust ihres Arbeitsplatzes Angst, sondern für eine neue Arbeitsstelle aus der Region wegziehen zu müssen, Familie und Freunde weniger oft sehen zu können und zu schlechteren (finanziellen) Konditionen arbeiten zu müssen.“

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Gemeinschaft, Diversität, neue Möglichkeiten

Ein Interview mit Franziska Stölzel

Heute stellen wir euch Franziska Stölzel vor. Franzi ist Wissenschaftlerin für Wandel- und Transformationsprozesse. Obwohl es sie nach ihrem Studium zunächst nach Südamerika gezogen hat, war für sie immer klar, dass sie zurück in die Lausitz möchte. Aktuell lebt sie in Weißwasser und ist für das Projekt REBOOST der Universität Graz beschäftigt. Außerdem ist sie in verschiedenen Projekten aktiv, wie bspw. dem Soziokulturellen Zentrum Telux, als auch als Mitautorin des Lausitzmonitors. Nicht zu vergessen war sie maßgeblich daran beteiligt den Lausitzerinnen Frauenstammtisch zu initiieren – und ich würde gerne wissen: Franzi, wieso ist der Strukturwandel eigentlich so interessant für dich?


Herzlichen Dank für diese liebe Vorstellung. Strukturwandel – in aller Köpfe ist dieses Wort. Allgemein sagt die Definition, Strukturwandel ist eine Veränderung einer Region oder eines Gebiets, in den Bereichen Wirtschaft, Infrastruktur, aber auch soziale oder kulturelle Bereiche spielen dabei eine Rolle. Laut Befragungen sind die Menschen in der Lausitz einen Wandel gewohnt. Mich interessiert daher, wie man diesen Wandel positiv und nachhaltig gestalten kann, um zum Beispiel ein Modell zu entwickeln, dass man auf andere Regionen in der ganzen Welt übertragen kann. Kohleausstieg ist ja immerhin ein globaler Prozess.

 
Und was sind eigentlich Faktoren für einen gelingenden Strukturwandel?


Unser Lausitzer Strukturwandel ist geplant und bekommt auch durch den Kohleausstieg einen gewissen Ablaufplan. Allgemein gilt, dass alle Informationen für alle Bürger:innen zur Verfügung
stehen müssen. Das bedeutet auch, dass sie in leichter Sprache zur Verfügung stehen müssen. Desweiteren ist die Transparenz aller Entscheidungsgremien total wichtig und darüber hinaus müssen alle Bürger:innen die Möglichkeit bekommen, sich an diesem Wandel beteiligen zu können. Für die Lausitz wurde von Akteur:innen und Stakeholdern der Region die  Entwicklungsstrategie 2050 entwickelt. In ihr geht es vor allem darum, wie man Wirtschaft fördern kann, Wertschöpfungsketten generieren kann, wie man kulturelle Angebote weiterentwickeln kann, aber auch um vieles mehr! Da lohnt es sich auf jeden Fall einen Blick reinzuwerfen.


Franzi, ein Strukturwandel ohne Frauen – was soll das für ein Strukturwandel sein?

Sorry, not sorry, aber ohne Frauen geht gar nichts, vor allem kein Wandel. Die vom Kohleausstieg betroffenen Berufe sind eher technisch und daher eher männerdominierte Berufe. Das zeigt sich auch in den Entscheidungsgremien und in der Politik – die ist nämlich eher homogen, männlich und älter aufgestellt. Die Lausitz allerdings braucht unbedingt junge Menschen, junge Frauen, junge qualifizierte Frauen, denn die, wir, sind die Zukunft der Region und müssen uns mit unseren Ideen und Projekten einbringen. Ich wünsche mir daher mehr Diversität in  Entscheidungsgremien und der Politik. Nicht nur Männer, sondern auch Frauen, Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung, FLINTA Personen oder Menschen, die von der Mehrheitsgesellschaft abweichen, bspw. eine Behinderung haben. Das schafft nicht nur mehr Diversität, sondern auch Mut für andere Personen, sich einzubringen und ihre Ideen auszuplaudern und gemeinschaftlich neue Möglichkeiten zu entwickeln.


Und wie unterstützen dich Netzwerke wie bspw. F wie Kraft in deiner Arbeit?


Für mich ist es wichtig, diesen Wandel für alle gestaltungfähig aufzustellen. Du bist Wandel, ich bin Wandel, wir alle werden von den Auswirkungen des Wandels betroffen sein – doch wir jungen Leute sind vor allem die Zukunft des Wandels. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass Wandel an sich gar nichts Schlechtes ist und dass wir alle davon profitieren können, es
aber eben auch ziemlich viel Nachholbedarf gibt. Wir brauchen aktive Bürger:innen, die sich entscheiden für diesen Wandel zu kämpfen. Wir brauchen Transparenz und Diversität in den Entscheidungsgremien und da setzt F wie Kraft an. Denn hier muss man auf gemeinschaftlicher Ebene agieren. F wie Kraft bietet mir selbst die Ressource mich mit anderen Frauen zu  vernetzen und auszutauschen. Diese Frauen kennen die Prozesse und Strukturen in der Lausitz, wir pushen uns gegenseitig, aber wir können uns auch mal so richtig auskotzen. Allgemein ist es ebenso, dass wenn man gemeinschaftlich an einer Sache arbeitet auch eher auf Probleme aufmerksam machen kann und doch eher gehört wird. In der großen Gemeinschaft, die wir bilden, können wir uns gegenseitig so gut unterstützen und sind eben gemeinsam stark und das schätze ich so sehr an F wie Kraft.


Dann bedanke ich mich ganz herzlich, liebe Franzi, und noch ein kleiner Aufruf an Dich da draußen – und zwar, falls Du vorgestellt werden möchtest oder Du gerne ein Projekt vorstellen würdest, dann meld dich doch einfach bei uns und vielleicht können wir das nächste Mal schon ein bisschen mehr über dich oder eben dein Projekt erfahren!

Das Interview führte Nicole Maziarka. Nicole lebt in Görlitz. Sie ist Sozialarbeiterin (i.A.), Mädchen*arbeiterin (i.A.) und seit 2020 Projektmitarbeiterin bei F wie Kraft. Mit einem intersektional-queerfeministischen und herrschaftskritischen Zugang setzt sie sich in ihrer Arbeit mit Impulsen für selbstbestimmte, gesellschaftliche, politische Aktivität auseinander und macht sich für soziale Gerechtigkeit und solidarisches Miteinander stark. Seit 2019 engagiert sie sich im Projekt „Studierende beraten Studierende“ der HSZG, desweiteren ist sie im Studierendenrat aktiv, in dem sie das Referat Soziales leitet.

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“Frauen.Leben.Hier” legt die Karten auf den Tisch!

Wir - das sind 14 Studierende der Hochschule Zittau/Görlitz - wollen bis Ende 2021 in Kooperation mit F wie Kraft und den Gleichstellungsbeauftragten der Lausitz eine Karte zu Lebens- und Arbeitswelten von Frauen in der Lausitz erstellen. Dabei gehen wir der Frage nach dem aktuellen Stand der Gleichberechtigung nach und wollen mit Hilfe der Karte Projekte, Initiativen und Lebenswelten, die von und für Frauen im Raum der Lausitz existieren, sichtbar machen. Die besagte Karte dient damit als wichtige und nötige Basis für mehr Empowerment und der gleichzeitigen Vernetzung von Frauen. Das entstehende Produkt zeigt dabei die Zusammenhänge und die Wirksamkeit von Frauen in der Lausitz auf, kann als Argumentationsgrundlage für Anträge und Maßnahmen herangezogen werden und fungiert somit als alltagspraktische Hilfe für Menschen die im Bereich der Gleichstellung und der Geschlechtergerechtigkeit in der Lausitz aktiv werden wollen oder für die, die es bereits sind.

Im Rahmen unseres Studiums der Sozialen Arbeit haben wir so die Möglichkeit theoretische und auch praxisbezogene Einblicke in die Projektarbeit zu erhalten und wollen so die Arbeit in der Geschlechtergerechtigkeit fördern. Dafür treffen wir uns wöchentlich seit März und sind weiterhin fleißig am planen, recherchieren und diskutieren.

Für alle die Teil unseres Projektes werden sowie sich und ihre Institution auf der Netzwerkkarten verewigen lassen wollen, haben wir eine Möglichkeit geschaffen sich direkt bei uns zu melden. Unter dem folgenden Link öffnet sich unser Interessent*Innen-Paper, wo sich direkt ein Platz auf der Netzwerkkarte sichern lässt.
https://forms.gle/xpZNErDCYKRA3xkg6

Bleibt gespannt für weitere Informationen und Updates, die bald folgen werden.
Das gesamte Team vom Projekt Frauen.Leben.Hier

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Was wir wollen: Geschlechtergerechtigkeit für die Lausitz im Wandel!

Das Bündnis der Gleichstellungsbeauftragten der Lausitz trifft sich mit Landesgleichstellungsbeauftragter und Staatsministerin

 

Zum zweiten Bündnistreffen der Lausitzer Gleichstellungsbeauftragten kamen am 07.06.2021 die Beauftragte für die Gleichstellung von Frauen und Männern des Landes Brandenburg Manuela Dörnernburg, die sächsische Staatssekretärin Dr. Gesine Märtens sowie die Gleichstellungsbeauftragten der Städte und Landkreise der Lausitz nach Senftenberg. Ziel des Bündnisses ist es, die grenzüberschreitende Bedeutung der Geschlechterperspektive im Strukturwandel hinauszustellen.

Die Idee zu diesem Bündnis kam von den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten der sächsischen und brandenburgischen Lausitz; Sabine Hiekel (Cottbus), Elke Voigt (Dahme-Spreewald), Ute Miething (Elbe-Elster), Lisa Temesvari-Alamer (Spree-Neiße), Fränzi Straßberger (Stadt Bautzen), Ina Körner (Landkreis Bautzen), Ines Fabisch (Landkreis Görlitz) und Johanna Zabka (Oberspreewald-Lausitz).

In diesem zweiten Treffen der Lausitzer Beauftragten sollen gleichstellungspolitische Positionen zum Strukturwandel der Lausitz abgestimmt und eine Strategie für das gemeinsame Vorgehen entwickelt werden. Als Unterstützerinnen für einen geschlechtergerechten Strukturwandel auf landespolitischer Seite waren Frau Dörnenburg, Landesbeauftragte für die Gleichstellung von Frauen und Männern des Landes Brandenburg, Frau Dr. Märtens, Staatssekretärin und Jana Rothe, Referatsleiterin für Gleichstellung von Frauen und Männern im Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung sowie der Landrat des Landkreises Oberspreewald-Lausitz Siegurd Heinze anwesend.

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2. Bündnistreffen der Lausitzer Gleichstellungsbeauftragten (Foto: Landkreis Oberspreewald-Lausitz)

Im derzeitigen Prozess zeigt sich unmissverständlich die mangelnde Relevanz geschlechterspezifischer Kriterien – beispielsweise beim Umgang mit Arbeitsplätzen, die nur sekundär vom Strukturwandel betroffen, aber mehrheitlich von Frauen besetzt sind.

Ergebnis des Treffens ist ein gemeinsames Positionspapier. Darin formulierten die Gleichstellungsbeauftragten ihre Forderungen:

  • Geschlechtergerechte Verteilung der Strukturwandelmittel
  • paritätische Besetzung aller Gremien
  • ein überregionales Gremium oder Fachbeirat, der die Einhaltung geschlechterge-rechter und partizipatorischer Ansprüche begleitet, integriert und kontrolliert
  • Methodische Vielfalt statt einfältiger Sitzungsmarathons.

Das Bündnis der Gleichstellungsbeauftragten ist ein Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen dem TRAWOS Institut der Hochschule Zittau Görlitz und dem Landkreis Görlitz, umgesetzt durch die Plattform F wie Kraft. Die Plattform wurde auf dem Treffen durch Dr. Julia Gabler, Marie Melzer und Pauline Voigt vertreten.

 

Ihr wollt Euch gemeinsam mit uns für einen geschlechtergerechten Strukturwandel in der Lausitz einsetzen? Schreibt uns an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.!

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Das Land heilen

Das Land heilen - eine Aufgabe für Generationen. Wie Naturverbindung ein Anfang sein kann.

Wenn man von Strukturwandel spricht, einem Begriff aus der Wirtshaft, spricht man meistens von Industrie, Wirtschaft, Plänen, Infrastruktur. Vor meinem inneren Auge tauchen auch sofort Bilder von Tagebaulandschaften, Baggern, Seen, Demonstranten, Arbeitslosenquoten und Bewohnern auf, denn selten meint man zeitgleich den Wandel, der mit den Menschen, die das Land bewohnen, einhergeht – also die Folgen, die sozialen Veränderungen, die Wohnsituation (und natürlich auch die Arbeitssituation).

Jede in die Landschaft eingebrachte Veränderung hat einen merklichen Einfluss auf die Menschen, die in dieser Landschaft wohnen. Diese Binsenweißheit können Alle nachvollziehen, die schon mal schwer schlucken mussten, als der Nachbar unvorhergesehen etwas gebaut oder gepflanzt hat, was eine Störung im täglichen Landschaftsbild mit sich brachte. Später setzt Gewöhnung ein, oder Resignation. Ein Teil der täglichen Landkarte hat sich unwiderruflich verändert. Diese unwiderrufliche Veränderung, eine Strukturanpassung, hat folglich auf die inneren Landkarten der Menschen Einfluss. Auf ihre inneren Orientierungspunkte, Gewohnheiten, Abhängigkeiten und Gestaltungsräume. Das, was äußerlich einmal verändert ist, verändert auch den Menschen nach innen.

Eine Region im Übergang

Dass in einer sich im Übergang befindlichen Region wie der (ehemaligen) Braunkohleregion Lausitz dies ein ständiges Thema ist, wundert kaum. Unser Reden und Agieren darüber und damit zeigt, dass wir in äußerlicher und innerlicher Anpassung sind. Wir haben unsere Landschaft auf Generationen nach uns für immer verändert. Die Lausitz ist nicht mehr die, die sie mal war, und wird für immer eine Neue sein. Dieser Prozess ist unumkehrbar. Er bedarf großer Anpassungsleistungen der Menschen, die hier leben und einer über Jahrzehnte gelebten Verantwortung für das, was wir den aktuellen und allen zukünftigen Generationen hinterlassen wollen und müssen.

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Manchmal schaue ich auf die Wunden dieses Landes, auf die aufgerissene (oder versiegelte) Erde. Aber auch auf die neuen Seen, Schutzgebiete, Gründungen, Ideen, Erholungsmöglichkeiten. Auf die neuen Arten oder die, die für immer verschwunden sind. Manchmal sehe ich in der Lausitz ein Land, welches zutiefst verwundet worden ist. Dies könnte man politisch sehen, wirtschaftlich oder eben auch gesellschaftlich, denn ich persönlich glaube, dass der Wandel Alle in der Region verwandelt. Das kann zu Gunsten der Region, aber auch zu ihren Ungunsten ausfallen.  Denn: Zufriedenheit stellt sich erst mit einem positiven Wandlungsprozess ein. Und Wandel heißt zunächst erst einmal, dass etwas unwiderruflich endet, eh sich etwas Neues einstellt oder etablieren kann. Zufriedenheit braucht Weitsicht. Und Weitsicht braucht Angstfreiheit und Vertrauen, dass es gut ausgeht. Und das ist eine harte Übung für Menschen.

Wandel der Menschen

Deswegen ist für mich Strukturwandel auch innere Arbeit jedes Menschen in einer solchen Region. In meiner Arbeit als Prozessbegleiterin, Beraterin für Menschen in Lebenswandelsituationen, erlebe ich, wie Menschen Anpassungsschwierigkeiten haben, wenn die äußere Struktur sich verändert. Es fällt dann schwer, sich neu zu orientieren, das Gefühl von Beheimatung zu finden, sich neu einzupassen. Das Leben fühlt sich wie eine aufgerissene, verwundete Braunkohlelandschaft an, wenn plötzlich der Tod ins Leben tritt, Trennung oder Verlust der Arbeit oder der Ideale im Leben real werden. Beschäftigt sich ein Mensch nicht mit seinem persönlichen Wandel, kann die Verwundung nicht heilen. Eben auch wie in einer Braunkohlelandschaft für eine landschaftliche und wirtschaftliche Veränderung etwas getan werden muss. Auch individuell fragt sich der Mensch: Was will ich der nächsten Generationen hinterlassen? Wie will ich mich einbringen? Wie kann und will ich ein Teil der gestaltenden Gesellschaft sein?

In meiner Arbeit spielt der Kontakt mit der Natur eine entscheidende Rolle. Je tiefer die Begegnung mit der Natur einen Menschen berührt, umso stärker erlebe ich, wie ein Mensch sich auf seinen und ihren eigenen inneren Wandel einlassen kann. Diese Arbeit in einer Region mit sehr verletzter Erde offenbart ein Spiegelbild unserer Generation, die die Altlasten der Industrialisierung noch lange verwalten muss. Heilen und transformieren muss. Persönlich nach innen und strukturell nach außen.

Frauenkraft ist Heilkraft im Wandel

Frauen spielen - meiner Meinung nach - im Strukturwandel des Landes und der Menschen eine entscheidende Rolle. Es ist, als würde ihnen auf besondere Art der Wunsch nach Ganzheit, Zusammenhalt und Heilung der Wunden innewohnen. Selbstverständlich erlebe ich das auch bei Männern und diversen Menschen. Jedoch: etwas weiß die Frauenkraft, die weibliche Energie in den Menschen mehr darüber, wie es geht, wieder ganz zu werden. Wie kann die Frauenenergie wirken, dass sich Mensch und Landschaft wieder heilen lassen?

Ich bin überzeugt, dass es viele Wege dafür gibt. Für mich ist ein wichtiger Weg, mich als Teil des Systems zu verstehen, die Verbundenheit zu meinen Mitmenschen, und anderen Mitlebewesen zu erleben und zu spüren. Das sortiert mich neu ein - nimmt mir meine Bulldozermentalität und macht mich behutsamer. Mit Menschen und mit dem Land. In meinen Augen ist das eine Fähigkeit, die gerade die Lausitz dringend braucht. Für Mensch und Landschaft, damit sich die Struktur, das System, in dem wir leben, verändern kann. Auch darum bin ich nach 20 Jahren Steinkohleregion wieder zurück in meine Heimat, die Lausitz, gekommen. Zutiefst verbunden mit dem geschundenen Land, mit dem Wunsch, etwas zu dieser Transformation beitragen zu können. Mit Frauenkraft.

 Anne Maria klein

 Anne-Maria Apelt...

... ist Spreewälderin, Wendin, Rückkehrerin. Nach ihrem Abitur 2001 zog sie 20 Jahre durch den Westen, erlebte die Steinkohleregion Ruhrpott, kam 2020 mit Mann und Maus wieder zurück. Strukturwandel ist für sie eine Aufgabe von Herz und Hand, die im Einklang mit der Natur zu bewerkstelligen ist. Dafür bietet sie Menschen die Möglichkeit, sich wieder mit der Natur, der Erde, dem Land stärker zu verbinden. Denn sie glaubt: das ist der Anfang des Wandels.

Anne-Maria ist unter www.lebensentdeckungsreisen.de  zu finden.

Fotos: Roland Baege, Anne-Maria Apelt

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Über Pflege

Den Tag der Pflege wollen wir von F wie Kraft nutzen, um an unsere Recherchereise durch die Lausitz zu erinnern. Vor über einem Jahr, noch bevor eine Pandemie sie in den Mittelpunkt rückte, recherchierten Jenny Bartel und Pauline Voigt zu einer der wichtigsten Berufsgruppen in der Lausitz: die Pflegerinnen. Nicht nur im Privaten übernehmen Frauen den Großteil der Sorgearbeit. Im Pflegesektor sind über 85% der Beschäftigten weiblich. Der Strukturwandel ist eine passende Gelegenheit, um in einer alternden Region ins Gespräch zu kommen, über die Bedingungen, Beteiligungen und Perspektiven insbesondere der Altenpflegerinnen.

Im Rahmen der ProduzentinnenTOUR sprachen wir mit Expertinnen und Pflegerinnen. Schon hier wird deutlich: Wer sichtbar über das Thema Pflege spricht, praktiziert sie nicht. Neben Expertinnen aus Gewerkschaft, Sozialplanung und Wirtschaftsförderung sprachen wir mit drei Pflegerinnen, die namentlich nicht genannt werden wollten. Sie aber waren es, die uns eine Welt vor Augen führten, die mitten in der Pandemie ins gesellschaftliche Blickfeld geriet und uns immerhin Applaus abrang. So zynisch die Geste der applaudierenden Menschen auf den Balkons hier und da auch kommentiert wurde, sie drückt das unbehagliche Verhältnis zu den professionellen Pflegekräften aus: Wir müssen begeistert sein, dass sie sich tagtäglich bereit erklären für einen Niedriglohn Jene zu pflegen, die dank fortgeschrittener medizinischer Standards noch leben können, es aber nicht mehr schaffen sich selbst zu versorgen. Und dann doch ihren letzten Lebensabschnitt dort verbringen, wo viele von ihnen nie landen wollten.

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Es ist erstaunlich, dass die meisten Pflegerinnen sowohl den Familienangehörigen wie den Bewohnerinnen eines Altenpflegeheimes so viel Lebensfreude entgegenbringen, als wöllten sie das Unausweichliche demonstrativ beschwichtigen: die Angehörigen von der Last des schlechten Gewissens befreien und den Pflegebedürftigen das Gefühl austreiben, abgestellt worden zu sein.

So wie das Sterben zum Altern, so gehört das Begleiten der Sterbenden wie der weiter Lebenden zum Alltagsgeschäft der Pflegerinnen. Neben dem Heben und Legen, Wenden und Füttern, Waschen und Karten spielen, Tabletten geben und Witze erzählen, Trinkmengen abfüllen und Windeln entsorgen, Lesen und Kämmen, Cremen und Wickeln, Protokollieren und Telefonieren, Erklären und Bitten, Berücksichtigen und Sorgen, scheinen sie nie zu vergessen, wie außergewöhnlich und sensibel dieser Abschnitt für alle Beteiligten ist. UND DAS ALLES JEDEN TAG FÜR 2.500 brutto, wenn’s gut läuft und sie bereit sind, Vollzeit zu pflegen. Deswegen müssen wir applaudieren.

Auch unsere Recherchezeit war begleitet von einer gewissen Scham. Nicht nur die besonderen Herausforderungen der Pandemie waren schuld, dass wir einen riesigen Bogen machten, um irgendwie in Kontakt mit Pflegerinnen zu kommen. Auch die Erkenntnis, dass professionelle Pflege vollen Einsatz verlangt und oft im Verborgenen stattfindet. Leider konnten wir pandemiebedingt nicht unserem aufsuchenden Ansatz folgen und mit den Pflegerinnen in ihrem Berufsumfeld sprechen, wo Knappheit (Zeit, Geld, Personal) herrscht, und der betriebsbedingte Stress natürlich Vorwürfe und Vorhaltungen produziert: bei den Angehörigen, den Pflegebedürftigen und den Pflegerinnen. Die körperliche Belastung gepaart mit psychischem Stress führen zu einer begrenzten Verweildauer in diesem Beruf. Da klingen die Durchhalteparolen der Bundespolitikerinnen zum Tag der Internationalen Pflege fast frech: mehr Zeit für Selbstverwaltung und Interessenorganisation kann unter den bestehenden Bedingungen kaum gelingen. Denn, das wissen alle, bevor eine Pflegekraft auf die Straße geht, kümmert sie sich lieber ein paar Minuten länger um ihren Schutzbefohlenen.

Mit dem Fokus auf Gesundheitswirtschaft und dem Ausbau der Ausbildungs- und Studiengänge im Pflege- und Managementbereich als Zukunftsfelder im Strukturwandel der Lausitz sind wichtige Schritte bereits getan; wünschenswert wäre, wenn die Chance genutzt würde, die erfahrenen Pflegerinnen aus der Region am ökonomischen Aufwärtsprozess teilhaben zu lassen oder ihnen Unterstützung durch fachlich versiertes Personal zu ermöglichen - das wünschen sich unsere Gesprächspartnerinnen nämlich.

Julia Gabler…

… ist Görlitzerin, Dozentin an der Hochschule Zittau/Görlitz, Autorin und Initiatorin des Netzwerkes F wie Kraft.

 

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Radikale Selbstfürsorge – jetzt!

Wer beim Thema Selbstfürsorge jetzt schon nicht weiterlesen will, sollte es sich wirklich anders überlegen. Die Leipziger Autorin Svenja Gräfen versteht es in ihrem neuen Buch „Radikale Selbstfürsorge jetzt – eine feministische Perspektive“, die Leser:innen auf humorvolle und verständnisvolle Weise mitzunehmen auf einen Weg, den wir in dieser Pandemie wirklich gebrauchen können: Einen Weg hin zu mehr Selbstverständnis, zur Anerkennung der eigenen Bedürfnisse. Dabei erzählt sie von ihren Erfahrungen und Aha-Momenten, beleuchtet auch kritische Seiten der Selbstfürsorge-Industrie und zeigt, wie der Begriff ganz grundsätzlich neu verstanden werden kann. 

Ann-Kathrin Canjé hat sie für FwieKraft zu ihrem neuen Buch interviewt.

 Zu Beginn der Klassiker: Wie kam die Idee zu diesem Buch?

Ich habe mich immer schwer getan mit dem Thema, auch weil mir die feministische Perspektive darauf gefehlt hat. Dann habe ich mich aufgrund diverser, persönlicher Krisen auf verschiedenen Ebenen mit dem ganzen großen Thema Selbstfürsorge auseinandergesetzt. Viel gelesen, viel gelernt, viel darüber mit Freund:innen gesprochen. Irgendwann hatte ich nicht nur die Idee, sondern auch einfach das Bedürfnis, das alles aufzuschreiben, um es zu sammeln, um es festzuhalten, auch für mich selbst. Ich habe beim Schreiben dann relativ schnell gemerkt: Okay, das könnte auch für meine Freund:innen und im Grunde auch für viele andere Menschen interessant und hilfreich sein. So kam ich auf die Idee.

 Warum ist es so schwer, mit der Selbstfürsorge anzufangen und warum sträuben sich so viele Menschen noch dagegen?

Ich glaube, ein Hauptgrund könnte sein, dass es ja mit Verletzlichkeit zu tun hat, also damit, sich auch eine Schwäche einzugestehen oder überhaupt, dass man Bedürfnisse hat, die vielleicht nicht gestillt sind. Es geht einfach um mehr als so ein „sich-pampern“, etwas betäuben, damit man sich eben nicht mit etwas auseinandersetzen muss. Ganz im Gegenteil: Es geht darum, dass man sich auch mit Dingen auseinandersetzen muss, die unangenehm sein können. Es ist anstrengend, es kostet super viel Energie, etwas zu verändern, auch wenn es nur so Dinge sind, wie aus Gewohnheit jeden Abend lange vorm Fernseher zu sitzen und dann abends nicht einschlafen zu können. Wenn man das eine gewisse Zeit gemacht hat, dann ist es einfach so doll im Gehirn drin, dass es anstrengend ist, das zu ändern. Ich glaube, das schreckt ganz einfach ab.

Wie hast Du es selbst geschafft, Selbstfürsorge als etwas Hilfreiches anzuerkennen? Als etwas, das wir brauchen, das uns gut tut – und wegzukommen von der Ablehnung, die etwa beim Wort „Self Care“ kommt?

Erstmal so ein bisschen aus der Not heraus, weil es mir wirklich nicht gut ging. Ich stand gefühlt vor einem Burn Out und habe mich dann gezwungenermaßen mit dem Thema beschäftigt. Ich habe erstmal gesucht, was ich tun könnte, um mir zu helfen, weil es so einfach nicht weiter gehen konnte. Durch diesen Prozess und auch durch die Lektüre bestimmter Bücher, also Self-Help Literatur und auch zum Teil durch spirituelle Bücher habe ich dann irgendwann gemerkt: Okay, was ich suche, kann ich mir im Endeffekt erstmal nur selbst geben.

Ich hatte sehr lange die Erwartung, dass ich mir das aus dem Außen ziehen kann. Aus beruflichen Erfolgen oder einer bestimmten Follower:innenanzahl. Ich dachte, dass mir das dann so die Leichtigkeit, die Erfüllung gibt, nach der ich suche. Aber: Pustekuchen. Das war so der Moment, in dem ich realisiert habe: Ne, erstmal muss ich irgendwie mit mir selbst klar kommen. Es reicht nicht, diese Dinge zu tun, die dann so als „Self Care“ gelabelt sind, sondern ich muss da einfach etwas tiefer graben, mich mit Glaubenssätzen und Denkmustern auseinandersetzen.

Svenja Gräfen Presse 4 c Paula Kittelmann

© Paula Kittelmann

Du lädst in Deinem Buch auch dazu ein, sich darauf einzulassen, mit Dingen mal neu anzufangen, neue Gewohnheiten kennenzulernen, neue Rituale zu entdecken. Gibt es etwas, mit dem Du 2021 auch zum ersten Mal neu angefangen hast?

Da muss ich fast passen oder enttäuschen, weil dieses Jahr bei mir absurderweise bis jetzt von sehr viel Arbeit geprägt gewesen ist. Aber: Auch wenn ich viel zu tun hatte, weil eben das Buch zu finalisieren war, ich parallel noch an anderen Projekten gearbeitet habe und noch arbeite, versuche ich mir mehr und mehr Zwischendurch-Auszeiten zu gönnen. Ich glaube es fällt mir inzwischen auch leichter, mal so eine To-Do-Liste gehen zu lassen. Das ist eine Sache, die ich immer noch übe, auch 2021.

 Dein Buch trägt den Untertitel „eine feministische Perspektive“. Wie kann Selbstfürsorge denn Deiner Meinung nach feministisch sein?

Also erstmal ist es natürlich ein bisschen die Vorrausetzung für gesellschaftliches, politisches Engagement, dass ich auf mich aufpasse, mit meinen Kräften, mit meiner Energie haushalte und mich um mich selbst kümmere. Ansonsten laufe ich Gefahr, auszubrennen und gar nichts mehr machen zu können. Allein daher sollte es Bestandteil sein von Feminismus, von Aktivismus, dass ich mich eben auch um mich selbst kümmere. Dass ich nicht nur gucke: Wie kann ich die Missstände, die Strukturen, die Welt verändern und zu einem sicheren und besseren Ort machen, sondern dazu gehört auf jeden Fall auch, dass ich nett zu mir selbst bin, dass ich auf meine Bedürfnisse achte und schaue: Wie viel kann ich denn gerade überhaupt geben?

Zum anderen ist es natürlich auch so eine Art von Rebellion, wenn eben Selbstfürsorge nicht als Ausrede dafür gilt, dass ich irgendwelche teuren Kosmetikprodukte konsumiere oder als Selbstoptimierungsmaßnahme verstehe, damit ich noch produktiver sein und noch mehr arbeiten kann im Kapitalismus, sondern einfach als Selbstzweck.

Also dass ich jetzt nicht sage: Ich mache eine Pause, damit ich danach noch mehr leisten kann, sondern ich mache jetzt eine Pause, weil es mir dann besser geht. Ich habe verdient, dass ich mich besser fühle. Auch wenn die Gesellschaft oder die politischen Strukturen mir eigentlich sagen: Nö, Du hast es nicht verdient. Dann kämpfe ich im Kleinen natürlich, aber ich kämpfe trotzdem gegen diese ungerechten Strukturen an.

Spoiler für die, die das Buch noch nicht gelesen haben: Ganz am Ende gibt es ja eine Liste mit Dingen, die für Dich zu Selbstfürsorge gehören können. Was von dieser Liste hast Du denn heute vielleicht schon gemacht?

Noch nicht so viel, weil es noch früh ist, aber so ein paar Dinge, die auf der Liste zu finden sind, habe ich tatsächlich schon gemacht:

Ich habe schon einen kleinen Spaziergang mit meinem Hund gemacht, ihn schon gestreichelt (auch ein Punkt auf der Liste) und ich habe meinen Wecker später gestellt, weil ich gestern so müde war und gemerkt habe: Ich brauche mehr Schlaf. Das ist mein Favorite-Thing to do: Wann immer es mir möglich ist, so lange zu schlafen, wie es möglich ist. Gestern habe ich außerdem einen Telefontermin auf nächste Woche verschoben, weil ich gemerkt habe: Nö, das ist mir gerade zu viel. Das habe ich vor ein, zwei Jahren noch nicht gemacht, weil ich immer dachte: den Termin haben wir jetzt vereinbart, da muss ich dann auch können. Jetzt habe ich einfach eine Mail geschrieben und gesagt: Können wir das bitte auf nächste Woche verschieben. Das war sehr selbstfürsorglich.

Das Buch ist ja in Zusammenarbeit mit Slinga Illustration entstanden. Wie kamst Du auf die Idee? Wieso war es Dir wichtig, diese Illustrationen zu haben und was bedeuten Sie Dir?

Ich wollte, dass es für jede Person so zugänglich wie möglich ist und hatte das Gefühl, dass Illustrationen total gut unterstützen können, einfach weil dadurch der Zugang niedrigschwelliger wird. Die Illustrationen verstärken zusätzlich das, was man gelesen hat.

Da hatte ich sofort Lea bzw. Slinga Illustration im Kopf, weil ich ihre Arbeit kenne und schätze, weil sie eine Freundin von mir ist, weil sie auch zu solchen Themen ganz viel macht; also nicht nur Feminismus, sondern auch Mental Health, Körperbilder und viel zum Thema Angst.

Ich finde, es ergänzt sich ganz schön. Und – das kann ich selbst nicht so sagen, aber das haben mir andere gespiegelt – das Buch hat einen humorvollen Anteil und ich glaube, dass gerade durch die Illus nochmal mehr Humor mitreinkommt.

Eden Books Svenja Grafen 13 Selbstführsorge Und FeminismuscLea Hillerzeder Slinga Illustration HIGHRES

© Slinga Illustration 

Was wäre das Schönste für dich, dass ein:e Leser:in nach der Lektüre deines Buches macht?

Ich glaube, das Schönste fände ich erstmal, dass eine Leserin oder ein Leser sich nicht schon während des Lesens unter Druck gesetzt fühlt, sondern einfach eine schöne und entspannte Zeit mit dem Buch hat. Und es danach vielleicht auch schafft, den Druck rauszunehmen und nicht das Gefühl hat, dass Self Care jetzt auf die To-Do-Liste muss, die sowieso schon zu voll ist, sondern, dass vielleicht so eine neue Art der Beziehung zu sich selbst entstehen kann. Dass man so ein bisschen nachsichtiger, verständnisvoller ist.

Wenn man sich vielleicht vorgenommen hat: Jetzt lese ich erst ein paar Seiten in dem Buch, dann mach ich noch mein Work Out, dann meditiere ich, dann trinke ich noch einen Tee und dann gehe ich ins Bett – dass man stattdessen vielleicht einfach sagt: Okay, ich lese jetzt noch ein bisschen und wenn ich müde bin, dann gehe ich schlafen, weil das gerade mein Bedürfnis ist.

Wie würdest Du denn beispielsweise Menschen in der Lausitz erklären, die eher in kleinen Gemeinden oder Dörfern leben, sehr viel Care Arbeit leisten und in ganz vielen Bereichen tätig sein müssen und vielleicht nicht so viele Zugänge haben, dass Selbstfürsorge sich auch für sie lohnt?

Genau aus dem Grund ist es mir ein Anliegen gewesen, dieses Buch zu schreiben. Ich finde es so wichtig, dass darüber gesprochen und aufgeklärt wird, dass Selbstfürsorge nicht nur ist, in den fancy Yoga Kurs zu gehen, teure Kosmetikprodukte zu kaufen, ein Sabbatical zu machen oder sich jeden Tag zwei Stunden Zeit nur für sich zu nehmen, sondern dass es schon mit Kleinigkeiten anfängt.

Besonders in so krass herausfordernden Zeiten wie gerade kann man versuchen, damit anzufangen, sich selbst mehr Verständnis entgegenzubringen. Die eigenen Bedürfnisse nicht zu verleugnen. Die eigenen Gefühle nicht zu unterdrücken, sondern auch gerne mal zu sagen: Es ist gerade einfach alles zu viel, ich bin gerade gestresst und ängstlich. Sich da eine Verletzlichkeit, Menschlichkeit zuzugestehen.

Vielleicht auch einfach die eigenen Bedürfnisse nicht nur wertzuschätzen, sondern auch zu kommunizieren. Gegenüber Partner:innen, vielleicht auch Kindern. Sich da eben nicht zu zwingen, eine Fassade aufrechtzuerhalten und so zu tun als wäre man stark und würde alles easy wegstecken, sondern auch einfach mal zu sagen: Mir ist es gerade auch zu viel und ich brauche gerade mal zehn Minuten für mich.

Weinen ist eine total gute Sache, weil man dadurch Stress abbaut und sich durch Gefühle hindurchmanövrieren kann.

Man kann auch schauen: Was habe ich denn für Möglichkeiten der Vernetzung gerade? Auch in der Gemeinde. Gibt es ein schwarzes Brett wo man aufschreiben kann, wie man sich gerade gegenseitig unterstützen kann. Kann man sich im Zweifelsfall Unterstützung von außen holen, z.B. durch Krisentelefone. Auch das ist Selbstfürsorge. Wie kann ich auch in einer Dreifachbelastung mich selbst unterstützen? Da wirklich die eigenen Bedürfnisse mal an die erste Stelle packen, denn wenn die auf Dauer nicht erfüllt sind, kommt das niemandem zu Gute.

Und noch ein Pro-Tipp zum Schluss: Wenn man das nicht gleich schafft, sich selbst mehr Verständnis und Freundlichkeit entgegen zu bringen, einfach mal vorstellen, dass es nicht um mich geht, sondern um eine Person, die ich liebe. Um mein Kind, meine gute Freundin. Würde ich die auch fertig machen und alles von ihr fordern? Oder würde ich sagen: Oh man, das ist gerade echt eine harte Zeit, gönn Dir mal eine Pause!

Svenja Gräfen...

... geboren 1990, lebt in Leipzig und ist Autorin für Prosa, Essays und Drehbücher. Sie veröffentlichte bisher zwei Romane, „Das Rauschen in unseren Köpfen“ (2017) und „Freiraum“ (2019), sowie Texte in diversen Anthologien und Literaturzeitschriften. Für ihr Schreiben hat sie bereits zahlreiche Stipendien erhalten. Sie leitet außerdem Schreibkurse und arbeitet als freiberufliche Redakteurin, Lektorin und Kreativberaterin. Ihr neues Buch „Radikale Selbstfürsorge – jetzt!“ ist bei Eden Books erschienen. Mehr zur Autorin: https://svenjagraefen.de/ ; Die Illustrationen stammen von der Leipziger Illustratorin Lea Hillerzeder, mehr Infos: https://www.slingashop.de/  

Ann-Kathrin Canjé…

… ist schreib-,musik- und leseaffin. Ihr liegen die kleinen, unauffälligen Geschichten des Alltags am Herzen, die sie meist in Kurzgeschichten festhält. Wenn sie nicht kreativ schreibt, ist sie als Volontärin beim MDR tätig.

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