STRUKTURWANDEL IST SEHR KLEIN, SEHR KONKRET, MANCHMAL SEHR MÜHEVOLL

Jadwiga Mahling, 36 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern ist Sorbin, Theologin und Pfarrerin im Schleifer Kirchspiel, zu dem eine Kirche und acht Dörfer – Schleife, Rohne, Mulkwitz, Mühlrose, Trebendorf, Halbendorf, Groß Düben und Lieskau –  aus drei Kommunen in Sachsen und Brandenburg gehören.

Liebe Frau Mahling, was hat Sie dazu bewegt, Pfarrerin zu werden und wie sind Sie eigentlich nach Schleife gekommen?

Ich komme selbst aus der Lausitz, aus der Bautzener Ecke, aus einer Pfarrersfamilie in der 6.-7. Generation. Mein Vater ist Pfarrer. Kirche und Glaube haben bei uns immer eine Rolle gespielt. Der Weg, selbst Theologie zu studieren, das ist ein eigener Weg. Ein junger Pfarrer und Einsätze mit der jungen Gemeinde in einem Kinderheim in Rumänien haben mich geprägt. Nach der Schule war ich ein Jahr in Spanien und habe mich dort entschieden, Theologie zu studieren. Noch in der Schule hatte ich den Religionsunterricht abgewählt, weil er einfach nicht gut war. Physik hatte ich als Leistungskurs, weshalb ich mir hätte vorstellen können, Physik zu studieren. Trotzdem entschied ich mich für die Metaphysik, also für ein Theologiestudium in Greifswald, Tübingen, Heidelberg, Beirut (an der Near East School of Theology) und in Leipzig. Im Jahr 2011 habe ich mein 1. Kirchliches Examen abgelegt und mich aus persönlichen Gründen gegen eine wissenschaftliche Laufbahn entschieden. Ich ging ins Vikariat in Machern bei Leipzig. Nach meinem zweiten kirchlichen Examen habe ich erfahren, dass im Kirchspiel Schleife seit längerer Zeit eine Pfarrstelle ausgeschrieben war. Das hat mich aus verschiedenen Gründen gereizt. Einmal das Sorbische, wobei der Schleifer Dialekt besonders ist. Ich kannte diese Region von Kindheitstagen. Mir gefiel die sorbische Heideregion und natürlich ging es mir auch um die ganze Braunkohlenproblematik, weil ich mich seit meiner Jugend für Umweltprobleme und die Geschichten dazu interessiere. Andere Faktoren, wie die Schule vor Ort waren dann ausschlaggebend dafür, dass ich mich nach Schleife beworben habe. Normalerweise darf man sich seine erste Stelle nicht aussuchen, man wird zugeteilt. Aber wenn man ins Ländliche will, dann kann man sich die Stelle auch aussuchen.

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Auch wenn es schon einige Pfarrerinnen gibt, ist dieser Beruf eher von Männern dominiert. Ist es eine Herausforderung für Sie, Pfarrerin zu sein und als Frau eine gewisse Autorität zu haben?

Hier in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ist alles Richtung Berlin orientiert und dadurch ist es viel einfacher und offener. Vor mir war schon einmal eine Pfarrerin hier in Schleife tätig und ich glaube, dass das wichtig war. Sie war nur 5 Jahre im Amt, aber sie hat vieles für mich geöffnet. Es ist wahrscheinlich schwer, wenn zum ersten Mal eine Pfarrerin kommt.  Ansonsten muss ich sagen, dass es in unserer Landeskirche seit über 50 Jahren normal ist, dass Frauen ordiniert werden. Die Menschen kennen andere Pfarrerinnen und das Rollenbild verändert sich auch im Pfarrberuf. Derzeit studieren mehr Frauen Theologie als Männer und die Prognose ist, dass der Pfarrerberuf eher zum Frauenberuf wird. Man hat trotzdem immer wieder auch mit Klischees und Vorurteilen zu tun, wobei ich es bei uns im Kirchenkreis in der Landeskirche nicht so stark erlebe. Es ist manchmal schwierig für ältere Gemeindeglieder, die einfach in ihrer Kindheit und Jugend stark von einem alten Pfarrerbild geprägt wurden. Natürlich müssen sich die Gemeindeglieder an eine junge Pfarrerin und auch an eine junge Familie gewöhnen.  Das nehme ich ihnen nicht übel. Selbst sagen sie, dass sie hier noch nie eine junge Pfarrfamilie hatten, wo die Frau die Pfarrerin ist.

Wie groß ist Ihre Kirchgemeinde und wie sind die Proportionen zwischen Christ*innen und Nichtchrist*innen?

Die Kirchengemeinde Schleife hat insgesamt ungefähr 1500 Gemeindeglieder in acht Dörfern, aber nur eine Kirche. Die Menschen sind schon seit Jahrhunderten daran gewöhnt, in diese Kirche zu fahren. Im Schleifer Kirchspiel sind etwa 20 bis 25% der Bewohner Kirchenmitglieder. Es wird Wert auf Tradition gelegt, die Kirche steht selbstverständlich im Mittelpunkt des Dorfes und wird als Partner akzeptiert.

Sind alle Gemeindemitglieder Sorben?

Da kommen wir zur Frage, wer ist ein Sorbe, eine Sorbin? Ich würde sagen, 80% haben einen sorbischen Hintergrund. Das fällt bei den Familiennamen auf, die sehr traditionell sind, wie Nagorka, Krautz, Nowak, Gnilica, Sprejz etc. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in den meisten Familien die sorbische Sprache abgelegt.
Das ist eine langfristige Entwicklung: Zum einen war es die Repressalienpolitik den Sorben gegenüber in preußischen und natürlich besonders in nationalsozialistischen Zeiten: Sorbische Pfarrer und Lehrer wurden aus den Orten ausgewiesen, um dann die Germanisierung voranzubringen. Auch hier im Schleifer Kirchspiel wurde der sorbischsprachige Pfarrer Gottfried Rösler im Jahr 1938 ausgewiesen.

Wie war dann die Situation nach 1945?

Nach dem Zweiten Weltkrieg galt dann nicht mehr das Ideal, das Jahrhunderte geprägt hat: die fest im Sorbischen und im Glauben verankerte bäuerlich-forstwirtschaftliche Kultur. Das neue Ideal war der sozialistische Arbeiter, der im Tagebau arbeitet und selbstverständlich Deutsch spricht und keine Tracht trägt. Die Sprache wurde erneut abgelegt und in den meisten Fällen auch die Tracht. Die 80-90-Jährigen sind alle noch muttersprachlich aufgewachsen, beherrschen die Sprache auch. Die 60-70-Jährigen verstehen es, weil sie es von ihren Großeltern gelernt und gehört haben. Die jüngere Generation, die in der DDR aufgewachsen ist, versteht sicherlich einzelne Worte, aber das Niveau ist rudimentär. Es betrifft vor allem die Nieder- und Mittellausitz, weil dort die Braunkohlevorkommen sind. Insgesamt wurden 130 Dörfer durch die Jahrzehnte devastiert. Wenn Leute in die Städte ziehen, in Wohnblocks nach Weißwasser und Hoyerswerda, werden sie entwurzelt, sie verlieren ihre Sprache und Kultur. Besonders in der Mittel- und Niederlausitz ist die sprachliche Situation prekär. Sprachlich besser gestellt sind die Gegend um Bautzen herum und die der katholischen Dörfer. Nichtsdestotrotz muss man sagen, auch dort verringert sich die Zahl der muttersprachlichen Menschen bis heute. Für mich sind Sprache, Kultur, Traditionen und Bräuche identitätsstiftend. Ab wann ist man Sorbe oder Sorbin? Ich glaube, einige würden hier im Schleifer Kirchspiel sagen: „Wir sind Sorben, wir sprechen die Sprache nicht, aber an Festtagen tragen wir die Tracht“.

Eine Gesellschaft lebt permanent im Strukturwandel, besonders hier in der Lausitz.

Kommen wir jetzt auch zum Thema, das Sie schon erwähnt hatten und das in aller Munde ist: der Strukturwandel. In der Gemeinde Schleife befindet sich das letzte Dorf im Osten Deutschlands, das abgebaggert werden soll. Wie ist die Atmosphäre in Ihrer Gemeinde? Wie erlebt Ihre Gemeinde den Strukturwandel?

Ich finde dieses Wort Strukturwandel sehr problematisch, weil wir immer in einem Wandel der Strukturen leben: Der Wandel der Strukturen nach dem Zweiten Weltkrieg, dann als die Bauern in die LPG gezwungen wurden, die Wende 89/90, danach die Massenentlassungen und so weiter… das ist ein massiver Wandel der Strukturen. Eine Gesellschaft lebt permanent im Strukturwandel, besonders in der Lausitz.

Nichtsdestotrotz sind wir derzeit hier besonders davon betroffen: das Schleifer Kirchspiel oder Teile davon, wie Rohne, Mulkwitz oder Mühlrose waren schon zu DDR-Zeiten als Bergbauvorranggebiet gelistet. Es durfte nicht mehr gebaut werden, da eine Umsiedlung schon geplant war. Deshalb sind die Ortskerne dieser Dörfer auch so historisch und so charakteristisch, weil die ganzen alten Höfe erhalten blieben. In den 90er Jahren folgte ein großes Aufblühen durch den Neubau und die Renovierung der Häuser, weil der neue Braunkohleplan keine Devastierung der Dörfer mehr vorsah: „ihr könnt bauen, ihr werdet nicht umgesiedelt“.

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Wann hat sich das geändert? Aktuell soll Mühlrose umgesiedelt werden.

Ja, das änderte sich radikal im Jahr 2006: Im neuen Revierkonzept stand, dass die Orte Rohne, Mulkwitz, Mühlrose und Schleife südlich der Bahn und Klein-Trebendorf devastiert und abgebaggert werden sollten. Das hätte für das Schleifer Kirchspiel die Umsiedlung von 1700 Menschen und die Umsetzung von drei Friedhöfen bedeutet. Mit dieser Aussage ist sofort der Grundstückswert gefallen, denn wer zieht noch in ein Dorf, das umgesiedelt werden soll? Die Menschen haben dann 10 Jahre lang die Umsiedlung geplant. Anfang des Jahres 2015 sagte dann der Eigentümer, des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall: „Wir verkaufen unsere Braunkohlesparte, wir wollen in die Richtung erneuerbare Energien, Braunkohle ist schwierig für uns“.  Dann erfolgte der Verkauf an EPH, einem tschechisch-multinationalen Konsortium mit undurchsichtigen Strukturen. 2017 gab der neue Besitzer ein neues Revierkonzept bekannt: die Orte Schleife südlich der Bahn, Rohne, Mulkwitz und auch Klein Trebendorf werden nicht in Anspruch genommen, dafür aber eventuell der Ort Mühlrose. Nach den vergangenen 10 Jahren Investitionsstopp, die Menschen hatten sich innerlich von ihren Häusern schon verabschiedet, wieder eine Wendung: „Ihr könnt bleiben!“.

Wie kommen die Menschen vor Ort mit diesem ununterbrochenen Hin und Her klar? Gibt es Hoffnung?

Die Menschen in den Orten, die bleiben, schöpfen wieder Hoffnung, sie haben sich in ihrem strukturellen Denken wieder gewandelt, weil sie in ihren Häusern bleiben werden. Sie müssen nun neu beginnen, sich mit ihrem Ort zu identifizieren. Das ist für mich Strukturwandel! Der Ort Mühlrose ist wahrscheinlich das letzte Dorf in Ostdeutschland, was noch zur Umsiedlung freigegeben werden soll. Derzeit handelt es sich bei dem Umzug um eine freiwillige vorzeitige Umsiedlung. Erst in einigen Jahren, wenn der Braunkohleplan genehmigt werden sollte, kann die Umsiedlung auch bergrechtlich durchgesetzt werden. Doch ob der umgeschriebene Braunkohleplan noch genehmigt wird, steht in den Sternen.

Was ich derzeit in Mühlrose erlebe, ist das Ende eines historischen Ortes. Er zerfällt – durch Streit, aber auch durch Wegzug. Die Häuser und die Höfe, auch die historischen unter ihnen, werden abgerissen. Nur einige Wenige werden bleiben.

Die Situation, in der wir hier im Schleifer Kirchspiel leben, bedeutet eine große Ungleichzeitigkeit. Einige Menschen bleiben in ihren Häusern, bauen gar neue Häuser, investieren in die Zukunft, gründen Familien. Andere sind im Zwiespalt: „Bleibe ich oder ziehe ich um“? Die Menschen haben aber erkannt, dass die ganze Geschichte mit der Kohle eine endliche ist! Früher war immer der Kohlekonzern da: er investierte sehr viel ins Vereinsleben, eine neue Schule und Feuerwehren wurden gebaut. Vor meiner Zeit wurde sogar die Kirche vom Bergbauunternehmen saniert.

In diese Dörfer sind unheimlich viele Gelder geflossen und das verändert sich derzeit in der Haltung der Menschen, es ist nicht mehr alles nur vom Bergbauunternehmen abhängig zu machen. Die Leute entwickeln wieder mehr Eigeninitiative, eigene Ideen. In Rohne soll beispielweise eine Kulturscheune entstehen, die Bushaltestelle ist als Lesehaltestelle ausgebaut und so weiter.

Und darüber freue ich mich! Ich sehe dem Ganzen sehr positiv entgegen. Die Menschen identifizieren sich wieder mehr mit ihrer Heimat, mit dem, was ihre Dörfer wertvoll macht.

In meinen Predigten thematisiere ich fast nie die Braunkohleproblematik. Ich predige biblische Geschichten und diese sprechen für sich.

Man stellt sich irgendwann die Frage, wo will ich leben, was will ich eigentlich und welche Möglichkeiten habe ich?

Ja! Ein Strukturwandel, wie der jetzige, kann nur funktionieren, wenn die Menschen Initiativen und Ideen entwickeln. Mit viel Geld von oben funktioniert das nicht allein. Diese Dörfer haben erlebt, was viel Geld bedeutet: Streit, Neid und eine Lähmung der Eigeninitiative. Genau das ist hier in den letzten Jahren passiert. Es wurde nur erwartet, dass das Bergbauunternehmen bezahlt und fertig. Geld behindert, aus meiner Perspektive, auch den Wandel der Strukturen und ein großer Geldregen wird das Denken der Menschen nicht verändern. Wir sehen das gerade in Trebendorf. Dort wurde ein großer Sportpark errichtet und derzeit ermittelt das Landeskriminalamt Sachsen wegen Unterschlagung. Das zerreißt einen kleinen Ort, weil es Begehrlichkeiten gibt: die eine Familie war dort beteiligt, die andere Familie war anderswo beteiligt…  jetzt gibt es Hausdurchsuchungen in Trebendorf. Und deshalb ist ein Strukturwandel schwierig, bei dem nur Wirtschaftsförderung und Infrastruktur im Fokus stehen. Werden dagegen Kultur und alternative Schulen gefördert, kommen vielleicht auch Familien her, die ihr Kind lieber in eine freie Schule schicken. Sie überlegen sich dann, ob sie aus dem großstädtischen Raum vielleicht doch ins ländliche Gebiet ziehen.

Wie muss man sich diese Konflikte zwischen den Menschen in ihrer Gemeinde vorstellen? Sie haben dann beide Seiten vor sich … müssen Sie manchmal zwischen verschiedenen Parteien schlichten?

Viele denken, man redet viel als Pfarrerin oder man muss viel reden. Die Hauptaufgabe für mich als Pfarrerin ist aber, zuzuhören. Ich bin für die Menschen da und das ist auch die Stärke der Kirche und des Glaubens. Egal, welcher Partei sie angehören oder wie sie zur Braunkohleproblematik stehen: Wir feiern gemeinsam Gottesdienst! Und das ist das Besondere und was ich sehr schön finde: Die Menschen kommen trotz allem in die Kirche, in den Gottesdienst, und finden Halt.
In meinen Predigten thematisiere ich fast nie die Braunkohleproblematik. Ich predige biblische Geschichten und diese sprechen für sich.

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Und nach der Predigt kommen sie manchmal zu Ihnen und sagen…?

„Es hat gepasst!“ Das sehe ich als zentrale und absolut wichtige Aufgabe in unserem Kirchspiel, weil diese acht Dörfer in drei Kommunen aufgeteilt sind und weil sie durch das Kirchliche zusammengehalten werden. Deshalb heißt es auch, „Acht Dörfer – ein Kirchspiel“. Die Frage ist immer, wie kann man diesen Zusammenhalt schaffen, denn man braucht hier auf dem Dorf keinen philosophischen Lesekreis zu gründen. Es wäre schön, aber es funktioniert vielleicht nicht so.

Ich habe erkannt, dass für die Menschen zum Beispiel die Feuerwehr sehr wichtig ist und deshalb habe ich begonnen, Feuerwehrgottesdienste zu machen, wo alle acht Feuerwehren aus allen acht Dörfern einziehen und wir feiern zusammen ihren Einsatz. Sie sind für alles immer da, die Feuerwehren sind für die Organisation von Dorffesten da, sie löschen die Waldbrände, die wir hier in der Region häufiger haben, sie sind bei Unfällen da usw. Sie sind die erste Einsatztruppe der Dörfer. Das auch zu sehen, zu würdigen und wertzuschätzen, das finde ich wichtig.

Es sind verbindende Maßnahmen, wo es nicht darum geht, „Ihr seid die Kommune“, „wir sind die Kommune“, „ihr habt so viel Geld bekommen“, „wir haben so viel Geld bekommen“ oder „wir haben gar nichts bekommen“… Das steht nicht im Mittelpunkt. Was verbindet uns eigentlich? Jedes Dorf hat eine Feuerwehr und das verbindet uns. Das Grundproblem liegt darin, dass sich oft die Menschen nicht gesehen und wertgeschätzt fühlen. Wertschätzung! Dass man die Menschen, in dem was sie sind, mit ihren Problemen, aber auch mit ihren schönen Seiten sieht. Dass wir die christliche Botschaft, „du bist geliebt, du bist gewollt so wie du bist, Gott sieht dich, Gott segnet dich“, weitervermitteln. Und das ist positiv, das ist positive Energie, das ist eine Hoffnungsbotschaft!

Diese Region, die also wirklich blutet und so verwundet ist, auch für diese Region gibt es eine Zukunft! Und an der Stelle bin ich mir sehr gewiss: Da trägt mich mein Glauben durch. Und diese Hoffnung will ich hier den Menschen vermitteln, vor Ort!

Sînziana Schönfelder…

… stieß im Sommer 2017 sie zu dem Projekt „Geschlechtersensible Willkommenskultur im Landkreis Görlitz“ und entwickelte Formate zur Berücksichtigung von Frauen mit besonderem Blick auf Landwirtinnen im Landkreis Görlitz. Hieraus entstand der Film Land leben. Land lieben, den sie gemeinsam mit René Beder produzierte. Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit am IHI Zittau – TU Dresden, erforscht sie am TRAWOS-Institut der Hochschule Zittau-Görlitz Religionssensible Integrationskultur in Ostsachsen – und bleibt F wie Kraft als Autorin von Portraits erhalten.

Fotos: Tine Jurtz, https://fototine.de/

ZUSAMMEN HANDELN UND STRUKTUREN WANDELN

HERZLICHE EINLADUNG ZUM F WIE KRAFT – SYMPOSIUM AM 6. NOVEMBER 2020 IN WEISSWASSER

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Die Lausitz befindet sich mitten im Strukturwandel. Vieles wird und muss sich verändern. Schon längst gestalten Frauen auf vielfältige Art diesen Prozess – mit großen und kleinen Visionen, Ideen und Projekten. Welche Themen, Probleme und Handlungsfelder bewegen Frauen? Was brauchen wir und was braucht die Region? Wie lässt sich der Strukturwandel geschlechtergerecht gestalten?

Wir laden alle Frauen (und natürlich auch Männer), die Struktur wandeln, dazu ein, sich miteinander auszutauschen und zu vernetzen. Lasst uns mit mutigem Blick nach vorn über den Strukturwandel sprechen:

  • Über Erfahrungen von Frauen in Wandlungsprozessen
  • Über Projekte, die wir noch angehen werden
  • Über Themen, die wir auf die Strukturwandelagenda setzen

ORT: Soziokulturelles Zentrum TELUX, Weißwasser
DATUM: 06.11.2020
UHRZEIT: 09:30 Uhr

Programm

  • 09:30 Ankommen und Netzwerken
  • 10:00 Begrüßung und Auftakt
  • 11:00 Podiumsdiskussion | „Strukturwandel? Machen wir schon!“ (Mit Manuela Kohlbacher und weiteren Gästen)
  • 12:00 Pause und Mittagessen
  • 13:00 3 parallele Workshops
    • Strukturwandel ohne Frauen? (Mit Antonia Mertsching) | Ideen – und Argumentationsschmiede für geschlechtergerechtes Handeln im Strukturwandel
    • ProduzentinnenTour „Pflege in der Lausitz“ (Mit Dr. Julia Gabler und Gästen) | Schlaglichter auf die Arbeit in der Pflege
    •  „Vom Wandeln zum Handeln“ (Mit Henriette Stapf) | Biografieworkshop
    • Offener Slot: Was es noch alles zu besprechen gilt… | Bringt Eure eigenen Themen mit!
  • 15:00 Abschluss
  • 15:30 Ausklang, Genießen und Netzwerken

Kontakt und Anmeldung

Die Teilnahme ist nur nach bestätigter Anmeldung möglich, da die Teilnehmer*innenzahl auf 50 Personen begrenzt ist. Bitte meldet Euch bis zum 21. Oktober per Email unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. an.

Bei Bedarf werden wir eine Kinderbetreuung organisieren. Bitte gebt an, ob Ihr mit Kindern kommt.

Bei Fragen erreicht Ihr Pauline Voigt telefonisch unter der 03581/374 4873 oder per Email unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..

Wir freuen uns auf einen anregenden, vernetzenden Tag mit Euch!
Weitere Infos auf unserer WebsiteFacebook und Instagram.

 
 

WIE WEIBLICH IST DER STRUKTURWANDEL?

Die Lausitz, Cottbus, eine Region und somit die Heimat vieler befinden sich im Strukturwandel. Doch was heißt das? Eine Frage, der es sich zu stellen gilt und gleichzeitig lässt sich keine einfache Antwort darauf finden. Der Begriff muss intensiv beleuchtet werden und es sollte ein Blick auf die Menschen und Personengruppen erfolgen, die dabei in den Fokus rücken oder dabei nahezu unbeachtet bleiben.

Wir kommen aus einem Bereich, in dem wir speziell nach Einstellungen und Befindlichkeiten fragen und quasi Ursachenforschung und Biografiearbeit leisten. Soziale Arbeit ist Care-Arbeit und die Pflege und damit verbundene Beziehungsarbeit mit jungen Menschen führen dazu, dass wir Personen und auch Gruppen über einen langen Zeitraum begleiten und somit einen tiefen Einblick in Lebenswege und gegenwärtige Bedarfslagen haben. Natürlich gibt es regional viele Projekte und Träger, die sich ebenfalls der offenen Kinder- und Jugendarbeit verschrieben haben, ebenfalls eine Expertise leisten und fachliche Informationen zu Handlungsfeldern äußern können. Unsere Besonderheit innerhalb der Jugendarbeit ist jedoch der geschlechterreflektierende Blick bzw. die gezielte Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen. Mädchen(politische) Arbeit ist in Brandenburg keine Selbstverständlichkeit und gilt als unterfinanzierter oder auch fehlbetragsfinanzierter Bereich, der häufig den freiwilligen sozialen Leistungen zugeschrieben wird. Folglich steht diese pädagogische Arbeit mit einer tollen und vielfältigen Zielgruppe unter hartem Erfolgs- und Legitimationsdruck. Seit 1991 behauptet sich das Mädchenprojekt in der Jugendförderlandschaft und hat 2017 durch einen Generationswechsel im pädagogischen Team Arbeitsschwerpunkte neu gesetzt und intensiviert, wodurch sich unter anderem die gegenwärtige Ziel- bzw. Nutzerinnengruppe zwischen 16 und 27 Jahren bewegt. Medienpädagogische Arbeit, Berufsorientierung, Lebensplanung und -begleitung und Selbstbefähigung im Kontext diverser Schlüsselkompetenzen verkörpern Kernanliegen der Arbeit und sind stetiger Inhalt der Beziehungsarbeit und der Angebotsrealisierung. Diese Arbeit ist immer in einem politischen, sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Kontext eingebunden, denn diese Schnittstellen sind Teil einer jeden Lebensrealität und des eigenen Alltags; unabhängig von Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft oder auch Nationalität. Folglich erscheint es nicht verwunderlich oder überraschend, dass auch unser Projekt und die Mädchenarbeit mit dem Thema Strukturwandel konfrontiert wird, allerdings ist dabei die Bearbeitung durchaus niedrigschwelliger und die gedankliche und emotionale Aufarbeitung liegen im Fokus.

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„Unsere Stadt sollte mehr sein als ein Fußballstandort oder eine Ansammlung von Unternehmen.“[1]

Bis in die 1990er Jahre hinein definierte sich die Lausitz als Wirtschaftsstandort für Braunkohle und sah in dieser dauerhaft eine wichtige regionale Besonderheit und durchaus auch ein Alleinstellungsmerkmal. Mit dem fortschreitenden demografischen Wandel, der Verabschiedung von der Braunkohle und dem gleichzeitigen Wunsch, Fachkräfte in der Region zu halten und ein attraktiver Lebensstandort zu bleiben, wurde klar, dass sich zum einen die Lausitz in ihrem Selbstverständnis wandeln musste und zum anderen die Regierung vor der Herausforderung stand, finanzielle Unterstützungen und perspektivische Wege aufzuzeigen. Viele Unternehmen, Dörfer, Familien und Einzelpersonen standen vor der Frage: Wie geht es weiter? Was wird und muss passieren, damit ich meine Heimat nicht verlassen muss und die Lausitz nicht an Attraktivität verliert? Aus diesen Zukunftsfragen und -ängsten heraus haben Ministerien, Regierungen und Kommunen selbst Vorhaben, Leitsätze und Investitionsgedanken formuliert, die den Osten für die nächsten Jahrzehnte stabilisieren und voranbringen sollen.

In den letzten Monaten konnten wir in regionalen Medien mitverfolgen, dass diese großen Ziele ihre Realisierung finden oder in Planung sind. Eine medizinische Fakultät soll den Status der Universitätsstadt Cottbus stärken, das Bahnwerk RAW wird neue Aufträge und Bauvorhaben umsetzen, Umweltfreundlichkeit und Digitalisierung stehen auf der Agenda und Unternehmen werden sich in der Region ansiedeln.

Im Kontext des Begriffs Strukturwandel wird somit schnell eines deutlich; nämlich, dass der Begriff eher wirtschaftlich, finanziell und ökonomisch gedacht wird. Blicken wir allerdings auf die Zielgruppe der jungen Frauen bzw. generell auf eine junge, nachwachsende Generation, wird klar, dass diese Betrachtung und Ausrichtung von Strukturwandel nicht ausreichend ist und dadurch eine unbewusste Ausgrenzung stattfindet. Junge Frauen befassen sich intensiv mit sozialen (Problem-) Lagen und mediale, digitale sowie kulturelle Bereiche sind Teil ihres Alltags. Diese Auseinandersetzung begründet sich zum einen berufsspezifisch und zum anderen aufgrund von noch vorherrschenden Rollenbildern, Anforderungen oder auch Herausforderungen an Mädchen und junge Frauen. Trotz geschlechterreflektierender Angebote im schulischen, privaten und beruflichen Kontext wie beispielsweise MINT-Programmen oder dem Girls Day und dem Versuch, binäre Denkstrukturen und vorherrschende Geschlechterstereotype aufzubrechen, fallen die Berufswünsche und -wege junger Frauen sehr stereotyp aus. „[…]Frauen wählen auch deswegen eher traditionelle Arbeitsfelder, weil dort mehr Frauen sind. So müssen sie mit weniger Widerständen ihrer Umgebung rechnen und können sich mehr Unterstützung erhoffen, als in „männlichen“ Arbeitsfeldern, Tätigkeiten oder Berufen. Ebenso lässt sich natürlich auch „Ärger vermeiden“, wenn bestimmte höhere Funktionen / Positionen gar nicht erst angestrebt werden.“[2] Viele junge Frauen suchen sich Ausbildungs- oder Studienbereiche, die im Dienstleistungssektor oder im sozialen, pflegenden Bereich verankert sind und streben hierbei auch nicht immer Führungspositionen oder leitende Tätigkeiten an.

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Handwerk, Technik, Wirtschaft, Finanzen sind noch immer männerdominierte Branchen und genau in diesen findet Strukturwandel gegenwärtig statt und wird diskutiert. Vorwurfsvoll lässt sich also formulieren, dass der Strukturwandel Lebenswelten von Frauen keine Berücksichtigung schenkt und gleichstellungspolitische Fragen und Gedanken nicht aktiv mitgedacht werden. Wenn der Strukturwandel darauf zielt, eine vielfältige Zielgruppe partizipatorisch mitwirken zu lassen, dann muss sich der Wandel folglich auf alle Strukturen beziehen, weitergedacht werden und soziale, ökologische und kulturelle Bereiche aktiv berücksichtigen. Eine Stadt oder Region gewinnt nicht nur an Attraktivität oder verbessert das eigene Image durch die Existenz von wirtschaftlichen und finanziellen Ressourcen, sondern durch die Verbesserung von Rahmenbedingungen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dem Vorhandensein zahlreicher Kultur- und Freizeitangebote und vor allem durch die Aufwertung, Wertschätzung und entsprechende Entlohnung von sozialer Arbeit. Gerade die Folgen von Corona haben gezeigt, wie wichtig die zwischenmenschliche Arbeit ist und welchen hohen Stellenwert Beziehungs- und Sozialstrukturen haben. (Junge) Frauen entwickeln ein Zugehörigkeits- und Identitätsgefühl aufgrund von Beziehungsstrukturen und positiven Erlebnissen; sprich sie setzen jegliche Entwicklungen und Gegebenheiten in Kontext zu ihrem Lebensalltag. Strukturwandel beinhaltet somit eine starke emotionale Komponente, die nicht zu unterschätzen ist und der sich alle Beteiligten stellen müssen.

„Keine Ahnung, was Strukturwandel genau meint – geht es da um Umwelt, Menschen, Gesellschaft? Ich glaub, das meint vor allem die Situation mit der Braunkohle.“[3]

Die Unsicherheit und das fehlende Wissen zum Strukturwandel, zeigen auf, dass dieser eine gesamtgesellschaftliche Kooperationsaufgabe darstellt und nur alle Zielgruppen bewegt und anspricht, wenn sich Wirtschaft, Finanzwelt, Politik, Bildung und soziale Arbeit ihrer gemeinsamen Verantwortung bewusst werden, sich in Netzwerken zusammenfinden und gemeinsame  (Entwicklungs-) Angebote schaffen. Wirtschaft und Politik müssen also sowohl für die Belange der jungen Menschen sensibilisiert werden, als auch für die vielfältigen Lebenslagen von Frauen. Alters-, zielgruppen- und geschlechtergerechte Ansprache und Planungsprozesse sind unverzichtbar. Bund- und länderübergreifendes Agieren, Begegnung auf Augenhöhe, Offenheit für Neues und das Einbeziehen der Menschen, sowie das Weiterdenken von Bildungsprozessen und Kompetenzen sind die Schlüsselwege, um junge Menschen zu begeistern. Der Strukturwandel muss weniger „abstrakt“ sein und für junge Menschen griffiger werden. Schule und Freizeiteinrichtungen können eine ergänzende Schnittstelle darstellen und der Politik und Wirtschaft lebensweltnahe Wege aufzeigen. Projekttage, Kooperationsevents, niedrigschwellige Bildungs- und Präventionsangebote und die Stärkung von jugendlichem Engagement innerhalb des (Schul-)Alltags gewährleisten eine aktuelle Auseinandersetzung mit dem regionalen und aktuellen Zeitgeschehen. Dabei ist nicht zu unterschätzen, welche wichtige Rolle weibliche Führungs- und Fachkräfte als Multiplikatorinnen spielen. Das Aufzeigen von starken weiblichen Erfolgsgeschichten innerhalb einer Region steht für eine gelungene Gleichstellungspolitik, Chancen, Perspektiven und Vielfalt.

Strukturwandel ist ein von Menschen geschaffener Prozess und kann nachhaltig nur dann für Alle wirken, wenn der Mensch in seiner Vielfalt ganzheitlich eingebunden wird.

[1] Zitat: Lea K., 19 Jahre

[2] Jacob, Kerstin: Frau Schneider macht die Beratung, Herr Müller schreibt das Konzept. – Geschlechterstrukturen im Beruf der Sozialen Arbeit. S. 60-69, in: Matthies, Aila-Leena / Mingerzahn, Frauke / Armbruster, Reinhard M. (Hrsg.): Weiblichkeit und Männlichkeit in der Sozialen Arbeit. Magdeburger Reihe Bd. 14. Hochschule Magdeburg-Stendal 2004. S. 66.

[3] Zitat: Kim M., 21 Jahre

Die Autorinnen…

… Marlen Berg (36, MA Erziehungswissenschaft/Literaturwissenschaft) und Franziska Reifenstein (30, BA Soziale Arbeit), gebürtig aus Cottbus, bilden seit 5 Jahren das pädagogische Team des Mädchenprojekts MiA – Mädchen in Aktion. Neben der mädchen- und frauenpolitischen Arbeit innerhalb des Frauenzentrum Cottbus e. V. arbeiten sie zudem innerhalb der Kinder- und Jugendlandschaft der Stadt Cottbus, sind aktiv in sozialen und kulturellen Vereinen tätig und sehen gemeinsam Interessensschwerpunkte in der medienpädagogischen Arbeit. Gemeinsam bedienen sie einen Livestream mit sexualpädagogischer Ausrichtung, stärken Jugendbeteiligungsprozesse und haben intensives Interesse an dem Auf- und Ausbau der regionalen Netzwerkkultur.

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Fotos: MiA – Mädchen in Aktion

 
 

WENN IHR STARKER ARM ES WILL

Ullrich Heinemann hat 46 im und für den Lausitzer Bergbau tätige Frauen an ihren Arbeitsplätzen fotografisch porträtiert. Die Wanderausstellung war von 2018 bis 2020 im Revier zu sehen. Heike Irion hat sich die Ausstellung angesehen und ausführlich mit Heinemann sprechen können. Eine persönliche Annäherung an ein kontroverses Thema.

Der respektvolle Blick

„Es geht nicht um mich“, sagt Ullrich Heinemann, als wir uns an einem sonnigen Oktobermorgen im Gemeindehaus von Neuhausen/Spree hinter unseren Mund-Nasen-Masken unterhalten. Hier stehen die Frauen im Mittelpunkt seiner großformatigen Fotografien, dafür war er bei manchen Bildern auch bereit, eigene Ansprüche an die Komposition zurückzustellen. Ebenso uneitel zeigten sich die Porträtierten. So, wie er sie antraf, in Verwaltungsgebäuden, neben riesigen Anlagen, im Tagebau, zum Teil verschwitzt und verstaubt. Mit großer Selbstverständlichkeit stehen sie da, vor „ihren“ Geräten und Anlagen, vor dem Bildschirm, der Halde. Mit Helm, mit Multimeter, auf der Kanzel, am Steuer. Auf vielen der Aufnahmen leuchtet das Orange der Firmenkleidung. Am eindrücklichsten aber sind die Gesichter.

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„Frauen im Lausitzer Revier“ heißt die Fotoausstellung, und ins Revier ist Ullrich Heinemann für seine Porträts gegangen. Er war selbst bis zur Pensionierung im Lausitzer Bergbau tätig, noch heute begleitet er Besucher*innengruppen durch den Tagebau Welzow-Süd, man kennt sich. „Ich habe wahnsinnige Hochachtung vor diesen Frauen, die in drei Schichten, Tag und Nacht, dafür sorgen, dass wir stabil Strom haben, und das oft noch zusätzlich zu Haushalt und Familie“, erklärt der Fotograf. Diese Haltung spricht sowohl aus seinem Auftreten als auch aus seinen Bildern.

Sein so respektvolles Frauenbild habe er von zu Hause mitbekommen, wo Vater und Mutter liebevoll vorlebten, dass Männer und Frauen gleichwertig sind und gleichberechtigt sein können. Mit dieser Einstellung ist er auf die Frauen im Tagebau zugegangen.

Gesicht zeigen

Viel Überzeugungsarbeit habe es nicht gebraucht, die Mehrzahl der Kolleginnen war schnell bereit, sich porträtieren zu lassen. Hilfreich war dabei sicherlich das aktive Mitwirken von Silke Butzlaff, Eimerketten-Baggerfahrerin im Tagebau Welzow-Süd. Gemeinsam mit Heinemann erarbeitete sie die Idee zum Projekt und verbreitete diese unter den Kolleginnen. Sie vermittelte Kontakte und begeisterte die Frauen. Wenn Heinemann auf Schicht nach einem verabredeten Fototermin noch eine weitere Kollegin für ein spontanes Shooting vor Ort ansprach, dann wusste auch diese bereits Bescheid über das Projekt.

Für Butzlaff war „Ende Gelände“ im Jahr 2016, die Besetzung und Blockade des Kraftwerks Schwarze Pumpe durch Umweltaktivst*innen Anlass, etwas tun zu wollen: Die Kumpel sollten mit ihrem Porträt für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze einstehen, der Braunkohle ein menschliches Antlitz geben. Diese Idee konnte nicht realisiert werden, aber es wurde aus ihr das Thema „Frauen im Lausitzer Revier“ geboren. Mit Würde und Anstand wolle er die Wertigkeit der Arbeit dieser Frauen zeigen, erzählt Heinemann, das sei sein Hauptanliegen gewesen.

Mit selbstbewusstem Blick zeigen sich die 46 Kolleginnen, jede an ihrem Arbeitsplatz, in Arbeitskleidung, so, wie sie sich vor Schichtbeginn selber geschminkt haben oder nicht, in den meisten Fällen nur mit natürlichem Licht fotografiert. Von der Verwaltungsassistentin bis zur Ingenieurin ist eine möglichst breite Palette der Berufe im Tagebau vertreten, auch das war Heinemann wichtig. Von zwei Auszubildenden Mechatronikerinnen bis zu noch in der DDR ausgebildeten Baggerfahrerinnen, die in absehbarer Zeit aus dem Berufsleben ausscheiden werden, sind alle Altersgruppen vertreten. Auffallend ist dabei, dass die Mehrzahl der abgebildeten Frauen in hochqualifizierten und hochspezialisierten Positionen tätig ist.

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Beim Betrachten fällt mir auf, dass viele dieser Arbeitsplätze eines gemeinsam haben: Viel Technik. Wenig Mensch. Dort kontrolliert eine Kollegin tonnenschweres Gerät, tausende Megawatt Strom auf Knopfdruck. Ihre Kompetenz und ihr Stolz sind diesen Frauen ins Gesicht geschrieben, diesen Frauen, die im Alltag für uns unsichtbar souverän sehr große Verantwortung tragen.

Die Bilder vermitteln den Eindruck, dass jede einzelne dieser Frauen ohne Zögern die Gelegenheit ergriff, sichtbar zu werden, sich und ihre Leistung zu zeigen. Nur vier von 50 fotografierten Frauen gaben am Ende kein Foto für die Ausstellung frei.

Energiegewinnung aus Braunkohle ist ein Auslaufmodell, aber: „Solange es politisch gewollt ist, machen sie diese wichtige Arbeit“, kommentiert Heinemann, „ich ziehe den Hut vor dieser Verantwortung, das sind alles starke Frauen.“ Die sich zufrieden zeigten, im Reinen mit sich und ihren Berufen, fröhlich, was das Leben ihnen auch an Schwierigkeiten bereite. Ich sehe in ihre Gesichter während wir uns unter der hellen Lampe im Verwaltungsflur unterhalten: die Feuerwehrfrau, die Industrieelektronikerin, die Gleisarbeiterinnen, und mir wird sehr bewusst, dass Strom von Menschen gemacht wird.

Ullrich Heinemann wird die Fotos bald einpacken und bei sich zu Hause einlagern, die Reise seiner Ausstellung ist vorerst beendet. Vernissage war im November 2018 im Kraftwerk Schwarze Pumpe (das traf sich terminlich fast auf den Tag mit dem 100-jährigen Jubiläum der Erringung des Frauenwahlrechts in Deutschland, bemerkt Heinemann schmunzelnd), im Juli 2019 zog die Ausstellung weiter nach Boxberg, ab September 2020 sollten die Fotos eigentlich im Kraftwerk Jänschwalde zu sehen sein, was die Corona-Pandemie verhinderte, sodass sie zuletzt verlängert in der Gemeindeverwaltung Neuhausen/Spree hingen.

Wenn es nach Heinemann ginge, könnte seine Ausstellung weiter wandern, auch über sein Revier hinaus: „Die Porträts müssten auch in anderen Orten gezeigt werden, z. B. in der Energiefabrik Knappenrode oder sogar im Deutschen Bergbaumuseum in Bochum.“ Beiden würden diese kraftvollen Bilder sicher gut stehen.

Vom Revier ins Studio

Ein bleibendes Zeugnis der „Frauen im Revier“ liegt neben mir, während ich diese Zeilen tippe. Ein Projekt, das aus dem ursprünglichen Fotoprojekt geboren wurde, nämlich ein Kalender 2020, in dem sich 12 der 46 Frauen nochmals vor Heinemanns Kamera begaben. Diesmal im zum Studio umfunktionierten Hobbyraum im Keller seines Hauses bzw. in dessen Garten.

Jede der Frauen hatte freie Hand bei der Auswahl ihrer Kleidung und beim Styling, das eine befreundete Stylistin übernahm, und alle 12 entschieden sich für großen Kontrast zu den ersten Bildern. In zum Teil betont weiblicher Kleidung, auffallender geschminkt, die Haare frisiert, geschmückt, zum Teil sehr privat. Im Brautkleid. Im Dirndl. Als Clown.

Tine Jurtz Fotografie 2020 10 9191 768x1152

Auch im Blick hat sich etwas verändert. Mir fallen meine Jahre in einem „Männerdomäne“-Beruf ein, und wie ich mir mit der Arbeitskleidung zugleich jedes Mal meine Arbeitspersönlichkeit überzog. Eine solche legen sich alle Berufstätigen zu, für Frauen in „Männerberufen“ ist es aber nochmal besonders. Ich sehe im Vergleich jetzt deutlich, dass sich die Frauen im Revier bei Schichtbeginn mit der Firmenkleidung auch ihr Schichtgesicht anziehen.

Unter den großen Studio-Porträts zeigt der Kalender im kleineren Format Heinemanns Fotos der Frauen am Arbeitsplatz, gerahmt von dramatischen Weitwinkel-Fotos dieser Arbeitsplätze in den Tagebaulandschaften. Zumindest im Kleinen bleiben also einige der Fotos noch eine Weile sichtbar.

Die heiße Kartoffel Kohle, oder: Strukturwandel?

Ich fahre zurück in die Stadt, die ihre Stromversorgung zum Großteil auf erneuerbare Energien umgestellt hat[1] – beeindruckt, berührt, im Kopf sich neu formende Fragen.

Es fällt mir leicht, diese Frauen und ihr Können, ihre Lebensleistung zu respektieren. Ich möchte mich verführen lassen von diesem Gedanken: Die machen da nur ihre Arbeit, die Entscheidung treffen ja andere. Zugleich erkenne ich, wie problematisch er ist.

Kaum ein Berufsfeld bringt – für ganze Regionen – so viel Identität und Identifizierung mit sich wie die Kohle. Ich bin nahe am Ruhrgebiet aufgewachsen, war mit Bergmannskindern befreundet, ich habe die Arbeitskämpfe in der Stahlindustrie und in den Gruben hautnah erlebt. Im Schacht musst du dich absolut aufeinander verlassen können, das schafft Gemeinschaft, das formt Menschen. Die Arbeit ist schwer und gefährlich, aber du machst sie, damit alle anderen im Land es warm haben. Das war viele Jahrhunderte lang wahr.

Auch im Braunkohle-Tagebau ist die Arbeit für viele Kolleginnen noch hart. Sie gehen da raus, bei jedem Wetter, es ist laut und staubig. Der Zusammenhalt, der Stolz dieser Kolleginnen ist über Jahrhunderte gewachsen, ihre Tätigkeit hat der Lausitz vielerorts ihr heutiges Gesicht gegeben. Natürlich wünsche ich den Kumpeln hier, dass ihre Leistung wertgeschätzt wird. Den Frauen der DDR-Generationen mit diesen ausdrucksstarken Gesichtern, in die so viel Leben gezeichnet ist, natürlich wünsche ich ihnen, dass sie ihre letzten Berufsjahre ohne großen Umbruch absolvieren dürfen.

„Wir haben hier ja schon einen Ausstieg mitgemacht“, sagt Heinemann, damals in den 1990ern, als achtzig Prozent der Kapazitäten runtergefahren wurden. Die Region hat bewiesen, wie in diesem Bruch neue Höchstleistung aufblühen konnte. Damals wurde aber auch viel gerettet. Ganze Orte, Ortsteile und Landschaften vor der bereits geplanten Abbaggerung.

Was für eine verpasste Chance, denke ich. Diese Kompetenzen und Technologien mussten damals nicht zwangsläufig zum Braunkohleabbau (weiter-)entwickelt werden, das war eine Entscheidung. Eine Entscheidung im Angesicht schon damals alarmierender CO2-Emissionen und düsterer Prognosen für Klima und Menschheit.

Sie ist politisch gewollt, diese Tagebau-Braunkohle, sonst würde die Energiewende nicht wieder und wieder verschoben werden. Vom Strukturwandel sei hier im Revier noch nichts zu spüren, attestiert Heinemann, keine sichtbaren Anstrengungen würden unternommen, um eine Umstellung auf erneuerbare Energien vorzubereiten.

Ich denke an diese Gesichter der Braunkohle und denke, dass das Wissen und Können der hier gezeigten Frauen und ihrer Kolleg*innen sicher auch in anderen Bereichen gut genutzt werden könnten, zum Beispiel um genau diesen Strukturwandel einzuleiten und umzusetzen. Ich denke: Wie oft wurden und werden notwendige Veränderungen von Frauen bewirkt – das ist ein Gespräch, das ich mit den Frauen selber führen möchte.

[1] Quelle: https://www.stadtwerke-goerlitz.de/fileadmin/docs/pdf/privatkunden/strom/Vero%CC%88ffentlichungen/Stromkennzeichnung_2018_20191206.pdf

Tine Jurtz Fotografie 2020 10 9339 768x512

Ullrich Heinemann…

… Jahrgang 1947, hat im Kaliwerk Roßleben in Thüringen gelernt und war von 1974 bis 2001 im Lausitzer Revier in unterschiedlichen Funktionen tätig. In den Jahren 1978/79 absolvierte er über den Kulturbund der DDR die Ausbildung zum fotografischen Zirkelclubleiter und leitete bis zur Wende den Fotoclub „Glück auf“ im Kulturhaus der Bergarbeiter Cottbus, der zwei Mal die Goldmedaille bei den Arbeiterfestspielen gewann. Im Vorruhestand gründete und leitete er seit 2006 einen zweiten Fotoclub „Glück auf“, dessen sechs Mitglieder in zehn Jahren 25 Ausstellungen produzierten. Diese wurden u. a. in Stockholm, Potsdam und verschiedenen Städten der Lausitz gezeigt. Die hier besprochene Ausstellung ist seine erste Porträtausstellung.

Interessierte können ihn als Gästeführer im Tagebau Welzow-Süd antreffen.

Heike Irion…

… Jahrgang 1975, wuchs in der Nähe des Ruhrgebietes auf und kam über Berlin und England 2016 in die Lausitz. Sie hat eine Ausbildung als Fremdsprachenkorrespondentin und einen englischen Bachelor als Event Designerin und Produzentin. Sie ist seit 15 Jahren freiberuflich kulturschaffend tätig, u. a. als Regieassistentin, Übersetzerin, Pyrotechnikerin und Autorin. Seit 2020 lebt sie mit Mann und Kind in Görlitz.

Fotografische Begleitung des Interviews…

… von Tine Jurtz

ATTRAKTIVE ARBEITGEBER IN DER LAUSITZ – WELCHE ROLLE SPIELEN DABEI MODERNE ARBEITSMODELLE?

Wie sehen zeitgemäße Arbeitsformen aus, die den agilen Anforderungen unserer VUCA-Welt (volatil, unsicher, komplex, mehrdeutig) und den Ansprüchen der Generation Y nach Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben entsprechen? Ein Text von Vivien Eichhorn, Wertewandel e. V.

Laut einer auf Statista veröffentlichten Umfrage legen 48% der Befragten bei der Wahl ihres zukünftigen Arbeitgebers sehr viel Wert auf gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Familienfreundlichkeit wird damit nach dem Betriebsklima zum zweitwichtigsten Faktor der Arbeitgeberattraktivität. Hier setzt das Programm „Triple A – Arbeitgeber-Attraktivität durch flexible Arbeitsmodelle” der gemeinnützigen Organisation “Wertewandel – soziale Innovationen und demokratische Entwicklung e.V.” an. Das Projekt fördert kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in der Lausitz, die durch den Strukturwandel und die damit einhergehenden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt vor großen Herausforderungen stehen. Für die Unternehmen stellen Personalrekrutierung und -bindung die wichtigsten Zukunftsinvestitionen dar, da ihr Erfolg immer stärker von den Mitarbeitenden, deren Qualifikationen, Kompetenzen und ihrer Innovationsfähigkeit abhängig sein wird.

“Auch wir als Projektträger in der Lausitz stellen uns die Frage: Wie attraktiv sind wir als Arbeitgeber?”, sagt Corry Kröner vom Wertewandel e. V.“ Als wir uns vor etwa vier Jahren über unsere Vorzüge als Arbeitgeber Gedanken machten, war schnell klar: zum einen sind es die innovativen Themenfelder, in denen wir arbeiten, zum anderen bieten wir unseren Mitarbeiter*innen die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen wir durch flexible Arbeitszeitmodelle und mobiles Arbeiten. Zudem beobachten wir, dass sich vorrangig hochqualifizierte Frauen auf unsere Stellenausschreibungen bewerben. Sie wollen an relevanten Zukunftsthemen mitarbeiten und das mit ihrem Privatleben vereinbaren können. Hinzu kommt, wir haben uns bewusst für Agilität und Selbststeuerung von Mitarbeiter*innen und Teams entschieden.

Bild 1 CorryVivien 768x754

Als Organisation reagieren wir damit einerseits auf die hochdynamische und volatile Arbeitswelt. Andererseits bedeutet es, das agile Mindset in unserer Organisation zu fördern und zu leben. Ziel ist es, autonomes und selbstbestimmtes Arbeiten als zentralen Wert ins Unternehmen zu tragen. Dies trifft den Zeitgeist und damit lässt sich erklären, warum wir trotz der schwierigen Rahmenbedingungen ein attraktiver Arbeitgeber für die Generation Y und für Frauen sind. Wir sind stolz, Unternehmen in der Lausitz weiterzuentwickeln und sie dabei zu unterstützen, sich zukunftsorientiert aufzustellen.” Im Rahmen des ESF Bundesprogramms „Fachkräfte sichern und Gleichstellung fördern“ begleitet Wertewandel e. V. schon seit mehreren Jahren KMU in der Lausitz, die sich zum Ziel gesetzt haben, ein gleichstellungsorientiertes Personalmanagement einzuführen, den Anteil von Frauen zu erhöhen und Voraussetzungen für bessere Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen zu schaffen. “Durch Einführung einer auf die Lebensphasen der Beschäftigten abgestimmten Personalpolitik, die sowohl die Bedarfe der Unternehmen als auch der Beschäftigten berücksichtigt, werden Frauen und Männern während und nach der Familien- und Elternzeit persönliche und berufliche Entwicklungen ermöglicht”, erklärt Corry Kröner.  Im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter*innen müssen Unternehmen der Lausitz heute ihre Wettbewerbsvorteile kennen und die Attraktivitätsmerkmale transparent nach außen tragen.

Ein positives Beispiel für heute erforderliche Veränderungsprozesse ist die Little John Bikes GmbH aus Dresden, eines der teilnehmenden Unternehmen im “Triple A – Projekt“. Das Traditionsunternehmen ist im Bereich des Fahrradeinzelhandels tätig und beschäftigt heute 246 Mitarbeiter*innen in bundesweit über 30 Filialen, darunter mehrere Filialen in der Lausitz. Ivonne John ist Unternehmerfrau und arbeitet von Beginn an im Familienbetrieb mit. Begonnen hat sie in der Buchhaltung, später wechselte sie in den Einkauf.

Ivonne John & Steffen John – Little John Bikes GmbH

Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, brachte sie manchmal auch an ihre Grenzen. Anfangs arbeitete Sie in Vollzeit und absolvierte “nebenbei” noch eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten. 2004 wurde sie zum ersten Mal Mutter und blieb ein Jahr zu Hause. Anschließend stieg sie in Teilzeit wieder in den Familienbetrieb ein. Die Firma expandierte weiter. 2011 kam dann ihr zweites Kind. Ursprünglich wollte Ivonne John vorübergehend ganz aus dem Unternehmen ausscheiden, aber in Zusammenarbeit mit dem Einkaufsleiter entwickelte sie ein für sich und das Unternehmen passendes Teilzeitmodell. Sie wechselte den Bereich, reduzierte bewusst ihre Stundenzahl auf 20 Stunden und arbeitet öfter mobil, um mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Damit konnte sie ihre familiären mit den beruflichen Bedürfnissen verbinden und dem Unternehmen bleibt eine erfahrene Mitarbeiterin erhalten. “Prinzipiell ist unsere Branche männerdominiert”, berichtet Ivonne John. “In unserer Verwaltung ist das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeitenden ausgeglichen. Im Bereich Verkauf und Werkstatt leider nicht. Da besteht noch sehr viel Potenzial. Wir als Unternehmen sind der Überzeugung, dass Frauen inhaltlich andere Ansätze und Denkweisen mitbringen und deshalb stets daran interessiert, diese auch zu fördern. Ein aktuelles Beispiel ist die Einstellung unserer ersten FilialleiterIn in Güstrow. Wir wollen Frauen die Möglichkeit bieten, wieder in die Erwerbstätigkeit zu treten.” Ein gutes Beispiel und ein wichtiges Handlungsfeld für eine Politik der Chancengleichheit im Unternehmen.

Little John Bikes GmbH

Wertewandel e. V. begleitet ein anderes Unternehmen derzeit im Rahmen des Projekts „Triple A“ den Aufbau und die Gründung eines unternehmensinternen Frauennetzwerkes. Es soll Frauen auf dem Weg zu Führungspositionen Mut machen und ihnen Erfahrungsaustausch und Unterstützung bieten, denn noch gibt es viele Aspekte, die es zu verbessern gilt. So beispielsweise das Aufbrechen von Stereotypen. Noch immer wird in Unternehmen häufig in traditionellen Geschlechterrollen gedacht. Stereotype sind oft noch tief im Berufsalltag eingegraben. Für eine Veränderung werden Rollenvorbilder benötigt. Das können Männer sein, die Elternzeit in Anspruch nehmen oder Frauen, die Führungspositionen in männerdominierten Branchen übernehmen. Die aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung „Wer gewinnt? Wer verliert?“ zeigt, dass gerade Mütter in Bezug auf Chancen und Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt das Nachsehen haben. Bei ihnen führen Kinder immer noch zu einer deutlichen Minderung des Lebenserwerbseinkommens, wogegen sich das bei Vätern nur gering auswirkt. Weder Frauen noch Männer sollen sich zwischen Beruf und Privatleben entscheiden müssen. Ziel der Arbeitgeber muss es sein, die Bedürfnisse von Mitarbeitenden in ihren Lebensphasen zu erkennen und entsprechende Angebote zu entwickeln. Jedes Unternehmen sollte sich daher mit lebensphasenorientierter Personalpolitik auseinandersetzen.

Workshop: Steigerung der Arbeitgeberattraktivität – Projekt „Triple A“

Als Projektinitiator und -träger von „Triple A“ ist Wertewandel e. V. stark daran interessiert, KMU aus der Lausitz in den Fokus zu stellen, Frauen aus diesen Unternehmen zu begleiten und sie in ihren Kompetenzen zu fördern. Ab Januar 2021 startet der zweite Durchgang in diesem Projekt, an dem auch Unternehmen teilnehmen werden, die bereits teilweise frauengeführt sind.

 Wir bedanken uns bei Ivonne John von Little John Bikes und bei Corry Kröner vom Wertewandel e. V. für das Gespräch.

Vivien Eichhorn…

… arbeitet seit 2016 als Projektmanagerin bei Wertewandel e. V., u .a. für das Bundesprogramm BIWAQ (Bildung, Wirtschaft und Arbeit im Quartier) im Handlungsfeld „Stärkung der lokalen Ökonomie“. In Zusammenarbeit mit der BTU Cottbus-Senftenberg aus dem Fachgebiet Stadtmanagement führte sie Primärforschung zum Kaufverhalten in Weißwasser durch, organisierte Prozessberatungen in KMU und Vernetzungsveranstaltungen.

Wertewandel – Soziale Innovation und demokratische Entwicklung e. V….

… realisiert Projekte in den Bereichen Stadt- und Regionalentwicklung, Fachkräftesicherung und Bildung/Qualifizierung, Innovationsförderung und Stärkung der Zivilgesellschaft.

Weitere Informationen zum Projektträger finden Sie unter: www.wertewandel-verein.de

 
 

DER AUFREGENDE DUFT DES NEUEN

Schon immer liebte ich es in eine weite Landschaft zu schauen. Die Entscheidung von Hessen in die Lausitz zu ziehen trafen mein Lebenspartner und ich im letzten Jahr. Wir wollten noch mal eine 180 Grad Drehung vollziehen. Ich bin nun 55 Jahre. Die weite Landschaft ist natürlich nicht der alleinige Grund. Ich habe vor 2 Jahren einen brachliegenden kleinen Dreiseitenhof in Buchwalde/Malschwitz von meinem Vater übernommen. Diesen hatte er vor vielen Jahren günstig erworben und wollte ihn verkaufen. Ich hatte spontan NEIN BLOß NICHT VERKAUFEN gerufen, diesen kleinen Rohdiamanten darfst Du nicht verkaufen! Er liegt wunderschön in einem kleinen idyllischen Örtchen an einem kleinen Flüsschen namens Ritschka. Ich hatte mich sofort verliebt in diesen Ort. Die Aura stimmte.

Bild Jutta

Ich bin viele Jahre freiberuflich als Innenarchitektin und Feng Shui Beraterin tätig gewesen und träumte lange schon von meinem eigenen Bauprojekt. Ich entwickelte sofort eine Projektidee für den Dreiseitenhof, der als Gärtnerei betrieben wurde. Es ist mir zunächst wichtig, die Menschen aus der Nachbarschaft und der Lausitz kennenzulernen und zu erfahren welche Bedürfnisse und Lebensideen vorhanden sind.

An diesem Ort könnte vieles wachsen und entstehen.

Wir haben in Görlitz in der Nikolaivorstadt eine Wohnung und ein Gewerbe angemietet. Ich habe einen Duftraum eröffnet, der Treffraum und Workshop werden soll. Hier möchte ich erstmal Fuß fassen und die Görlitzer einladen zu mir zu kommen, um über den Nutzen ätherischer Ölen für unsere Gesundheit zu lernen. Ich arbeite von hier aus und bin auch in ganz Deutschland unterwegs als Öle-Botschafterin.

Bild Landschaft

Vielleicht kann mein Dreiseitenhof irgendwann ein Ort der Begegnung, der Produktivität und Kreativität rund um das Thema Gesundheit MAKE YOUR BODY GREEN mit einem OFFLINE Seminar und Workshop- Angebot werden. Dazu benötige ich Geld 🙂 ….Ich bin Unternehmerin und arbeite für meine Vision. Ein Dach ist erneuert, eine Biokläranlage eingebaut und nun mähen und entrümpeln wir… lernen unsere Nachbarn kennen, manchmal kommen die Kühe vom Bauern Graf zur Unterstützung auf meine große Wiese zum Abgrasen.

Schaut in diese weite wunderschöne Landschaft!

Herzlichst

Jutta

Jutta’s Duftraum in Görlitz

… ist online unter http://www.jid-aromastar.de zu finden.

Jutta Intro Card vornDRUCK 300x151

„DER AUFBRUCHSGEDANKE IST IMMER NOCH DA!“

Als mir meine Freundin Marie vom Projekt F wie Kraft erzählt hat, musste ich sofort an Grit Lemke und ihren Film „Gundermann Revier“ denken: eine engagierte Frau, die aus der Lausitz stammt, in der Welt aktiv ist und sich filmisch mit ihrer Heimatregion auseinandersetzt. Ein paar Mails und Whatsapp-Nachrichten später treffen wir uns zum Zoom-Interview und sie erzählt mir von dem Film, ihren Gedanken zur Lausitz als ehemalige Utopie und die Möglichkeiten, die sie für die Region sieht.

Grit Lemke wurde in Spremberg geboren und wuchs in Hoyerswerda auf. Nachdem sie für das DOK Leipzig, das Sheffield Doc/Fest und das Filmfestival Cottbus gearbeitet hat, wandte sie sich der produktiven Seite der Filmarbeit zu. Ihr erster Langfilm „Gundermann Revier“ erschien 2019 und wurde für den Grimme-Preis 2020 nominiert. In Archivbildern, Ausschnitten aus DDR-Aufbau- und Dokumentarfilmen sowie Interviews mit den Mitgliedern der Brigade Feuerstein und den Musiker*innen sowie Wegbegleiter*innen um Gundermann erzählt er von der Zeit vor und nach der Wende. Lemke zeichnet ein Bild von Menschen in der Lausitz, die von der Person Gundi Gundermann und seiner Musik ebenso wie vom Leben mit der Braunkohle geprägt wurden.

Grit Lemke © Börres Weiffenbach

Die Lausitz ist Ihre Heimat. Was ist das Erste, das Ihnen einfällt, wenn Sie an die Lausitz denken?

Grit Lemke: Das sind Kindheitsbilder, aus Spremberg, aus dem Dorf. Ein kleiner Weg mit  einer Blumenwiese davor, ein paar Häuser. Also eine klassische idyllische Kindheitserinnerung. Viele Kinder, Bäume im Garten, draufklettern, rumrennen, sowas. Also, Geborgenheit eigentlich!

Mittlerweile arbeiten Sie für das Filmfestival Cottbus, sind Mitglied im Filmnetzwerk Łužycafilm und Regisseurin des Films „Gundermann Revier“. In was für einer Rolle sehen Sie sich denn in Bezug zur Lausitz?

Grit Lemke: Ich sehe mich in einer Vermittlerrolle. Es ist mir in den letzten Jahren bewusst geworden, dass es gar nicht so viele Leute gibt, die sich einerseits in der Lausitz verwurzelt fühlen und eine Art Heimatliebe mitbringen und die trotzdem – so wie ich – international verankert sind. Ich habe viele Jahre bei DOK Leipzig das Programm geleitet und war bei den großen Festivals der Welt zu Hause. Mein zweites Standbein ist ganz woanders, wodurch ich einen Blick von außen gewonnen habe. So habe ich vieles anders einordnen können als die Leute in der Lausitz. Mir fällt auf, dass sie dazu neigen, alles klein zu machen, was es dort gibt. Ich weiß, dass es nicht klein ist und finde alles super spannend. Ich sehe mich also in einer Vernetzungsrolle. Wenn es um Film in der Lausitz geht, was mich in den letzten Jahren am meisten beschäftigt hat, dann sehe ich meine Aufgabe darin, diesen zu professionalisieren. Ich sehe in der Lausitz ganz viel Potential und tolle Geschichten, aber es läuft überhaupt nicht professionell ab. Ich habe in den letzten Jahren immer mal wieder etwas mit den Leuten in der Lausitz gemacht, nicht nur den Film. Und ich merke, dass ich gewöhnt bin, ganz anders zu arbeiten. Einfach aus den Zusammenhängen heraus, in denen ich die letzten dreißig Jahre gearbeitet habe. In der Lausitz geht es dann doch eher langsam zu, man ist weniger vernetzt… das fängt jetzt gerade erst an. Und was ich mitbringen kann ist, dass ich ein Bein in der Lausitz habe und eins außerhalb.

Die Braunkohlereviere prägen die Lausitz (www.gundermannrevier.de)

Wie kamen Sie denn auf die Idee, den Film zu machen?

Grit Lemke: Das war gar nicht meine Idee, muss ich tatsächlich sagen. Das war die Idee der Produktionsfirma und ursprünglich sollte es eine andere Autorin machen, die dann doch nicht konnte. Ich bin wirklich so reingerutscht. Ursprünglich sollte ich nur beraten, aber es wurde immer klarer, dass es auch meine Geschichte ist und dass ich einen Insiderblick mitbringe. Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit der ganzen Thematik zu Gundermanns Leben und Werken in der Lausitz. Abgesehen davon, dass ich Gundermann kannte und mit der ganzen Brigade Feuerstein befreundet war und bin, habe ich für die Kulturfabrik in Hoyerswerda die Gundermann Schaltzentrale mit konzipiert und kannte daher viel Archivmaterial. Dazu habe ich mich in den letzten Jahren mit Hoyerswerda und der ganzen Utopie der Aufbaugeneration beschäftigt. Ich habe viele Interviews geführt und arbeite seit einigen Jahren an einem Buch dazu… ich war also schon sehr in der Geschichte drin und konnte das alles relativ schnell in den Film bringen. Wir hatten für den Film nur circa ein halbes Jahr Zeit. Und das hat auch funktioniert, weil ich mich generell mit dem Thema beschäftige.

Und welche Bedeutung hat der Film für die Lausitz?

Grit Lemke: Es ist der erste abendfüllende Kinofilm, der von jemandem aus der Lausitz über die Lausitz gemacht wurde. Das ist tatsächlich eine Art Meilenstein. Dass wir unsere eigenen Geschichten erzählen, das gab es bis jetzt nicht. Man muss sich ansehen, was es zum Beispiel für eine reichhaltige Filmszene in Bayern gibt, mit Filmstrukturen und Filmförderung. Wir sind fast die einzige Region, die so etwas nicht hat Und das, obwohl wir kulturell gesehen eine der reichsten Regionen in Deutschland sind, weil wir nicht nur eine, sondern zwei Kulturen haben. Wenn man also nach der Bedeutung des Films für die Lausitz fragt, könnte man sagen, es ist der Anfang von etwas. Der Film ist ja auch international wahrgenommen worden und dadurch ist es von jetzt an vielleicht leichter, solche Geschichten zu erzählen. Einer muss ja den Anfang machen. Ich arbeite mittlerweile auch an einem neuen Filmprojekt und muss dort nicht mehr erklären, wer ich bin und was ich mache. Die Aufmerksamkeit ist schon da. Insofern ist der Film nicht nur für mich ein Anfang, sondern für die Region.

Sie haben selbst gesagt, es gab eine Utopie, die damals gelebt wurde. Man sieht auch im Archivmaterial im Film, dass Hoyerswerda eine aufstrebende, kinderreiche Fortschrittstadt in der DDR war. Ist denn davon noch etwas übrig?

Grit Lemke: Davon ist ganz viel übrig! Die Stadt hat einen beispiellosen Aufstieg erlebt und genau so einen beispiellosen Abstieg. Wenn man in drei Jahrzehnten mehr als die Hälfte der Einwohnerschaft verliert, ist das Wahnsinn. Trotzdem sind der Aufbruchsgedanke und dieser Geist in der Stadt immer noch da. Es ist natürlich nicht mehr so wie es mal war, so wie ich es als Kind erinnere. In den 70er Jahren hat es wirklich die ganze Stadt umfasst: der Gedanke, man baut hier etwas neues Tolles auf. Natürlich gab es in den 80er Jahren zunehmend eine Enttäuschung, weil es dann doch nicht so toll wurde. Und es ging immer weiter mit der Enttäuschung. Aber es gibt immer noch diese Leute und diesen Gedanken: Hier ist nichts, deshalb müssen wir uns selbst etwas schaffen! Es gibt die Kulturfabrik und den Bürgerchor. Dieser war mir extrem wichtig im Film, um zu zeigen, dass die Lieder von Gundermann da angekommen sind, wo er sie haben wollte. Das ist eine Selbstermächtigung, eine Art Empowerment! Es gibt immer wieder Initiativen und es entsteht immer wieder etwas Neues. Selbst wenn man weiß, dass es ein extrem hohes Durchschnittsalter gibt und die jungen Leute weggehen, gibt es so eine Art Pioniergeist oder eine Chance mit dem Strukturwandel. Man muss nur aufpassen, dass es uns nicht wieder von außen aufgedrückt wird, was gerade eine große Gefahr ist. Aber in Hoyerswerda gibt es sie, die Experten dafür „Etwas Neues zu schaffen“ und „Immer wieder von vorne anzufangen“. Eigentlich sind das die absoluten Experten von Transformation, weil die Stadt darauf gegründet ist. Und das merkt man immer noch, finde ich.

Der Gundermann-Chor in Hoyerswerda (www.gundermannrevier.de)

Was für Chancen Sehen Sie für die Zukunft der Lausitz und für engagierte Frauen in der Lausitz, wie Sie selbst?

Grit Lemke: Welche Chancen die Lausitz hat, wird sich in den nächsten Jahren entscheiden. Und ob die Akteure selbst einen Fuß in die Tür bekommen werden. Ich habe oft erlebt, dass uns in Runden, in denen es um die Zukunft der Lausitz ging, Leute aus dem Westen vor die Nase gesetzt worden sind. Die Leute aus Hoyerswerda haben ihnen zugehört, dabei sind sie die eigentlichen Experten. Da ist, glaube ich, viel falsch gemacht worden. Die Frage ist jetzt, ob wir die Sache selbst in die Hand nehmen können. Es hat damit zu tun, dass es den Lausitzern an Selbstbewusstsein, Vernetzung und Know-How, wie man sich in Strukturen bewegt, fehlt. Aber Sachkompetenz gibt es ganz viel in der Lausitz. Insofern kann ich nur hoffen, dass wir endlich selbst über unsere Zukunft entscheiden dürfen. Was die Frauen betrifft, ist die Lausitz manchmal finsterstes Mittelalter, sprachlich und in Bezug auf Frauenbilder, die dort vorherrschen. Da steht der Lausitz noch ein langer Lernprozess bevor. Dabei sind die Lausitzerinnen ja keine verhuschten Mädels, sondern emanzipierte Frauen. Das ist ein Landstrich voll von tollen Frauen! Aber schön wäre es, wenn es insgesamt noch mehr Bewusstsein für das Thema Gendergerechtigkeit gäbe. In den lokalen Medien werden oft Bilder von Entscheiderrunden gezeigt, die nur aus Männern bestehen. Das gibt es nur noch in der Lausitz! Und das muss sich wirklich ändern. Da bin ich auch gern noch ein bisschen die Spielverderberin. (lacht)

Grit Lemke

… kann man als Moderatorin am 19. August in der Kulturfabrik Hoyerswerda beim Wahlkampftalk zur OB-Wahl in Hoyerswerda live oder über einen Online- Stream sehen. Kontakt mit Grit Lemke können Sie über ihre Website (www.gritlemke.de) oder per Mail aufnehmen (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.).

Eva Maas

… wuchs in Bautzen auf, studierte in Leipzig Kommunikations- und Medienwissenschaften im Bachelor und im Master World Heritage Studies an der Technischen Universität Cottbus. Neben und nach dem Studium arbeitete sie für diverse Filmfestivals, z.B. das interfilm Berlin und die Berlinale. Der Leidenschaft zu filmbezogenen Themen, Kultur und Female Empowerment will sie weiterhin treu bleiben und diese in ihre Heimatregion zurücktragen.

Quellen:
Zoom-Interview zwischen Eva Maas und Grit Lemke, vom 09.06.2020
Fotos: www.gundermannrevier.de
www.gritlemke.de

GENDER MACHT PROBLEME, SEX AUCH!

Auf dem Genderportal meinTestgelände.de sagen Jugendliche, was sie zu Geschlechterthemen bewegt

Was wir sind: Schlampen. Billige Nutten. Huren. Sünderinnen. Eiskalte Verführerinnen.
oder:
Kinder. Prüde Nonnen. Unreife Früchte. Frustrierte Lesben. Hässlich.

Am Anfang war die Nacktheit,
dann hat Eva den verdammten Apfel gegessen.
Selber schuld.
Seitdem teilen wir uns in Huren oder Heilige,
unsere Körper gehören nicht uns.

Unsere Röcke sind zu kurz, Ladies.
Wir verdienen es nicht besser.
Unsere Jeans sind zu eng, meine Damen.
Wir wollen es nicht anders.
Unsere Ausschnitte sind zu tief, Mädels.
Wir lassen den Tätern keine Wahl.

Auszüge aus Fee: „von hier an nackt“ www.meintestgelaende.de/2015/07/von-hier-an-nackt/

meinTestgelände heißt nicht nur so, es ist ein Testgelände: Wir wollen wissen, was Jugendliche zu Geschlechterthemen zu sagen haben und bieten ihnen mit der Plattform meinTestgelaende.de seit 2013 eine Möglichkeit, sich öffentlich zu äußern und zu positionieren. Ca. 800 Beiträge junger Menschen: non-binarys, inter*, queere, Mädchen und Jungen geben inzwischen einen umfassenden Überblick, was junge Menschen zu Geschlechterfragen zu sagen haben. Sie sind dabei frei, sich Themen und Formen selbst zu wählen. Alles, was auf eine Website passt und was niemanden verletzt, ist erlaubt. Das ist die Botschaft, mit der wir auf Jugendliche zugegangen sind und heute noch zugehen.

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MeinTestgelände ist ein Onlineportal, das Jugendlichen zur Verfügung steht, um

  • eigene Perspektiven auf Geschlechterfragen öffentlich zu machen
  • sich zu positionieren
  • aufzufordern zuzuhören, zu unterstützen, nicht wegzusehen und die Themen von Jugendlichen wahr- und ernst zu nehmen
  • Verständnis, Empathie, Solidarität und Unterstützung einzufordern.

Was also bewegt Jugendliche in Sachen Geschlechter? Es zeigt sich, dass die Themen höchst unterschiedlich sind in Bezug auf verschiedene Geschlechter und dass nicht nur Gender Probleme macht.

Vorweg: Geschlecht im Körper, in gesellschaftlichen Vorstellungen und in der sexuellen Orientierung und den Liebensweisen macht Jugendlichen aller Geschlechter eher Probleme als dass von Stolz und Freude berichtet wird. Allein das ist schon eine erschreckende Erkenntnis. Jugendliche berichten vom Druck, rollenkonform sein zu müssen und von Zuschreibungen, so oder so ein „richtiger“ Junge, ein „richtige“ Mädchen sein zu sollen oder aber als trans* oder inter* Jugendliche*r weder Vorbilder zu haben noch Anerkennung zu bekommen. Die meisten Jugendlichen berichten von Schwierigkeiten und Nöten, nur wenige von Freude und Lust:

  • Mädchen problematisieren Erfahrungen sowohl im Genderbereich als auch körperbezogen: das Bewerten von Mädchenkörpern durch andere Menschen aber auch und gerade durch social media und Influencer*innen macht Druck und Not und wirkt sich bei vielen Mädchen auch auf die Psyche aus: ich bin nicht richtig, man kann mich nicht mögen, ich sollte schöner sein, mein Körper ist hässlich … viele Mädchen hadern mit sich und ihrem Körper, fühlen sich unzulänglich und finden keine Frieden mit sich selbst und ihrem Körper, weil die von außen formulierten Bilder und Ansprüche zu einseitig und zu drastisch sind
  • Verbale und körperliche Übergriffe auf Mädchen sind nach wie vor ein großes Thema für Mädchen. Viele können aus dem Stehgreif Dutzende Situationen beschreiben, in denen sie ungebeten angefasst, taxiert, bewertet oder beschimpft wurden und das über viele Jahre. Öffentliche Räume erscheinen oftmals nicht sicher, bildlich gesprochen bewegen sich viele Mädchen mit eingezogenem Kopf um nicht aufzufallen, weil auffallen oftmals heißt, ungebeten mit negativen Zuschreibungen und Berührungen in Kontakt zu kommen.
  • Mädchen wissen, dass sie gleiche Rechte haben wie Jungen, sie wissen aber auch, dass dies oftmals leere Versprechungen sind: viele können sich nicht so bewegen, wie sie es gerne möchten, haben Angst am späten Abend draußen, werden stärker als Jungen kontrolliert, aber das gesellschaftliche Gleichberechtigungsversprechen macht es ihnen schwer, diese Erfahrungen als Benachteiligungen einzuordnen
  • Mädchen sind Künstlerinnen, sie schreiben Texte, Songs, Gedichte, sie beherrschen aber auch Social Media, sie kennen sich mit notwendigen Techniken aus um bspw. YouTubekanäle zu betreiben, Videos zu produzieren, sie bespielen das Internet und bewegen sich dort selbstverständlich – dass Jungen affiner wären oder erfahrener entspricht nicht unseren Erfahrungen

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  • Jungen beschreiben oft Probleme im Genderbereich, insbesondere zu enge oder als nicht passend empfundene Männlichkeitsanforderungen, unter denen sie leiden, weil sie anders sind oder anders leben wollen. Ganz besonders gilt das für Jungen, die als muslimisch/arabisch/türkisch gelesen werden und denen deshalb ein patriarchales Männerbild unterstellt wird. Auseinandersetzungen mit Männlichkeiten erzeugen bei vielen Jungen hohen (Leidens)Druck und oftmals wissen sie nicht, wie sie positiv mit Männlichkeit in Verbindung treten können
  • schwul sein ist immer noch das Gegenteil akzeptierter Männlichkeit, weshalb gerade homosexuelle Liebensweisen bei Jungen große Ängste und Schamgefühle auslösen; sie fühlen sich nicht akzeptiert, ausgegrenzt, abgelehnt und berichten über Gewalterfahrungen
  • wenig Auseinandersetzungen gibt es mit Körperthemen: Jungen beschreiben kaum ihr Verhältnis zum eigenen Körper und thematisieren auch nur selten, dass und wenn ja wie sie von außen auf ihre Körper angesprochen werden; auch das Gewaltthema – eine Erfahrung, die viele Jungen mit ihrem Körper machen, wird nicht thematisiert jenseits der Erfahrungen homosexuell liebender Jungen
  • trans* Jugendliche beschreiben auf meinTestgelände zwei große Themenlinien: die eine ist die innere und körperliche Anpassung, die oft wie das Erreichen eines großen Ziels positiv beschrieben wird. Die andere Linie ist die der Akzeptanz durch andere Menschen und die ist oftmals viel weniger positiv: zu den schwersten Hürden gehört die Verweigerung der Anerkennung ihres Geschlechts: „er war früher ein Mädchen, sie ist ja gar kein richtiges Mädchen, trans* Jungen können nicht in Angebote der Jungenarbeit gehen und auch nicht in die Mädchenarbeit“ sind Zuschreibungen, die verletzen und ausgrenzen und ihnen das Gefühl vermitteln, eigentlich keinen Platz nirgendwo zu haben, sich außerhalb der Geschlechtermatrix zu bewegen, obwohl gerade trans* Jugendliche sich intensiv mit ihrer Geschlechtszugehörigkeit beschäftigen und sehr klar darin sind, zu welchem Geschlecht sie gehören
  • inter* oder non-binary Jugendliche, die also von der vermeintlichen Norm „weiblich oder männlich“ abweichen, sich nicht einem dieser beiden Geschlechter zuordnen wollen oder können, sich gar nicht geschlechtlich verstehen oder sich zwischen weiblich und männlich bewegen, beschreiben in erster Linie harte Ablehnungen von anderen Menschen und fehlende Alltagsstrukturen: was ist mein Pronomen? Wie werde ich angesprochen, wie wird über mich gesprochen, wenn ich kein Pronomen habe, weil es in der deutschen Sprache nur er, sie und es gibt und nichts davon für mich passt? Wo kann ich mich umziehen oder auf Toilette gehen, wenn es immer nur Frauen- und Männerräume gibt? Inter* Jugendliche berichten von Gewalt, von Versuchen, sie ins Geschlechtersystem zu zwingen und von Ängsten, nicht anerkannt zu werden oder nicht unversehrt durch die Jugend zu kommen. Innere Prozesse der Klärung, wer sie sind, beschreiben sie eher als positiv oder zu bewältigende Aufgabe, die Ausgrenzung und Abwertung durch Menschen hingegen wird als sehr belastend erlebt.

Im Kern geht es häufig um Abweichungen und Zuschreibungen, nur mit unterschiedlichen Themen, was die Geschlechter angeht. Deutlich wird aber in der Zusammenschau der vielen Beiträge Jugendlicher auf meinTestgelände, dass Geschlecht in der Jugendphase viele Probleme macht. Weil aber die Gleichberechtigung der Geschlechter proklamiert wird und dass heute Geschlecht keine Rolle mehr spielt, sind all diese Probleme, die Jugendliche beschreiben, schwierig ansprechbar, die Bewältigung wird dadurch individualisiert. Umso wichtiger sind solche Websites wie meinTestgelände, wo Jugendliche sagen können, welche Probleme Geschlechterthemen ihnen machen und wo Fachkräfte und Erwachsene, die mit Jugendlichen in Kontakt sind, lesen können, was Jugendliche bewegt, um sie besser zu verstehen.

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Wenn wir Ihr Interesse geweckt haben, dann schauen Sie doch mal hier vorbei:

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Drin. Claudia Wallner…

… leitet gemeinsam mit Michael Drogand-Strud seit 2013 das Projekt meinTestgelände. Darüber hinaus arbeitet sie freiberuflich als Referentin, Autorin und Organisationsberaterin im Spektrum von Geschlechterfragen. Sie hat 1999 die BAG Mädchen*politik mit gegründet und bewegt seitdem die Mädchen*arbeit auf Bundesebene mit. Zudem engagiert sie sich seit 10 Jahren – ebenfalls ehrenamtlich – in der Frauenkommission der BAG Wohnungslosenhilfe. Mit der Mädchenarbeit und geschlechterbezogener Pädagogik in den östlichen Bundesländern ist sie seit 1990 eng verbunden. Privat lebt sie auf der Süd des BVB auf und bei Formel 1 Rennen.

 
 

EIN STRUKTURWANDEL OHNE FRAUEN – WAS SOLL DAS FÜR EIN STRUKTURWANDEL SEIN?

Die zukünftige Entwicklung der Lausitz wird vor allem von (älteren) Männern gestaltet. Wenn wir das nicht wollen oder nicht für zukunftsträchtig halten, dann müssen wir uns jetzt in die Diskussionen um die Entwicklung der Lausitz einbringen. In meinem Beitrag will ich den aktuellen Stand der Beteiligung aufzeigen und die bisherige (fehlende) Rolle der Frauen verdeutlichen.

Die Lausitz ist eine ländlich geprägte ehemalige Industrieregion, die traditionell Arbeit für Männer im Angebot hat(te). Frauen sortierten sich da seit jeher drumherum und hinein. Und sie waren dann auch mit die Ersten, die nach der Wende und als Folge der Deindustrialisierung weg waren. Auch eine Freundin von mir stammt aus Weißwasser. Sie nennt es immer liebevoll „das Drecksloch“ – wie ungefähr alle, die ich in Dresden kennengelernt habe und die in den 1990ern, Anfang der 2000er in der Lausitzer Kleinstadt groß geworden sind.

Der Strukturwandel in der Lausitz hat auf den ersten Blick ein ganz klares Ziel, aus dem heraus er ursprünglich eingeleitet wurde: Umbau der Energieerzeugungs- und -verteilungsstrukturen – weg von zentralisierter Kohleverstromung hin zu klimaschützender Strom- und Wärmeversorgung. Dazu berief die Bundesregierung im Jahr 2018 die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ ein, die im Januar 2019 ihren Abschlussbericht vorlegte.

Auf den zweiten Blick wird eine weitere, allerdings weitaus größere Herausforderung deutlich: Die Gesellschaft in der Lausitz lebt in einem krassen demografischen Ungleichgewicht. Die Überalterung der Gesellschaft ist deutschlandweit ein Phänomen, doch in den ländlich geprägten Regionen, und vor allem hier in Ostsachsen, schlägt sie noch krasser zu Buche: Schon jetzt ist die Hälfte der Bevölkerung in den Landkreisen Bautzen und Görlitz zu 50 Prozent über 50 Jahre alt. In der 16.000-Einwohnerstadt Weißwasser sind gerade einmal 700 Kinder im Kindergartenalter. Sollen die Region und ihre letzte Großindustrie – die Kohle – nicht einfach nur abgewickelt werden, braucht es Zukunftsperspektiven für junge, weggezogene und noch werdende Lausitzer*innen.

Strukturwandel in Männerhand

Will Mann also den Strukturwandel in der Lausitz angehen, geht es um zwei Seiten derselben Medaille: Einerseits den Umbau der Energiewirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen in zukunftsträchtigen, klimafreundlichen Industrien in neu anzusiedelnden Unternehmen bewerkstelligen und (!) andererseits eine für junge Menschen und vor allem Frauen attraktive Region zu gestalten. Statistisch gesehen gibt es hier in der sächsischen Lausitz, den Landkreisen Görlitz und Bautzen, zwar mehr Frauen als Männer (was einfach daran liegt, dass die Frauen älter werden als die Männer), doch was die Spitzenpositionen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung angeht, sieht es eher grau und männlich aus.

Eine einfache Liste der Namen der Entscheidungsträger*innen – angefangen bei der Bundeskanzlerin und den zuständigen Minister*innen, sowie den Mitgliedern der sogenannten Kohlekommission, über die Länderebene mit den Ministerpräsidenten, den Fachminister*innen und Lausitzbeaufragten, bis schließlich zur Kreis- und Kommunalebene organisiert in der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH und der Lausitzrunde – zeigt die stark unausgeglichene Geschlechterverteilung, wenn es darum geht, wer den Strukturwandel in der Lausitz gestaltet und wer eben nicht.

Grafik: Antonia Mertsching

Die Zukunft der Lausitz gestalten vor allem Männer, die wenigsten unter 50.

Doch wie soll die Region attraktiv für junge Frauen werden, wenn sie an der Gestaltung des Strukturwandels nicht oder kaum sichtbar beteiligt sind? Wer bringt dann ihre Perspektive ein? Von der jungen Generation ganz zu schweigen! Singuläre Veranstaltungen wie „Jugend macht Lausitz“ sind da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Selbst wenn wir auf die wissenschaftliche Expertise schauen, die forschungsseitig zum Strukturwandel eingebracht wird – von der Hochschule Zittau/Görlitz, dem Interdisziplinären Zentrum für ökologischen und revitalisierendem Stadtumbau (IZS) oder dem Institut für Ökologische Raumentwicklung (IÖR) – oder auf die Studienautoren der Prognos AG, die das erste Lausitzer Leitbild für das Strukturstärkungsgesetz zusammengestellt haben: Männer verhandeln mit älteren Männern die Zukunft und tauschen sich mit anderen Männern darüber aus.

Da scheint der Beteiligungsprozess, den die Zukunftswerkstatt Lausitz organisiert, zumindest als ein kleiner Lichtblick in der Diversität der Perspektiven. Ziel ist es, eine Entwicklungsstrategie Lausitz 2050 zu erstellen: Infostände, Fachveranstaltungen, Bürger*innen- und Online-Dialoge und am Ende nun eine Schreibwerkstatt werden zu einem zweiten Leitbild. Immerhin organisieren maßgeblich zwei sehr engagierte Frauen diesen Beteiligungsprozess; und auch Teilnehmer der verschiedenen Veranstaltungsformate waren in ausgeglichenerer Weise „*innen“.

Die Rolle dieses zweiten Leitbilds für die Lausitz ist allerdings noch nicht ganz geklärt. Laut der Antwort der sächsischen Regierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN kommt es bis jetzt zwar als inhaltliche Rahmenbedingung für einen Fördertopf infrage. Doch das ist weder verbindlich noch ausreichend konkret. Weiteres ist noch nicht bekannt.

Und hier kommen wir zum Kern des Problems:

Zwei „Dinge“ sind Mangelware in der Lausitz: Vertrauen und Optimismus.

Wer soll mitentscheiden?

Das Misstrauen in die Politik durch den Strukturbruch in den 1990ern, als nahezu die komplette Industrie der Lausitz (Glas, Textilien, Möbel, Chemie und andere) abgewickelt wurde, und die leeren Versprechungen der letzten dreißig Jahre sorgen hier nicht gerade für Euphorie. Und dann auch noch die Skepsis gegenüber vermeintlich Fremdem.

Wöllte Mann zum Beispiel Frauen in die Lausitz locken, müsste Mann ehemalige oder potentielle zukünftige Lausitzerinnen befragen, was sie denn ansprechen würde, um in die Lausitz (zurück) zu kommen. Oder junge Mädels, die aufbrechen zum Studieren. Oder folgendes Bild: Unser Landrat spricht mit meiner Freundin aus Weißwasser darüber, unter welchen Umständen sie denn in die Lausitz zurückkommen würde. (Spoiler: Es gibt keine.)

Also bestehen noch andere Möglichkeiten: Zum Beispiel den beiden Strukturwandelbeauftragten jeweils eine Strukturwandelbeauftragte an die Seite zu stellen. Oder alle geplanten, insbesondere die finanziell umfangreichen, Strukturwandelprojekte von einer Jury nach nachhaltigen Kriterien bewerten zu lassen. Dabei wird paritätisch besetzt und verschiedene Altersgruppen werden berücksichtigt – umgekehrt proportional zur aktuellen Altersstruktur. Eine Jury aus Schülerinnen und Schülern ist ebenso empfehlenswert, da sie andere Maßstäbe an die Zukunft anlegen und ihre Interessen selbst am besten kennen.

Weiterhin braucht es die Einbindung in lokale Entwicklungen: Was macht das Leben in meiner Gemeinde in der Lausitz lebenswert? Darüber muss mit allen diskutiert werden. Die gemeinsame Diskussion über die lokale Entwicklung schafft wiederum Identifikation mit dieser Entwicklung.

Wenn ich mich als Frau, aber nicht in der Entscheidungsfindung repräsentiert sehe, dann bleibt der Strukturwandel ein bloßer Verwaltungsprozess von alten weißen Männern und damit wenig hoffnungsvoll oder anziehend.

Eine attraktive Lausitz ist mit Wertschätzung verbunden: Wertschätzung für die Erfahrungen, Stimmen und Ideen aller Bürger*innen – egal welchen Alters und welcher Herkunft. Warum kommen Menschen nicht wieder? Welche Angebote sind anziehend, welche nicht?  Gemeinsam können wir auf diese Fragen nachhaltige Antworten erarbeiten und einbringen. Wir sollten unsere Positionen mit Nachdruck vertreten und Forderungen für eine Kultur diverser Beteiligung stellen.

Wenn wir es wollen, müssen wir es erstreiten.

 

Antonia Mertsching…

… ist Mitglied des Sächsischen Landtags in der Fraktion DIE LINKE. Zu ihren Themengebieten gehört neben Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik auch der Strukturwandel in der Lausitz. Die neuen Chancen für die Menschen in der Lausitz liegen ihr am Herzen. Sie wünscht sich vor allem, dass es Mut für vielfältige Beteiligungsprozesse oder für neue Ideen wie ein Modellprojekt Grundeinkommen gibt. Mehr Infos unter: www.antonia-mertsching.de

Wir danken Antonia Mertsching für den ermunternden Text und weisen an dieser Stelle ausdrücklich auf die politische Unabhängigkeit der Redaktion hin.

„Solange es Menschen gibt, die Sorbisch sprechen, lebt die Sprache“

Wie eine junge Sorbin sich für das Überleben ihrer Kultur einsetzt

Der Kohleabbau hat nicht nur dem Klima geschadet, sondern auch den Menschen in der Lausitz. Vor allem der Minderheit der Sorb*innen, denn über 100 sorbische Dörfer wurden für den Tagebau abgebaggert. Einige Menschen kämpfen jetzt um das kulturelle Erbe der Sorb*innen.

Den Ort, in dem Maja Schramms Oma aufgewachsen ist, gibt es nicht mehr. Denn da, wo früher das Dorf Klein Briesnig lag, gähnt jetzt der Tagebau Jänschwalde. Insgesamt wurden in der Lausitz für den Kohleabbau mehr als 130 Dörfer abgebaggert. Auch wenn viele Dörfer umgesiedelt wurden, ein Teil der Kultur und Tradition geht immer verloren. Besonders hart trifft das die Menschen, die sowieso schon um den Erhalt ihres kulturellen Erbes kämpfen müssen: In der Lausitz ist das in besonderem Maß die sorbische Minderheit. Die enge Verbundenheit dieser slawischen Volksgruppe mit der Region geht schon aus der sorbischen Hymne hervor.

Schöne Lausitz,

ehrliche, freundliche,

Land meiner sorbischen Väter,

Paradies meiner glücklichen Träume,

heilig sind mir deine Fluren!

Maja Schramm oder Maja Šramojc, wie ihr Name auf Niedersorbisch heißt, kämpft jetzt dafür, dass so viel wie möglich von der sorbischen Kultur erhalten bleibt. Die 19-jährige kommt aus Gulben, einem kleinen Dorf in der Nähe von Cottbus und studiert inzwischen im dritten Semester Sorabistik in Leipzig. In ihrer Freizeit beschäftigt sie sich viel mit Musik und produziert den Podcast Plattenkombüse mit. Außerdem arbeitet sie für die Jugendkoordination der Domowina, dem Dachverband der sorbischen Vereine in Cottbus. Das ist eine Arbeit, die sie sich für die Zukunft vorstellen kann: Die Landjugenden und Vereine in der Umgebung von Cottbus zu koordinieren und zu unterstützen und so dazu beizutragen, sorbische Kultur und Bräuche am Leben zu halten.

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Die sorbische Minderheit

Die sorbische Minderheit ist eine slawische Volksgruppe, die seit dem Frühmittelalter in der Lausitz lebt. Sie ist neben der dänischen Minderheit, der friesischen Volksgruppe und den deutschen Sinti und Roma eine der vier anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland. Damit steht den Sorb*innen, manchmal auch Wend*innen genannt, ein besonderes Recht auf Schutz und Förderung durch den Bund und die Länder zu. Die Sorb*innen haben ihre eigene Hymne und Flagge und sogar zwei Sprachen: Obersorbisch, das eher dem Tschechischen ähnelt und Niedersorbisch, das eher wie Polnisch klingt. In einigen Jahren könnte sorbisch nur ein netter Zusatz auf den zweisprachigen Straßenschildern sein. Nur rund 60.000 Sorb*innen leben heute noch in der Lausitz, gesprochen wird sorbisch wird im Alltag aber nur noch von knapp 20.000 Menschen. Damit sind die sorbischen Sprachen laut der UNESCO bedroht. Früher waren die meisten Sorb*innen evangelisch, aber während der DDR litten besonders die Niedersorb*innen unter einem raschen Identitätsverlust. Heute sind fast 90 Prozent der Sorb*innen Katholik*innen.

Auch Maja Schramm ist keine sorbische Muttersprachlerin. Während Obersorbisch in der Gegend um Bautzen und Hoyerswerda noch in einigen Dorfgemeinschaften gesprochen wird, ist Niedersorbisch schon jetzt beinahe ganz aus dem Alltag verschwunden. Die wenigen Menschen, die noch damit aufgewachsen sind, sind heute sehr alt und haben das Niedersorbische häufig nicht an ihre Kinder weitergegeben. So auch bei Schramms: In ihrer Familie sprach nur noch der Opa einige Brocken Sorbisch, ihre Mutter lernte es nie.

Trotzdem war es Majas Mutter wichtig, den Kindern diesen Teil der Kultur mitzugeben. Maja Schramm besuchte darum zuerst einen sorbischen Kindergarten, wo sie zuerst spielend mit dem Niedersorbischen in Berührung kam. Später besuchte sie auch eine sorbische Schule. In der Oberstufe wollte sie gerne Sorbisch im Leistungskurs belegen. Allerdings als Einzige aus ihrer Klasse und darum musste sie sich mit dem Grundkurs begnügen. „Aber das war nicht anspruchsvoll genug für mich“, beklagt sich Schramm heute noch. Selbst an den wenigen sorbischen Schulen ist aus Schramms Sicht das Interesse an der Sprache eher gering. „Beim Abi haben sich bestimmt 90 Prozent gefreut, dass sie nie wieder Sorbisch sprechen müssen“, sagt sie. Auch ihre Entscheidung, das Sorbische sogar zum Beruf zu machen und zu studieren, stieß bei vielen ihrer Mitschüler*innen und Bekannten eher auf Unverständnis.

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„Es gibt einfach keine Sprachräume“, nennt die Studentin eines der Probleme des Sorbischen. Im Alltag, in der Pause oder im Café werde letztendlich fast immer Deutsch gesprochen. Wie schwierig es ist, mit einer fast ausgestorbenen Sprache zu arbeiten, zeigt sich auch in Schramms zweitem Job. Für den rbb arbeitet sie nämlich noch beim sorbischen Jugendmagazin Bubak. Zweimal im Monat berichtet sie darin auf Niedersorbisch über Themen der Region. Nicht nur die sorbische Sprache hat hier ihren Platz, sondern in jeder Sendung muss auch mindestens ein sorbisches Lied gespielt werden. Diese Arbeit ist aber auch ernüchternd: Viele Hörer*innen kann das Format nicht haben, denn es sprechen nur noch wenige Menschen Niedersorbisch auf einem Niveau, das Ihnen erlaubt, Radiosendungen zu verstehen.

Woher Schramms große Begeisterung für das Sorbische kommt, kann sie gar nicht genau festmachen. „Ich hatte schon immer Interesse an Sprachen“, sagt sie. Außerdem gefällt ihr der Zusammenhalt in der niedersorbischen Community, jeder kenne jeden und man unterstütze sich gegenseitig. Feste wie Fastnacht seien immer ein Highlight für sie. Außerdem glaubt Schramm, dass die alten sorbischen Traditionen, den Zusammenhalt in der Region stärken. In diesem Jahr machte Corona vielen der sorbischen Traditionen einen Strich durch die Rechnung: Große Veranstaltungen mussten abgesagt werden, zu hoch ist die Infektionsgefahr. Aus Schramms Sicht ist das schade, aber auch problematisch, weil das die sorbische Kultur weiter schwächen könnte.

Der Strukturwandel und seine Auswirkungen auf die sorbische Minderheit

Gerade im vergangenen Jahrhundert musste die sorbische Community sowieso einige Rückschläge einstecken: Der Kohleabbau und das damit verbundene Abbaggern von sorbischen Dörfern traf die Minderheit hart. Rund 25.000 Menschen wurden umgesiedelt – viele davon Sorb*innen. Durch Umsiedlungen, Weg- und Zuzug aufgrund von Kohlenabbau wurden die traditionellen Dorfgemeinschaften durchgerüttelt, kulturelle Identität verschwand buchstäblich im Bodenlosen und auch die sorbische Sprache litt. Schramm erklärt das am Beispiel der Ortschaft Horno, die 2004 dem Tagebau Jänschwalde weichen musste: Das Dorf wurde zwar umgesiedelt, aber nur 70 Prozent der Einwohner*innen kamen mit.

Auch wenn die politische Vertretung der Sorb*innen sich regelmäßig gegen den Kohleabbau aussprach, stellt der Kohleausstieg die Minderheit jetzt wieder vor eine große Herausforderung: Viele Sorb*innen arbeiten heute im Kohleabbau und damit in Jobs, die in den nächsten 20 Jahren verschwinden werden. Er kann aber auch eine Chance sein: Durch das Strukturstärkungsgesetz werden kommunale Strukturen in der Region gefördert und auch sorbisches Kulturgut. Maja Schramm hofft, dass gerade durch Tourismus neue Impulse entstehen, sich mit dem sorbischen Kulturgut auseinanderzusetzen.

 

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Schramm versucht in ihrem Alltag immer wieder aktiv Sorbisch zu sprechen. Mit einem Freund unterhält sie sich hauptsächlich auf Sorbisch, in Leipzig geht sie regelmäßig zum sorbischen Stammtisch. Während ihres Studiums ist Schramm aber auch immer stärker bewusst geworden, dass sie als Niedersorbin eine Minderheit in der Minderheit ist. Die Obersorb*innen an der Uni belächeln sie eher, der größte Teil des studentischen Lebens und der Veranstaltungen konzentriere sich eher auf das Obersorbische.

Die Studentin hat einige Ideen, wie es mit dem sorbischen Kulturerbe besser laufen könnte: Sie wünscht sich mehr Anerkennung für die sorbischen Traditionen. Außerdem will sie, dass die Sorb*innen nicht nur als ein Bauernvolk angesehen werden. Bands und Hiphop-Gruppen tragen dazu bei. So zum Beispiel die Band „KulaBula“ auf Niedersorbisch oder „Skupina Astronawt“ auf Obersorbisch. Grundsätzlich sei es aber um die sorbische Kultur zu schützen, nicht nur wichtig, in Kultur zu investieren, sondern auch die Infrastruktur in der Lausitz zu stärken und so Menschen vom Wegzug abzuhalten. Der demografische Wandel und die Tatsache, dass viele Menschen fürs Studium weggehen und nie wieder zurückkehren, sind auf der einen Seite für die gesamte Lausitz, aber im Besonderen auch für die sorbische Minderheit große Herausforderungen.

Trotz ihres Engagements macht sich Schramm gerade fürs Niedersorbische keine allzu großen Hoffnungen. „Sorbisch ist eine aussterbende Sprache“, meint sie nüchtern. „Aber solange es noch Menschen gibt, die Sorbisch sprechen, lebt die Sprache“.

 Lisa Kuner…

…ist freie Journalistin, sie schreibt für die FAZ über Bildung, für Perspective Daily über den Osten und würde am liebsten aus Brasilien von sozialer Ungleichheit erzählen. Außerdem studiert sie Nachhaltige Entwicklung in Leipzig. Einen Überblick über ihre bisherigen Veröffentlichungen gibt es hier: https://www.torial.com/lisa.kuner

Fotos…

… Tine Jurtz, https://www.tinejurtz.de/

 

„WO NICHTS IST, DA WOLLEN WIR ETWAS SCHAFFEN.“ DIANA TÜNGERTHAL IM PORTRÄT

Kiefern, Sand, eine gerade Straße. Immer wieder die Sichtachse auf die Kühltürme des Boxberger Kraftwerks. Wer falsch abbiegt, landet an der Tagebaukante. Symbolträchtig liegen sie da: Riesige Wunden, von Abraumbaggern in die Landschaft gerissen, lassen ahnen, wie eng das Schicksal der Menschen hier mit dem Braunkohleabbau verwoben ist. Wenige hundert Meter Luftlinie entfernt wartet ein künstlich geschaffenes Parkidyll aus Findlingen, Hügeln, Steingärten, Wegen und Wasserläufen.

Hier im Findlingspark Nochten bin ich mit Diana Tüngerthal verabredet. Sie trifft sich mit Preisträgern des vom Landkreis ausgelobten Innovationspreises Tourismus. Bei Kaffee und Kuchen berichten diese von ihren Erfolgen und Ideen. Schließlich wird vor der Kulisse eines an Stonehenge erinnernden Steinhügels feierlich das „Innovationsbäumchen“ – eine pontische Eiche – angegossen.

Die Sonne strahlt über blühenden Heidesträuchern. Das passt zur Stimmung und zum Thema: Mich interessiert, was Diana zur Lebenswirklichkeit junger, qualifizierter Frauen im Landkreis – speziell zu ihrer eigenen – zu sagen hat.

„Ich lebe wirklich gern hier.“

Dieser Satz fällt nicht nur einmal. Diana wiederholt ihn mit Nachdruck, so als sei sie schon daran gewöhnt, dass man ihr das nicht glaubt. Was hat diese Region einer jungen Frau zu bieten, die voller Energie und Pläne steckt, in ihrem früheren Leben in der rastlosen Veranstaltungsbranche Berlins und als Frontfrau einer Band unterwegs war? Sie selbst fasst es so zusammen: „Das kommt darauf an, was man will und womit man sich zufrieden fühlt.“

Der Liebe wegen sei sie hergekommen, der Liebe wegen geblieben und inzwischen sei die Oberlausitz zu ihrer „Heimat des Herzens“ geworden. Wenn sie Besuch aus ihrer alten Heimat bekommt, werde sie oft darauf angesprochen, in was für einer tollen Gegend sie lebe. Das liege nicht nur an der schönen Landschaft, sondern vor allem an den Menschen, die morgens beim Bäcker noch auf einen Schwatz miteinander stehen blieben.

Diana lebt mit ihrer Familie in einem Dorf im Norden des Landkreises. Für sie sei es ideal, ihren Sohn in einem ländlichen Umfeld mit städtischer Anbindung aufwachsen zu sehen. Ihr war das hektische Leben in der Großstadt oft zu viel. Sich ständig zwischen all den Optionen auf Konzerte, Events und Ausstellungen zu entscheiden, sei anstrengend gewesen. Hier habe sie gelernt, „das Wenige, was da ist“ zu schätzen und auch ganz bewusst zu nutzen.

„Wir sind nicht nur alleine. Wir werden immer mehr.“

Was die Region bietet ist Raum, im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Es lässt sich hier ebenso auf einem eigenen Grundstück leben, wie es möglich ist, mit Gleichgesinnten Neues zu schaffen. Diana versteht sich als Macherin. Sie sei, genau wie ihr Lebenspartner und ihr Umfeld „nicht so erpicht darauf, nur zu konsumieren“. Um alte Freunde wieder zu sehen, organisiert sie auch mal eben ein Konzert. Sie sagt, sie sei nicht die Einzige, der es so gehe. Immer mehr junge Menschen, vor allem Familien kämen in die Region (zurück), weil sie sich hier wohl fühlten.

„Es gibt hier noch jede Menge kreative Frauen, die einander suchen und entdeckt werden können.“

Diana gerät ins Schwärmen, wenn sie davon erzählt, welche Qualität von Gemeinschaft sie hier erlebe. Sie habe hier noch nie das Gefühl gehabt, allein da zu stehen. Familiär und beruflich gut eingebunden, trifft sich außerdem regelmäßig mit anderen jungen Frauen, die sie „unsere Landmädelstruppe“ nennt. Diese informellen Treffen deckten vom Weihnachtskranzbasteln bis zur Diskussion von KiTa-Konzepten alles Mögliche ab. Vor allem aber dienten sie dem Austausch und der Selbstvergewisserung. Auch Visionen werden gesponnen mit reichlich Potenzial für neue „kreative Nischen“ auf dem Land. Sie sei jedes Mal inspiriert davon, „wie viel Input dabei rum kommt“ und ist überzeugt: „Es gibt hier noch jede Menge kreative Frauen, die einander suchen und entdeckt werden können.“

„Lasst wieder Leben in eure Dorfgemeinschafthäuser einziehen.“

Förderprogramme unterschiedlichster Art hätten dazu geführt, dass vielerorts bereits eine gute Infrastruktur vorhanden sei. Neu ausgebaute Dorfgemeinschaftshäuser, die allesamt mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen hätten, sollten ihrer Meinung nach geöffnet werden für ein neues Publikum und neue Ideen. Die Chance, junge Menschen wieder einzubinden, liege darin, sich von angestaubten Heimatforschungsvereinen zu Initiativen des dörflichen Gemeinschaftslebens zu entwickeln.

Zur persönlichen Lebensqualität zählt für Diana ganz klar der Job, den sie hier gefunden hat:

„Ich bin froh, nach Jahren da angekommen zu sein, was ich wirklich machen wollte.“

In der konzeptionellen und strategischen Tourismusarbeit zu landen, sei nach dem Studium (Tourismus und Management) ihr Masterplan gewesen, erzählt sie. Sie liebe ihren Job und schätze die Vielfalt der Aufgaben, die Kontakte mit Unternehmen, die gute Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen, die Wertschätzung durch Vorgesetzte.

Es ist augenscheinlich: In ihrem Beruf kommt vieles zusammen, was sie auch als Person ausmacht. Exzessives Netzwerken, Potenziale erkennen, wo andere nur Defizite sehen und eine große Portion Gestaltungswillen.

Auf meine Frage, was sie anderen Frauen rät, die neu in der Region sind, meint sie, es wäre jeder Frau zu wünschen, auf eine andere Frau zu treffen, die sie als Lotsin in die Region und in bestehende Netzwerke einführen könne. Sie selbst praktiziert das fleißig und versichert: „Ich stehe gern als Ansprechpartnerin zur Verfügung.“

Wer Fragen an Diana Tüngerthal hat, erreicht sie hier: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

LANDLEBENLIEBE – AGNES MOCHA IM PORTRÄT

Ich weiß nicht viel über Agnes. Dass sie einen Bio-Ziegenhof in Bertsdorf führt, Ziegenkäse macht und diesen mittwochs auf dem Markt in Zittau verkauft.  Ich möchte sie kennenlernen, aber nicht im Sinne klassischer Fragen: Beruf, Alter, Herkunft. Mich interessiert ihre Perspektive aufs Leben und auf ihr Leben. Agnes ist in der Oberlausitz schon ziemlich bekannt und das ist immer so eine Sache.

Meine Oma ist die Brücke zu Agnes Leben. Weil meine Oma Bäuerin war und weil ich, eigentlich in der Großstadt geboren, aber über Umstände, die hier nichts zu sagen hätten, bei ihr auf dem Lande groß geworden bin. Deshalb habe ich eine gewisse Nähe zu den Arbeiten, zum Leben auf einem Bauernhof, mit Tieren, mit Bauerngärten, Obstbäumen, Wald und was so dazu gehört. Alles pragmatisch, sinnbehaftet, traditionell und keineswegs nur idyllisch.

Die Begegnung mit Agnes hat mich berührt und nachdenklich gemacht. Im Folgenden möchte ich über das, was ich damit meine, schreiben.

Das Alpha und Omega für den Erfolg ist eine funktionierende Beziehung

In der Küche, in einer gemütlichen Atmosphäre, diskutieren Agnes, ihr Mann Carsten und ich über Frauen in der Landwirtschaft von „früher“ und über die von heute. Darüber, dass die Bedürfnisse und Ansprüche an eine Beziehung sich gewandelt haben. Was ist früher, was heute? Eine nicht synchrone Entwicklung: die schweren großen Maschinen, mit denen der Mann arbeitet, die Handarbeit, das Kochen, die Kinder, die an der Frau „kleben“. Früher gab es den Sonntag als Ruhetag, den gibt es heute so nicht mehr. Der Mann führt in den meisten Fällen den Hof und die Frau ist die „mitarbeitende Familienangehörige“.

Agnes und Carsten haben ein gemeinsames Projekt, ein gemeinsames Kind, einen gemeinsamen Hof. Jeder hat den eigenen Arbeitsbereich, was total wichtig ist, so dass Auseinandersetzungen zu nebensächlichen Details vermieden werden und jede/r sich auf das Wesentliche konzentrieren kann. Beide wissen, nur zusammen gibt es ein Ganzes.

Es ist zur Erkenntnis geworden im Laufe der Jahre, dass die Bedürfnisse eine unterschiedliche Entwicklung nehmen. Agnes spricht über ein Bedürfnis, das ich total nachvollziehen kann: „Mal nichts zu machen“. Es hat lange gedauert, bis sie das annehmen konnte, ohne dabei ein schlechtes Gefühl zu haben, wenn nebenan der Partner macht und schuftet. Und dann über die gelernten Lektionen aus der eigenen Beziehung sprechen zu können, dass es mal gekriselt hat, also sich nicht bedingungslos glücklich hinzustellen … sowas kommt mir sehr souverän vor. Respekt!

 „Als Ökobetrieb haben wir eine andere Gesinnung“

Als Bäuerin – „Ein sehr schöner Beruf!“ –  ist es heutzutage „manchmal traurig“, da es nur wenige Berufskolleginnen gibt, mit denen sie sich austauschen kann. Früher gab es viel mehr. Agnes fühlt sich „eher in dieser Ökobewegung, in der Antigentechnikbewegung, gegen Massentierhaltung, in der Slowfood Bewegung aufgehoben“, aber nicht in den klassischen Landfrauen Vereinen, die konventionell und zugleich widersprüchlich sind, weil sie das Idyllische hervorheben. Aber die Landwirtschaft, die sie betreiben, ist die, der Großbetriebe. Das Hauswirtschaftliche ist ein großes Thema.

„Wenn ich noch ein halbes Jahr zu leben hätte“…oder über den Sinn

Weit mehr als Broterwerb ist der Ziegenhof, mit all den dazugehörigen Tätigkeiten, sinnvolles TUN oder schlicht Sinn. Die Ruhezeiten, die Arbeitszeiten, alles ist verwoben, alles nicht zu quantifizieren, die Jahreszeiten bestimmen den Rhythmus. Die vielen unterschiedlichen Arbeiten am Tag halten einen in Schwung und manches davon ist gar keine Arbeit: Die Ziegen barfuß austreiben, „einfach in die Natur, das ist etwas für die Seele“. Und „wenn ich noch ein halbes Jahr zu leben hätte, dann würde ich dasselbe machen: Ziegen füttern, melken, Käse machen“… Über die besprochenen Themen hinaus – Bäuerinnen gestern und heute, der Alltagsablauf, das Melken, Saubermachen, das Lammen, das Käsen, die Weide umstecken, den Käse verkaufen, die Netzwerke, das funktionierende in allen Situationen, u.a. – wird das Thema Spiritualität wichtig: das Singen im Chor der Hillerschen Villa, das Singen bei den Taizé Nächten in Zittau… wie einst als Kind in der katholischen Kirche in Bayern.

Bindungskräfte in der Oberlausitz

Ich frage mich, warum sie so überzeugt und bewusst in der Oberlausitz lebt? Welche Bindungskräfte über den eigenen Betrieb hinaus, halten und tragen sie? Was ist das Schöne am Leben hier? Und wir amüsieren uns köstlich als Carsten ernsthaft und lachend die Frage beantwortet: Es sind die berühmten blauen Steine. Aber nein, die blauen Steine stehen sinnbildlich für die Direktheit und die Offenheit und die Nähe der Menschen von hier, der doch angenehme Dialekt, das tolle kulturelle Angebot. Schließlich hat Agnes fast die Hälfte ihres Lebens hier verbracht. „Das ist schon eine andere Mentalität (…) Ich finde es sogar ein Kompliment, weil manche nicht mitkriegen, dass ich aus dem Westen komme. Sie denken ich bin Ossi, finde ich total gut“, stellt sie lachend fest.

Sînziana Schönfelder stieß im Sommer 2017 zu dem Projekt „Geschlechtersensible Willkommenskultur im Landkreis Görlitz“ und unterstützte es durch ihr Netzwerk der Slow-Food-Bewegung. Sie entwickelte Formate zur Berücksichtigung von Frauen mit besonderem Blick auf Landwirtinnen im Landkreis Görlitz.  Hieraus entstand der Film Land leben. Land lieben, den sie gemeinsam mit René Beder produzierte. Mittlerweile erforscht sie für das TRAWOS-Institut der Hochschule Zittau-Görlitz Religionssensible Integrationskulturen in Ostsachsen – und bleibt F wie Kraft als Autorin von Portraits erhalten.

F WIE FRAGEBOGEN*

F wie Franziska … Franziska Schubert ist als junge, grüne Landtagsabgeordnete eine der wenigen Frauen, die als politische Mandatsträgerin auf allen Ebenen – im Stadtrat von Ebersbach-Neugersdorf, im Kreistag des Landkreise Görlitz und im Landtag – Politik macht. Ihr Fachgebiet ist Finanz- und Haushaltspolitik.

Wie heißt du?
Franziska

Zweiter Vorname?
Meine Mutter war der Meinung, ich brauche keinen zweiten Vornamen.

Worüber hast du zuletzt herzlich gelacht/bitterlich geweint?
Herzlich gelacht habe ich das letzte Mal am Ende der Welt in einem Tropensturm; ich trug ein Kleid und Badelatschen und eine Dose Bier. Bitterlich geweint habe ich das letzte Mal am 5. Oktober 2017 darüber, dass es nicht in der Menschen Macht steht, die Zeit zurückzudrehen.

Was fällt dir leichter: Ankommen oder Aufbrechen?
Aufbrechen.

F wie Kraft, F wie …
Fluß.

Wovon lebst du?
Ich bin Politikerin – ich lebe davon, dass ich daran glaube, durch Engagement Dinge verändern zu können.

Was findet man in deiner Tasche?
Immer mindestens einen Stift, Tic-Tac, Taschentücher, diverse Münzen aus verschiedenen Ländern, Arbeit.

Wie lebst du in 10 Jahren?
Mit ganz wenig Kram und ganz viel Ruhe, Wärme, Liebe. In Deutschland möchte ich ein kleines Bistro haben ohne feste Öffnungszeiten und ein kleines Atelier. Im Winter kann ich nicht in Deutschland leben, sorry, das geht einfach nicht nochmal 35 Jahre.

Hast du einen Plan B?
Immer. Und auch einen Plan C. Ich kann mir vieles vorstellen – Guide im Nationalpark in Baracoa oder an der Berezina genauso wie zurück an die Uni; Schafe hüten in Island genauso wie jobben irgendwo in der Welt.

Welches Buch liegt neben deinem Bett?
Nie nur eins. Zur Zeit: Haruki Murakamis „Tanz mit dem Schafsmann“; Haskells „Das verborgene Leben des Waldes“ sowie Tucholskys „Gesammelte Werke“.

Wo fühlst du dich am Lebendigsten?
Auf Reisen auf Inseln mit ganz wenig. Bei der Sommerbauwoche an unserer Fabrik in Neugersdorf. Beim Kochen und Essen.

Wovon hast du als Letztes geträumt?
Von einer Party mit meinen Freunden in Neugersdorf, wo es ganz viel bunte Farbe gab.

Zum Schluss – wie bist du zu erreichen?

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Einen Eindruck von ihren avantgardistischen Positionen gibt es auf ihrer Website: www.franziska-schubert.de und im kürzlich erschienenen SZ-Interview:  Link

 
 

HEUTE NONNE SEIN – SCHWESTER MARIAE LAETITIA IM PORTRÄT

„Wir sind weiterhin gerufen, positiv in die Welt zu gehen und zu wirken“

Schon immer haben mich Menschen interessiert, die ausgeglichen sind und doch noch suchen. Die in ihrer Einzigartigkeit Tiefe beherbergen. Die nicht dem Zeitgeist entsprechen. Die mit ihrer Klugheit nicht prahlen, sondern diese feinfühlig einsetzen. Sowie diejenigen, die, mit Friedrich Schleiermacher, Sinn und Geschmack für das Unendliche haben, beständig sind, aber nicht statisch. Was für ein Glück, diesen schönen Menschen zu begegnen.

Schwester Mariae Laetitia Klut ist 29, lebt als Nonne im Kloster Marienstern in Panschwitz Kuckau und ist so ein Mensch! Für den Gedankenaustausch mit ihr bin ich sehr dankbar.

Für Besucher und Besucherinnen ist sie meist im Klosterladen oder bei der Produktion von Likören zu finden. Regelmäßig kommen Touristen vorbei und fragen sie mitunter, ob sie echt sei. Für die meisten Leute sind Klöster etwas völlig Unbekanntes, in ihrer Vorstellung vielleicht noch ein Relikt aus dem Mittelalter. Manche bemitleiden die junge Schwester sogar, weil sie meinen, dass eine enttäuschte Liebe sie ins Kloster geführt hätte.

Ich frage mich, wie es wäre, wenn sie wüssten, dass vor ihnen eine studierte Theologin steht, die mit fünf Sprachen umgehen kann. So wie manche Mädchen sich wünschen, Prinzessin zu werden, so hat Schwester Mariae Laetitia sich früher mal vorgestellt, Nonne zu werden, obwohl sie als Kind nie in einem Kloster war. Während jedoch die Prinzessinnenträume meist realistischeren Lebensentwürfen weichen müssen, hat sie sich ihren Wunsch erfüllt.

Aber was ist eine Nonne, was macht sie überhaupt? „Eine Nonne ist eine Frau, die sich für ein intensiveres geistliches Leben als Christ entschieden hat“, erzählt mir Schwester Mariae Laetitia. Und führt aus: „Es gibt ja verschiedene christliche Lebensformen. Eine davon ist dieses Leben als Nonne: in Gemeinschaft, ehelos, besitzlos, lebenslang. Das bedeutet eine lebenslange Hingabe, aber auch einen Prozess des lebenslangen Lernens. Nonnen verpflichten sich besonders dem Gebet. Nicht nur für sich, für alle Menschen, auch stellvertretend für diejenigen, die nicht beten können oder wollen; Gott loben, danken, bitten“.

Die Gebetszeiten takten den Alltag im Kloster: 4:30 Uhr beginnt das erste Gebet, 6:00 Uhr das Morgengebet, im Anschluss die Heilige Messe, dann wird gefrühstückt. Danach arbeitet jede Schwester im eigenen Arbeitsbereich. Dann wieder das gemeinsame Gebet. Als Mittelpunkt des Alltags ist das Gebet die Möglichkeit, immer mit Gott in Kontakt zu bleiben. Schweigen und Stille sind ebenfalls wichtige Elemente im kontemplativen Klosterleben. Im Unterschied zur Entdeckung Gottes in der Aktion, in der Nächstenliebe, ist die Kontemplation „die Versenkung ins Göttliche hinein“. Still sein, um Gott hören zu können.

Gute Regeln können uns auch gut formen“

„Ja“, sagt Schwester Mariae Laetitia, „auch die Beziehung zu Gott ist gelegentlich mit Ängsten behaftet: Die Angst vor dem Verlust der Leidenschaft, die Angst, nicht genug für die Beziehung getan zu haben. So wie auch eine Ehe im Sand verlaufen kann, weil die Liebe nicht gepflegt wurde.“ Deswegen gibt es im Kloster Lebensregeln, die helfen sollen, im Alltag konkrete Schritte zu gehen, damit die Liebe wachsen kann. Die Zisterzienserinnen von St. Marienstern leben nach der Regel des heiligen Benedikt. Schwester Mariae Laetitia ist starren Regeln gegenüber skeptisch, aber „gute Regeln können uns auch gut formen. Der heilige Benedikt schreibt in seiner Lebensregel: Der Weg kann am Anfang nicht anders sein als eng, aber wo die Liebe wächst, da wird das Herz weit“. Dieses innere Wachstum ist wichtig, nicht die sture Befolgung der Regeln, auch nicht die Bewahrung äußerlicher Formen. Metaphorisch gesprochengeht es nicht darum, eine leere Schachtel aufzubewahren. Nicht die Asche zu hüten, sondern das Feuer lebendig zu halten. Das gilt im Kleinen für die Schwestern im Kloster, aber auch für die Kirche im Großen und Ganzen.

„Dort, wo Dinge wegfallen, haben wir die Chance, das Wesentliche zu verwirklichen“

Die Entchristianisierung der Gesellschaft, der Bedeutungsverlust der großen Kirchen, der Wegfall der Traditionen, all diese Problemfelder der Kirche als Institution bieten auch die Chance, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, meint Schwester Mariae Laetitia. „Wir müssen überlegen, worum es uns eigentlich geht. Wenn wir zum Beispiel den Priestermangel bedauern: Geht es uns dann wirklich darum, Menschen in Beziehung mit Christus zu bringen oder darum, gewohnte Strukturen zu erhalten? Dort, wo Dinge wegfallen, haben wir die Chance, das Wesentliche zu verwirklichen“.

Kritik solle als etwas Wertvolles angenommen werden. Schließlich seien „Christen nicht besser als andere und auch nicht näher dran an Gott“. Doch was ist dann der Mehrwert vom Christsein, warum lohnt es sich, als Christ zu leben?

Wer an Gott glaubt und die Botschaft Jesu annimmt, der hat einen neuen Blick auf die Welt. Sein Zugang zur Wirklichkeit ist ein ganz anderer, weil den Christen ein Weg gewiesen ist. Dieser Weg steht auf dem Boden der Tradition mit einer großen Auswahl an Formen, die sich bewährt haben. Auf diesen tragenden Grund können Christen sich stellen und ihr Leben gestalten, davon ist die Schwester überzeugt.

„Den Menschen hier fehlt Gott nicht“

„Wir sind weiterhin gerufen, positiv in die Welt zu gehen und zu wirken“, denn sowohl das Gute als auch das Böse zögen ihre Kreise. Der einzelne Mensch trage viel bei zum großen Ganzen. Deshalb bekennt Schwester Mariae Laetitia: “Wenn Gott mich glücklich macht, dann muss ich es auch zeigen“.

Die Provokation, sein Leben anders zu leben, im biblischen Sinne der Sauerteig der Gesellschaft zu sein, Gott ins Spiel zu bringen, ist mitunter schwierig: Auf ihre Entscheidung, im Kloster zu leben, reagierten manche ungefähr so: „Wenn Du damit glücklich bist, dann ist es okay.“ Was nach Toleranz klingt, nahm Schwester Mariae Laetitia als Gleichgültigkeit wahr: Es ist mir egal, woran du glaubst, es ist gleichgültig, ob du an etwas glaubst, irrelevant, woran du dein Leben ausrichtest. Genau das ist Schwester Mariae Laetitia aber nicht egal. Besonders, wenn sie auf das Zusammenleben in unserer Gesellschaft schaut. Und trotzdem „kann man jemandem nicht einreden, dass ihm was fehlt. Den Menschen hier fehlt Gott nicht! Natürlich wünsche ich allen eine gute Gottesbeziehung. Nicht zum Nutzen der Kirche, sondern ihnen selbst zum Heil. Denn ich erfahre, dass das glücklich macht“.

Sînziana Schönfelder stieß im Sommer 2017 zu dem Projekt „Geschlechtersensible Willkommenskultur im Landkreis Görlitz“ und unterstützte es durch ihr Netzwerk der Slow-Food-Bewegung. Sie entwickelte Formate zur Berücksichtigung von Frauen mit besonderem Blick auf Landwirtinnen im Landkreis Görlitz.  Hieraus entstand der Film Land leben. Land lieben, den sie gemeinsam mit René Beder produzierte. Mittlerweile erforscht sie für das TRAWOS-Institut der Hochschule Zittau-Görlitz Religionssensible Integrationskulturen in Ostsachsen – und bleibt F wie Kraft als Autorin von Portraits erhalten.

F wie Fragebogen

Ina Körner – die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Bautzen und aktives Mitglied der Initiative Frauen.Wahl.LOKAL Oberlausitz

Wie heißt du?

Ina

Zweiter Vorname?

Der Erste ist schon so kurz,  einen Zweiten fand meine Mutter zu altmodisch.

Worüber hast du zuletzt herzlich gelacht/bitterlich geweint?

Ich lache oft – geweint habe ich sehr als sich der von mir gerettete Hund aus Italien mit Schneckenkorn vergiftet hatte und ich ihn nicht retten konnte.

Was fällt dir leichter: Ankommen oder Aufbrechen?

Ich breche schon gern auf, komme aber auch gern wieder (zu Hause) an.

Wovon lebst du?

Von Dingen, die mir Spaß machen.

F wie Kraft, F wie …?

Freude, Fordern, Finden, Feiern…

Was findet man in deiner Tasche?

Nichts, weil viel zu viel drin ist ;+))

Wie lebst du in 10 Jahren?

Hoffentlich gesund und munter auf dieser Welt.

Hast du einen Plan B?

Bier trinken und überlegen, wie es gehen kann.

Welches Buch liegt neben deinem Bett?

Im Moment: „Athiopische Märchen“

Wo fühlst du dich am Lebendigsten?

Wenn ich eine schwierige Aufgabe gemeistert habe, von der ich vorher dachte dass das nie gelingt.

Wovon hast du als Letztes geträumt?

Geheimnis

Warum engagierst du dich für das Frauen.Wahl.LOKAL Oberlausitz?

Weil es wichtig ist und weil es Spaß macht.

MARION PRANGE. EIN PORTRAIT.

Marion Prange arbeitete im Kraftwerk Hagenwerder, bevor sie ein Reisebüro eröffnete und schließlich Bürgermeisterin von Ostritz wurde. Sie hat den Wandel der Stadt erlebt und mitgestaltet. Ein Portrait.

Drei Wochen lang hat sie den Besuch von Bundespräsident Steinmeier vorbereitet. So eine schöne kleine Stadt, soll er gesagt haben. Jetzt, zum Ostritzer Friedensfest, schüttelt sie Ministerpräsident Kretschmer die Hand, der im Festzelt sagen wird, wie wichtig es sei, die Demokratie zu verteidigen. Wie wichtig es sei, vor Ort zu wirken, mit den Menschen, für die Menschen, bei den Menschen. All diese großen Worte: Werte, Recht, Staat, Demokratie, Gesellschaft, Gemeinschaft. Marion Prange klatscht und tritt nach Kretschmer ans Mikrofon. Näher dran als sie ist niemand. Sie wird angerufen, wenn der Strom ausfällt, wenn der Winterdienst nicht kommt. Sie ist da, wenn die Neiße über die Ufer tritt, wieder und wieder.  Wenn Neonazis kommen, wieder und wieder. Sie muss sich auf der Straße  für Merkels Flüchtlingspolitik rechtfertigen und für Kretschmers marodes Straßen- und Mobilfunknetz. Neuerdings interessiert sich die große Politik für sie und ihre Stadt. Auf einmal ist sie Vorreiterin im Kampf gegen Rechts und den Rechtsruck. Marion Prange hat eigentlich genug zu tun, auch so.

 

 Der richtige Zeitpunkt

Tauentzienstraße 25. Marion Prange nennt die Straße zwei Mal, daran erinnert sie sich. Sie sagt, diesen Namen werde sie nie vergessen. Tauentzienstraße 25 in Berlin. 1990. Sie hat sich für 400 Mark einen gebrauchten Trabi gekauft, Trabi-Kombi, gerade noch den Führerschein gemacht und fährt nach Berlin. Dort, in der Deutschlandzentrale der Neckermann Reisen, möchte sie vorschlagen und anmelden, in Ostritz, in ihrer Heimatstadt, ein Reisebüro zu eröffnen. In unmittelbarer Nähe des Marktplatzes, Gerhard-Hauptmann-Straße. Da waren die Grenzen kaum offen, die Reisefreiheit noch gar nicht richtig realisiert. Aber der Moment war eben da. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sie in Hagenwerder gearbeitet, im Kraftwerk des Braunkohletagebaus, des BKW, wie es hieß.

Marion Prange war in der Materialwirtschaft des Betriebes dafür zuständig, dass jede im Gebäude und in der Farbik verwendete Schraube, jeder Dübel, jede Glühbirne ordentlich nummeriert und betitelt aufgelistet wurde. Einer dieser Berufe, den heute Computer übernehmen, Rechenmaschinen, Datensätze. Eben einer dieser Berufe, den es heute einfach nicht mehr gibt. Und aufsteigen ging nicht. Dafür hätte sie politischer sein müssen. Engagierter in der Partei. Überhaupt in der Partei.

Die Wende kam für sie zum richtigen Zeitpunkt, sagt sie. Sie stand am Anfang ihres Berufslebens und hätte in Hagenwerder trotzdem nichts mehr werden können. 1990 war auf einmal alles möglich. Das erste Mal überhaupt. Sie hätte in den Westen ziehen können, „an die Mosel“, zusammen mit ihrem Mann, den sie in den 80er Jahren in Leuba kennengelernt hat. Aber beide bleiben und kündigen ihre Stellen im BKW. Sie fahren nach Berlin in die Tauentzienstraße für Marion Pranges Reisebüro und bauen 1994 am Ortsrand von Ostritz ein Einfamilienhaus.

Pressetermin während des zweiten Ostritzer Friedensfestes am 3. November 2018. Photo: Regine Thiering

Bürgermeisterin mit Aufwandsentschädigung

Wenn sie von ihrem Reisebüro erzählt, dann am liebsten über diese lange Menschenschlange vor der Tür. Darüber, dass sie den Menschen schöne Tage verkaufen konnte, wie sie es sagt. Das war damals ein richtiges Ereignis, als die neuen Neckermann- und Busreisekataloge erschienen sind. Marion Prange berichtet über ihren ersten Computer und über den Marktplatz von Ostritz. 20 Jahre lang hat sie ihn beobachtet, zunächst fünf Jahre von der Gerhart-Hauptmann-Straße aus, dann zog sie direkt auf den Untermarkt. Durch die Fensterscheibe ihres Büros hat sie die anderen Läden schließen sehen. Die Sparkasse ist geblieben, eine Bäckerei, eine Fleischerei. Wo das Lederwerk stand, ist heute eine Wiese, die Lederwerkwiese. Von den großen Weberei- und Spinnereibetrieben zeugt nur noch die nach ihnen benannte Fabrikstraße. Namen und Hüllen. Die Plattenbauten an der Bundesstraße Richtung Görlitz, einst schnell hochgezogen, um den Arbeitern und Arbeiterinnen Wohnungen zu bieten, werden mittlerweile von der Stadt zurückgebaut. Der Bund fördert das sogar.

2008 wird Marion Prange gefragt, ob sie Bürgermeisterin werden möchte. Sie war bis dahin in der Stadt aktiv, hatte sich in Initiativen und Vereinen engagiert. Ihr ältester Sohn war gerade ausgezogen, Hausbau und Neuanfang nach der Wende lagen mittlerweile ein paar Jahre zurück. Marion Prange ließ sich Zeit, dann sagte sie zu. Ja, sie möchte als Bürgermeisterin kandidieren. Und das Reisebüro noch nebenbei betreiben.

War das eine naive Entscheidung, die Kandidatur? Es mache ihr ja Spaß, sagt sie. Und irgendwie sei es an der Zeit gewesen. Und das Reisebüro? Das hat sie, wenig später, an ihre Nachfolgerin übergeben. Was sie damals schon wusste: Der Stadtrat entscheidet, dass der Ostritzer Bürgermeister, jetzt die Bürgermeisterin, nur noch ehrenamtlich die Geschäfte leiten soll. Für Ostritz ist das ein Novum und für eine Stadt mit eigener Verwaltung in Deutschland einmalig. Marion Prange hat also den gleichen Status wie ein Kamerad der freiwilligen Feuerwehr oder eine Geflügelzüchterin im Verein. Die Höhe ihrer Aufwandsentschädigung ist für Alle im Internet sichtbar.

Im Gespräch während des Ostritzer Friedensfestes. Photo: Regine Thiering

Die Momente zwischen den Krisen

Ihre ersten Amtshandlungen: sich orientieren, nachfragen, auch mal anecken. Auf ihrem Schreibtisch im Büro liegt eine Postkarte mit dem Spruch „Ich bin nicht kompliziert, sondern eine Herausforderung!“ 2008 will sie wissen, was im Falle eines Hochwassers passiert und passieren muss. Zwei Jahre später wird sich das, Intuition oder Gespür möchte sie es nicht nennen, als entscheidende Vorbereitung herausstellen. Als wichtigste Übung, als Stresstest sozusagen. Sie möchte erfahren, warum das stadteigene Biomassewerk rote Zahlen schreibt. Altlasten ihres Vorgängers. Sie prüft, rechnet, lädt Experten ein. Am Ende muss sie den Bürgerinnen und Bürgern, ihren Bürgerinnen und Bürgern, mitteilen, dass der Strompreis steigen wird. Unbequemer und unpopulärer kann man gar nicht starten.

Dann der August 2010. Zunächst sieht es so aus, als würde der Regen bald aufhören. Als könnten die Dämme halten, als wären sie hoch genug. Marion Prange beginnt damit, die Bürger und Bürgerinnen zu informieren. Sie gründet einen Krisenstab, telefoniert hin und her, steht auf der Straße, prüft Pegelstände. Der Regen hört nicht auf. Sie muss den Anwohnern sagen, dass sie ihre Häuser verlassen und alles zurücklassen müssen. Natürlich wird sie angeschrien, natürlich muss sie sich vorwerfen lassen, inkompetent zu sein. Das Wasser steigt stündlich, mittlerweile hat es die Höhe der Dammwände überschritten. Der Katastrophenalarm wird ausgerufen. Das Kloster säuft ab und auf einmal heißt es, dass die Nonnen es nicht verlassen möchten. Hubschrauber kreisen über der Stadt. Der Strom ist ausgefallen. In absoluter Dunkelheit, das Wasser rauscht, bricht sich an den Häuserwänden, werden Menschen in letzter Sekunde evakuiert. Sie wisse nicht, wie sie das damals geschafft habe, sagt Marion Prange. Wie sie tagelang wach sein konnte, ohne Spur von Müdigkeit. Das Adrenalin, sagt sie. Die Automatismen. Alles lief wie in einem Film ab. Und immer die Angst, versagen zu können. Jemanden nicht zu retten. Dass in diesen Tagen niemand ertrunken ist, sei ein Wunder. Sie erinnert sich an den Moment, als ein Mann sich mit letzter Kraft an einem Geländer festhalten konnte.

Parallel zu den Aufräumarbeiten diskutiert Marion Prange mit Landespolitikern und Landespolitikerinnen. Ministerpräsident Tillich verspricht lediglich Hilfe in Form von einmaligen Soforthilfen und Krediten, in enger Zusammenarbeit mit den Versicherungen. Dabei hatten diese schon nach dem Elbehochwasser 2002 viele der Versicherten fallen gelassen. Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich allein. Marion Prange kann in der Stadt lediglich spezielle Förderzonen ausweisen und erweitern, damit Sanierungsgelder nicht nur in die Altstadt sondern jetzt auch in die betroffenen Teile an der Neiße fließen können. Gegen den Vorwurf, Geld würde nur das Kloster erreichen, weiß sie sich zu wehren.

Aber nachdem 2013 das nächste Hochwasser kommt und die durchgemachten Nächte, die Angst zu versagen und die Anfeindungen sich wiederholen, fällt sie in sich zusammen. Wegen eines Burnouts wird sie eine Kur machen und sich überlegen, noch einmal als Bürgermeisterin zu kandidieren. Im Internet werden Gerüchte über sie verbreitet und sogar in Briefkästen verteilt. Manchmal wurde sie von einer Freundin angerufen, die sagte: „Das geht zu weit. Das darfst du dir doch nicht bieten lassen! Das ist die Sache nicht mehr wert!“ Marion Prange nennt es heute eine Schmierenkampagne.

Warum hat sie sich nochmal entschieden, Bürgermeisterin zu sein? Wieder habe sie lange überlegt, sagt sie. Entscheidend seien die Momente zwischen den Krisen, zwischen den Ausnahmesituationen. Das Gefühl, dass es ja irgendwie voran geht, dass ja etwas passiert, dass es besser wird. Dann sind da ihre Mitarbeiterinnen im Rathaus. Der Stadtrat, der hinter ihr steht, meistens. Mit 882 von 1.281 gültigen Stimmen wird Marion Prange 2015 erneut zur ehrenamtlichen Bürgermeisterin von Ostritz gewählt.

Steht man vor dem Rathaus in Ostritz, ist Marion Pranges Büro oben links neben dem Balkon. Am Tisch sitzt der Chef der sächsischen Polizei. Ostritzer Friedensfest. Bis zu diesem Moment war noch nicht klar, ob man den Neonazis auf ihrem Festival den Alkohol verbieten dürfe. Wieder so eine Ausnahmesituation. Im Winter 2017 hat sie erfahren, dass auf dem Gelände des Hotels „Neißeblick“ ein Rechtsrockfestival stattfinden soll. Sie hat ihre Bürgerinnen und Bürger informiert und sich selbst beraten lassen. Die Frage „Warum denn Ostritz?“ konnte sie aber weder den Anwohnern noch sich selbst so richtig beantworten. Jetzt, im November, die zweite Anmeldung. Aber auch das zweite Friedensfest, die zweite Gegendemonstration. Bundesweite Presseaufmerksamkeit. Steinmeier, Kretschmer. Sie sei keine Juristin, sagt Marion Prange, von Versammlungs- und Veranstaltungsrecht wisse sie nicht viel. Sie sei auch keine Expertin bei Hochwasserfragen. Ist sie vielleicht der Inbegriff einer Krisenmanagerin? Sie überlegt und lacht kurz auf. Dann dreht sie sich um und schüttelt dem Staatssekretär des Innenministeriums die Hand.

Lukas Rietzschel lebt und arbeitet in Görlitz. Er ist Autor des Romans Mit der Faust in die Welt schlagen.

INTERCLUB FEMINA IM PORTRÄT

Das Büro des Interclubs Femina ist im betriebsamen Stadtzentrum von Zgorzelec gut erreichbar. Der Altbau, der an das wilhelminische Bürgertum erinnert, hat seinen Charme noch nicht verloren, obwohl die Fassade und das Treppenhaus sanierungsbedürftig sind und den großzügigen Räumlichkeiten durch Aufteilung ihr ursprünglicher Charakter etwas abhanden gekommen ist. Zahlreiche Vereine, Beratungsstellen und Parteibüros sind in diesem Haus zu finden. Das Büro von Femina, wie alle den Verein kurz nennen, befindet sich im ersten Stock.

Erste Schritte über die Grenze: Kaffee und Kuchen im Dom Kultur

Im Dezember 1992 fand Hanna Ilnicka, heute Vorsitzende des Vereins, eine Weihnachtskarte in ihrem Briefkasten. Sie kam vom Demokratischen Frauenbund zu Görlitz, zusammen mit einer Einladung zur Zusammenarbeit. Frau Ilnicka sprach kein Wort Deutsch und es gab keinen vergleichbaren Verein vor Ort. Ein neuer bürgerlicher Geist war damals durch die Dynamik der politischen Wende aufgekommen und brachte neue Aufgaben und Erwartungen mit sich. Hanna Ilnicka lud die Vertreterinnen des Frauenbundes ins Dom Kultury , die ehemalige Oberlausitzische Gedenkhalle, zum Kaffee ein. Sechs Frauen von beiden Seiten der Neiße setzten sich zusammen: zwei Damen aus Zgorzelec mit einer Dolmetscherin und drei Görlitzerinnen. Der Gegenbesuch fand im März am Internationalen Frauentag statt. So kam es zu regelmäßigen Kontakten, zwei Mal im Monat, abwechselnd auf der deutschen und auf der polnischen Seite. Die Frauen waren neugierig aufeinander, die Gesprächsthemen lebensnah. In entspannter Atmosphäre, am Anfang immer mit Hilfe einer Dolmetscherin, kam es langsam zum Austausch und zur Anregung gemeinsamer Aktivitäten. Deutsch-polnische Sprachanimationen waren von Anfang an gewollt und sind zu einem festen Programmpunkt geworden. Die Begegnungen fanden in Zgorzelec im Dom Kultury statt, später wurde der Frauengruppe ein Gemeinschaftsraum im hiesigen Klinikum zugänglich gemacht. Während Mitglieder des Görlitzer Frauenbundes ihren festen Sitz hatten, blieb die polnische Gruppe informell und ohne eigene Adresse.

Logo des Interclub Femina (Photo: www.interclubfemina.pl)

Seit über 20 Jahren aktiv für Frauen in der Region

1998 wurde der Interclub Femina ins Leben gerufen, 2018 feierte er sein zwanzigstes Jubiläum. „Wir hatten nicht den Anspruch eine rein weibliche Organisation zu etablieren“, erinnert sich Hanna Ilnicka. Der Interclub wurde eher aus dem Moment heraus ins Leben gerufen. Die Begegnungen der vorangegangenen Jahre hatten den Alltag der Frauen bereichert. Persönliche Kontakte waren entstanden und viele der Frauen, die in dieser Zeit den Austausch suchten, politisierten sich und begannen, sich für grenzüberschreitende gesellschaftliche Fragen zu interessieren. Nach der Vereinsgründung arbeiteten sie an den ersten Konzepten, darunter auch an deutsch-polnischen Projekten. Bis heute gibt es Kontakte über die Neiße hinweg zu so aktiven Vereinen wie dem Demokratischen Frauenbund, dem GÜSA e.V., dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem Meetingpoint Music Messiaen und dem KoLABORacja e.V. Was haben die Frauen beiderseits der Neiße von diesen Verbindungen? Ein Gefühl der Gemeinschaft, gegenseitiges Vertrauen und Unterstützung – und eine Menge Spaß. Sie sind Berufstätige und Rentnerinnen, einige Mitglieder sind seit 26 Jahre dabei. Bei den älteren, verwitweten Frauen hat die Vereinsmitgliedschaft im Laufe der Zeit eine tiefe freundschaftliche Dimension bekommen: Sie treffen sich sowohl auf Geburtstagen als auch auf Beerdigungen.

Frauen aktivieren und beraten

Heute zählt der Interclub Femina 37 Mitglieder und dient als Plattform für den Informations- und Erfahrungsaustausch zum bürgerschaftlichen Engagement und die Frauenarbeit auf regionaler Ebene. Neben der Förderung und Pflege des interkulturellen Austauschs gibt es viele weitere Angebote, die sich sich eng an der Lebenswelt der Frauen orientieren. Der Mehrwert jeglicher Veranstaltungen von Handarbeitsabenden bis Bundestagsexkursionen liegt dabei immer in den verbesserten Beziehungen und dem wachsenden gegenseitigen Vertrauen.

Zum Ziel des Vereins gehört die gesellschaftliche und berufliche Aktivierung von Frauen. Mit Ideen des Dialogs, der Beihilfe und Zusammenarbeit will er breitere Kreise ansprechen. In seinem Büro unterhält der Interclub Femina eine Filiale des Niederschlesischen Beratungspunktes für NGOs (Nichtregierungsorganisationen) und individuelle Personen, die an Zusammenarbeit interessiert sind. Allein im Landkreis Zgorzelec sind 400 Vereine und NGOs registriert. Der Interclub bietet juristische Unterstützung, meistens bei Vereinsgründungen und -auflösungen sowie Buchführung und Beschaffung von finanziellen Mitteln. Im Rahmen der Vereinsaktivitäten werden verschiedene Formen des bürgerlichen Engagements ausgeübt. Aktuell startet zur Förderung des Ehrenamtes im städtischen Raum das Projekt „Mütter-Töchter“ in Kooperation mit einem Kindergarten in Zgorzelec.

Die Frauen des Interclub Femina bei einer Preisverleihung. In der Mitte Hanna Ilnicka. (Photo: H.Ilnicka)

Kooperation als Gegenmodell

Das Engagement im dritten Sektor ist nach Auffassung von Hanna Ilnicka eine politische Aktivität, weil durch Tätigkeit der NGOs im öffentlichen Raum die Lokalpolitik mitgestaltet wird. Als Sozialarbeiterin hat Frau Ilnicka im Kreis Zgorzelec jahrelang für unterschiedliche Milieus und Familienkonstellationen gearbeitet und nach Lösungen für deren akute Probleme gesucht. Nach ihren Beobachtungen sind die beruflichen Entwicklungschancen, die Einsatzbereitschaft und der Unternehmungsgeist der Frauen östlich der Neiße von ihrem gesellschaftlichen Umfeld stark geprägt. Die Hindernisse, auf die Frauen auf dem beruflichen Weg und im bürgerschaftlichen Engagement stoßen, sind altbekannt: Die Rollenzuteilung innerhalb der Familie und die Aufgabenverteilung im Haushalt. Je nach der Stellung der Frauen in ihrem Umfeld, finden sie Zeit und Raum für die Erfüllung dieser traditionellen Rollenerwartungen oder für deren Veränderung. Besondere Einschränkungen und Herausforderungen sind in der Realität im ländlichen Raum vorhanden. Vor dem Systemwechsel 1989 wollten Frauen beides haben, Job und Familie. Danach wurde es wegen der knapperen Arbeitsplätze für die Frauen nicht leichter und die traditionellen Rollen im Alltag waren wieder präsenter. In Mehrgenerationshäusern, dank Unterstützung von Familienmitgliedern bei Ausbildung, Kinderbetreuung und Haushalt konnten manche dennoch ihre beruflichen Ziele erreichen. In den letzten 30 Jahren veränderten sich die klassischen Geschlechterrollen in Polen, wie auch in anderen Ländern. Frauen sind aktiv beteiligt in Sphären, wo sie bisher selten anwesend waren. Ganz nüchtern betrachtet ist der Zugang zu bestimmten Gütern der Zivilisation wie guten Waschmaschinen oder Geschirrspülern leichter geworden, Jobperspektiven und Staatsgrenzen sind offen. Dafür konkurrieren Frauen heute beruflich und politisch stärker miteinander, statt gemeinsam zu wirken. Die Erfahrungen der Mitglieder des Interclubs Femina zeigen jedoch, dass durch Kooperation oft mehr erreichbar ist.

HERWIGSDORFER UNIKATE IN GOLD

Rosenbach, eine kleine Gemeinde an der B6, zwischen Löbauer Berg und Rotstein. Einer der vier Ortsteile ist Herwigsdorf. Dort gibt es, neben einer tausendjährigen Eiche und einer Kirche mit barockem Türmchen auf dem schlichten Dach, auch dies: Ein Hausprojekt. Zugezogene, Zurückgekehrte, junge Familien. Die Tür geht auf, Anika winkt mich rein. Sie ist einer dieser Menschen, die viel Energie, Tatkraft und Freude ausstrahlen. Auch abstrahlen – wenn man mit ihr zusammen ist, werden die Gesten unwillkürlich größer, das Gespräch lebhafter, das Lachen lauter. Anika ist Anousch – Goldschmiedin und Unternehmerin mit eigenen Schmuckkreationen. Sie nimmt mich mit in die Welt, die sie und ihre Familie sich hier gemeinsam mit anderen geschaffen haben.

Hier in Herwigsdorf lebt sie mit ihrem Partner und zwei Kinder, hier hat sie ihre Goldschmiedewerkstatt. Gelernt hat die gebürtige Thüringerin das Handwerk in Arnstadt. Sie hat in Leipzig gelebt, lange auch in Berlin. Warum jetzt die Oberlausitz, warum Herwigsdorf? „Das war mehr oder weniger Zufall“, erzählt sie, „ich war schwanger und eine Etage in einem Hausprojekt war frei. Die Miete in Berlin war sauteuer und in der Oberlausitz kannten wir einige Leute. Mit der Besichtigung der Räumlichkeiten ist meinem Freund und mir dann klar geworden, was man hier noch alles auf die Beine stellen kann, was platzmäßig hier einfach geht und was in Berlin undenkbar in den nächsten Jahrzehnten ist.“ Die leeren Räume ließen die Ideen sprießen: Von Holz- und Goldschmiedewerkstatt bis zur Ferienwohnung, Goldschmiedeworkshops, Sauna, Proberäume, ein eigener Garten – vieles war denkbar. Aber was davon hat sich, nach acht Jahren in dem kleinen Ort, auch als machbar erwiesen?

Bei der Arbeit II: Feilen an der Werkbank in Rosenbach (Photo A. Bomm) 

Vor allem ihre Werkstatt hat sich als Dreh- und Angelpunkt fürs Arbeiten und Wohnen etabliert, hier werden nicht nur Edelmetalle, sondern auch Pläne geschmiedet. Hier hat vieles seinen Anfang. Sie beschreibt sie so: „Es ist ein geschlossener Raum, der eine Tür hat, die auch zu geht. Das ist mir wichtig, denn vorher, in der Mietwohnung, hatte ich meine ‚Werkstatt‘ im Wohnzimmer und das war auf Dauer keine Lösung.“ Wirklich zu ist die Tür dann aber doch nur selten, da sich in diesem Raum eigentlich alles mischt. „Meine Hobbys, mein Beruf – eigentlich ein Raum, in dem ich mich kreativ ausleben kann und der unordentlich sein und bleiben darf.“

Im Gespräch kehrt sie immer wieder zu diesem Ort zurück, der ihr Rückzug und Ausgangspunkt ist, das Herzstück ihrer schöpferischen Tätigkeit. Hier recherchiert und probiert sie Techniken wie Linolschnitt, Tape Art und Aquarellmalerei. Hier entwirft und fertigt sie Schmuckunikate aus Silber und Kupfer. Sie fasst Edelsteine, entwickelte aber auch die Idee, Microchips und Fragmente von Leiterplatten zu verarbeiten. Und noch etwas kommt immer wieder zur Sprache, wenn sie über kreative Prozesse nachdenkt: Musik. In den arbeitsreichen Abenden und Nächten der Vorweihnachtszeit, wenn sie, wie sie sagt, im Technotakt den Schmiedehammer schwingt oder sich in Hörspiele vertieft – dann ist Musik der schnellste Weg zu innerer Ruhe, Konzentration und ein willkommener Ausgleich zum Arbeits- und Familienalltag. Es geht aber auch anders: draußen, laut, mit vielen zusammen, auf Konzerten und Festivals. Musik als Möglichkeit, Kraft zu tanken und mit Leuten in Kontakt zu kommen, die nichts mit Beruf und Karriere zu tun haben.

Gemeinsame Erlebnisse sind auf dem Land wichtiger geworden. In Berlin war es ihr oft zu viel, ständig unter Menschen zu sein. „Das kann schon das Gemüt beeinflussen, wenn man in Friedrichshain vor die Tür geht und mal eben inmitten hunderter Zuschauer ist“. Gerade als Mutter schätzt sie die Zurückgezogenheit hier. Der Druck, sich ständig mit anderen Müttern vergleichen (lassen) zu müssen, ist geringer. Die Kinder können sich freier bewegen, sind im Garten unterwegs und haben kurze Wege zu Schule und Kita. „Ich muss nicht mehr auf irgendeinem „Spieli“ rumhängen und mich langweilen“ freut sich Anika. Bevor unser Gespräch sich vollends zu einem Lobgesang aufs Landleben entwickelt, setzt sie den beschaulichen Gedanken aber ein vorläufiges Ende. Ganz so einfach sei es schließlich auch nicht. Die ersten drei Jahre waren, „sehr sehr anstrengend und überhaupt nicht idyllisch. Von wegen weniger Miete zahlen, weniger arbeiten, mehr Zeit für die Kinder! Das hat echt gedauert, bis wir hier genug Geld verdient haben.“ So einfach, wie es manchmal dargestellt würde, sei das mit dem Zurückkommen oder Freiräume nutzen nicht. Sie kennt viele, die zum Arbeiten in andere Bundesländer pendeln, erzählt sie. Dort verdienen sie mehr und finanzieren so ihr Landleben „in der Heimat“.

Arbeitsplatz in Herwigsdorf (Photo A.Bomm)

Der finanzielle Druck ist in der Provinz also nicht unbedingt geringer geworden. Echte Nachteile gegenüber der Stadt sind aber, überlegt Anika, die fehlenden Kulturangebote und die weiten Wege. Abends mal in die Kneipe, ins Kino, zu einer Freundin, ohne fahren oder gleich dort übernachten zu müssen. Öfter mal raus aus dem Dorf, das muss gehen, dafür nimmt sie auch weitere Wege in Kauf. Privat ist sie häufig in Görlitz, Freund:innen besuchen, im Fitnessstudio den Kopf frei machen. Mit ihrem Schmuck fährt Anousch ganzjährig auf Märkte – viel im Landkreis, aber auch mal bis Leipzig. Unterwegssein ist ein wichtiger Teil ihrer schöpferischen Arbeit. Auf den Märkten hat sie Gelegenheit, sich mit alten Kolleginnen auszutauschen, neue kennen zu lernen, sich und ihre Arbeit im Gespräch mit Kunden zu reflektieren, viel Neues aufzusaugen. Diese Begegnungen formen und schärfen den eigenen Stil immer weiter. Zurück in Herwigsdorf fließen ihre Beobachtungen dann in die neue Kollektion ein oder helfen, spezielle Wünsche umzusetzen.

Die Präsenz auf vielen Handwerkermärkten hat ihr eine weitläufige, vielfältige Kundschaft eingebracht, die ihre Entwürfe schätzt und gezielt mit Wünschen auf sie zukommt. An unzähligen Ringfingern stecken Eheringe aus ihrer Schmiede. Als Anika stolz berichtet, dass sie mittlerweile auch aus der direkten Nachbarschaft einige Aufträge erhalten habe, wird aber etwas anderes deutlich. Dass neben der Anerkennung durch ein breiteres, an Goldschmiedekunst interessiertes Publikum auch dies so wichtig ist: In der unmittelbaren Nachbarschaft gesehen und anerkannt zu werden. Die Dorfgemeinschaft als Echokammer des eigenen Tuns – Komplimente stilsicherer Leipziger:innen sind schön, Resonanz aus Herwigsdorf noch ein bisschen schöner. Das schwingt mit, wenn sie von den Theateraufführungen und kleinen Konzerten erzählt, die die Hausbewohner:innen im Sommer im eigenen Garten organisieren: „Es gibt schon ein paar Leute, die sicherlich nicht so richtig verstehen, wie wir so leben mit den ganzen Leuten im Haus. Aber wir machen sommerliche Veranstaltungen, wo sich die eine oder der andere Herwigsdorfer zu uns gesellt und einfach fragt, wie wir so wohnen. Das ist schön und die meisten Leute sind wirklich nett und aufgeschlossen.“

Mittlerweile nimmt auch ein anderer Plan langsam Gestalt an. Bisher hat sie Goldschmiedeworkshops nur im Freundes- und Bekanntenkreis angeboten. Das hat allen Beteiligten viel Spaß gemacht, so dass sie das Angebot sicher zum festen Teil ihres Arbeitsjahres machen wird.

Was ihr Leben zwischen Märkten, Werkstadt, Stadt und Land noch ein bisschen einfacher machen würde? Oder besser? Sie lacht und träumt von einem Kultur-Shuttlebus, der zwischen den Oberlausitzer Städten unterwegs ist und sie nachts auch mal wieder nach Herwigsdorf bringt. „Eine echte Erleichterung wäre aber kostenlose Kita- und Hortbetreuung. Arbeiten, um sich die Kinderbetreuung leisten zu können ist nämlich genauso sinnfrei, wie die Kinder in die Kita zu stecken, damit man arbeiten darf.“

Mehr zu den einzelnen Schmuckstücken von Anika gibts hier.

Claudia Ehrig lebt seit einigen Jahren mit ihrer Familie in Görlitz.

FEMINISTISCHES*FORUM. EIN PORTRAIT.

„Als ich nach Görlitz gezogen bin, wollte ich mich hier einer feministischen Gruppe anschließen. Es gab keine – also habe ich sie gegründet.“  – Rana

„Na, trefft ihr euch wieder zum Sekt trinken?“ „Zeigt ihr euch heute wieder gegenseitig eure Vulven?“ „Ist heute wieder feministischer Kampftreff?“

Diese oder ähnliche Fragen hat wohl jede Teilnehmerin* des Feministischen*forums von Menschen in ihrem Umfeld bereits gestellt bekommen. Es ist interessant zu beobachten, welche Vorurteile im Raum stehen, wenn Frauen* entscheiden, sich regelmäßig in einem exklusiven Raum zu treffen.

Allein die Tatsache, dass Frauen* sich in einem nicht für alle transparenten Rahmen zusammenschließen, scheint Argwohn und Zweifel hervorzurufen. Warum? Vielleicht, weil spürbar ist, dass Frauen*, die sich zusammen schließen eine Kraft entfalten, die gesellschaftlichen Wandel beschleunigen kann?

Mit diesem Beitrag möchten wir als Feministisches*forum unsere Arbeit vorstellen und zeigen, welchen Mehrwert für alle ein solches Format haben kann. Wie fing es an?

Vor etwa zwei Jahren lud uns Rana zu einer ersten Ideenschmiede in ihr Wohnzimmer ein. Es gab Snacks, Tee und Wein. Wir waren eine Runde von etwa sieben Frauen*, von denen sich manche kannten, andere nicht.

Natürlich stand die Frage im Raum, was wir hier überhaupt wollen. Queer-Feminismus und verwandte Themen lagen uns am Herzen, damit wollten wir uns auseinandersetzen und gemeinsam unser Wissen und unseren Blick erweitern. Bisher gab es dazu keine Angebote in Görlitz. Könnten wir uns also vorstellen, ein feministisches Projekt zu starten?

There we are!

In unserer kleinen Runde herrschte keinesfalls Einigkeit, was den Begriff „Feminismus“ betraf, einige hatten große Identifikationsprobleme mit dem Wort. Deshalb stellten wir uns die Frage noch einmal neu:

Können wir Frauen* eine Plattform bieten, um gemeinsam etwas zu gestalten? Das klang für viele schon besser.

Von Beginn an standen uns keinerlei finanzielle Mittel zur Verfügung, wir mussten uns erst einmal mit den vorhandenen Ressourcen organisieren. Anfangs sammelten wir für uns interessante Themen und arbeiteten Diskussionsrunden, Workshops und Vorträge dazu aus. Wir wollten unser Wissen solidarisch teilen, indem Einzelne ihre angeeignete feministische Expertise durch Vorträge und Workshops an die anderen weitergaben.

Der gruppendynamische Enthusiasmus der ersten Treffen verflog schnell und potenzielle Teilnehmer*innen kamen unregelmäßig bis gar nicht. Manchmal saßen wir zu dritt, manchmal zu zweit bei unseren Treffen. Männer* als auch Frauen* reagierten mit Skepsis auf unser Angebot.

Es war spannend zu sehen, wie kritisch die Stimmen auf einmal werden, wenn Männer* auf einer einzigen Veranstaltung in Görlitz nicht erwünscht sind:

„Warum braucht es einen geschlechtshomogenen Raum, wenn Feminismus doch gesamtgesellschaftlich relevant ist? Warum schließt ihr Männer* aus, wenn ihr doch für Gleichberechtigung einsteht?“

Wir stellen uns diese Fragen auch. Auch für uns ist Feminismus keine reine Frauen*frage. Es sollte auch keine sein.

Dennoch denken wir, dass es für die Auseinandersetzung mit bestimmten Themen sinnvoll sein kann, einen Schutzraum vor männlicher* Beobachtung, Bewertung und Dominanz zu bieten.

Das Feministische*forum ist deshalb offen für Frauen*, Lesben*, Trans*-, Inter*- und nicht-binäre* Menschen. Innerhalb dieses Spektrums ist jede Person genau so willkommen, wie sie ist.

Um die Vielfalt der Geschlechter-Identitäten zu kennzeichnen, benutzen wir das Gender-Sternchen*. Für einige Stunden sollen patriarchale Strukturen nicht präsent sein – so kann ein Raum zum Kennenlernen eigener Stärken und für einen wertfreien Meinungsaustausch geschaffen werden. Innerhalb dieses Raumes können die anwesenden FLINT*-Menschen Solidarität und Empowerment erfahren, sowie Stärken entwickeln, die sie dann nach außen tragen können.

Uns ist es wichtig, einen Raum zu schaffen, in welchem wir uns über feministische Inhalte austauschen und weiterbilden können, um dieses Wissen weiterzugeben und uns in unseren Standpunkten zu stärken. Uns verbindet die Erfahrung der Benachteiligung in verschiedenen Lebensbereichen, die alle kennen lernen, die von der Gesellschaft als FLINT* gelesen werden. Der Austausch darüber ermöglicht es uns, einen tieferen Zugang zu verschieden feministischen Problematiken, Inhalten und Chancen zu bekommen und uns persönlich weiterzuentwickeln. Wichtig ist es uns, damit eine Lücke in Görlitz zu füllen, für alle FLINT*, welche sich solch einen Raum wünschen.

Perspektivisch ist es jedoch auch im Sinne des Forums, ausgewählte Veranstaltungen auch für Männer* zu öffnen. Auch sie sollen von unseren Formaten inspiriert werden, denn Feminismus ist für uns alle relevant.

Klausurergebnisse

Im Laufe der Zeit etablierte sich das Feministische*forum immer mehr. Es kamen stetig neue Interessierte dazu und blieben. Mittlerweile hatte sich ein fester Kern von Frauen* gefunden, die die wöchentlichen Treffen gerne nutzen. Darüber hinaus gab es verschiedenste interessierte FLINT*, welche an von uns organisierten oder unterstützten öffentlichen Veranstaltungen teilnahmen.

Als die Anzahl der Teilnehmenden im Forum stieg, wurde uns klar, dass wir ganz unterschiedliche Erwartungen und Wünsche an diese Treffen hatten. Das am Anfang thematisch sehr offene und dynamische Konzept benötigte einen deutlicheren Leitfaden, um diese Vorstellungen zu bündeln und das Forum effizienter zu organisieren. Innerhalb eines intensiven Klausurnachmittags wurden die letzten zwei Jahre evaluiert und diskutiert.

Im Ergebnis kristallisierte sich heraus, dass zum einen für viele Teilnehmende die Treffen im privaten Rahmen ein wichtiger Aspekt des Forums sind, um einen Schutzraum für persönlichen Austausch zu haben. Zum anderen gibt es einen Teil des Forums, welcher seinen Fokus auf Veranstaltungen und Aktionen im öffentlichen Raum legt. Da sich die verschiedenen Bereiche nicht gegenseitig ausschließen, wurde beschlossen, beides innerhalb des Feministischen*forums zu vereinen. Zu den regelmäßigen Feministisches*forumstreffen kommen seitdem separate Plena, in welchen externe Aktionen wie zum Beispiel der ‘Frauen.Engagement.Raum‘ besprochen und geplant werden. Beide Teile des Forums sind jederzeit für neue Teilnehmer*innen geöffnet. Inwieweit jede Einzelne dann als Konsument*in oder auch als Produzent*in sichtbar wird, liegt dabei ganz bei der einzelnen Person. Das Feministische*forum möchte dabei eine Plattform für alle sein, die mehr wissen und vielleicht auch mehr machen wollen.

Und mittlerweile haben wir auch eine Definition für Queerfeminismus:

Als Queerfeminismus verstehen wir den aktiven Kampf gegen strukturelle Ausgrenzung von Menschen qua Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Gesundheit, Klasse, Aussehen, Religion und Glaube sowie Alter. Dabei wissen wir um die Vielfalt von Geschlechtern, die ausschließlich in der Eigendefinition zu finden ist. Heteronormativen Zuschreibungen und den damit einhergehenden Normvorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit und dem Zwang zu Heterosexualität stellen wir uns immer und überall entgegen.

Kontaktiert werden, können wir über:

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Über unsere Facebook-Seite „aus’m F:f“ erfahrt ihr von unseren Veranstaltungen

DRÜCK‘ SELBST DEN KNOPF IM FAHRSTUHL!

Weißt du, warum ich nie in meinem Leben angestellt war? Warum ich übergangslos von meinem Studium in die Selbstständigkeit gegangen bin? Weil ich schon immer, schon als Baby, mein eigenes Business haben wollte und als Kind bereits BWL-Bücher verschlungen habe!

Das ist natürlich Quatsch. Ganz ehrlich: Es war aus Versehen. Ich stand mal wieder in einem Fahrstuhl und hatte vergessen, den Knopf zu drücken. So kam ich diesmal im Keller bei der Putzfrau raus.

Warum du definitiv einen Knopf im Fahrstuhl drücken solltest

Mein damaliger Mann und ich hatten in einem Anfall geistiger Umnachtung beschlossen, ein Haus in der südbrandenburgischen Provinz zu kaufen. Das war zwar günstig und das Haus war schön alt, aber fast eine Lebensaufgabe, es zu sanieren. Damals, das war 2002. Meine Kinder waren 2 und 4 Jahre alt. Und ich wollte, dass sie groß werden, mit nackten Füßen über taufrisches Gras laufen, mit dem Fahrrad zum Kumpel um die Ecke fahren, ein Baumhaus im Apfelbaum bauen und mit den Freunden Nächte im eigenen Garten durchfeiern, wenn die Eltern nicht da sind. Und Oma und Tante in der Nähe.

Berlin, das war eigentlich meine Welt. Aufgewachsen bin ich genau in jenem Ort, an den ich dann 13 Jahre später wieder zurückgezogen bin. In Lauchhammer. Nach der Wende war ich in Stuttgart, Dresden und Berlin. Und ich hatte vergessen, wie Provinz ist. Schön naturbelassen. Aber eben auch provinziell.

2002 gab es keine Jobs. Zehn Jahre zuvor waren Hunderttausende arbeitslos geworden. Strukturwandel, Teil 1. Marode und umweltschädliche Braunkohleverstromung oder -brikettierung brauchte man nicht mehr.

Wohin mit den vielen gering qualifizierten Arbeitskräften? Straße. Arbeitsamt. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Da ging damals echt die Party ab.

Nun war ich auf einmal Teil der Party. Ich war Mutter von zwei kleinen Kindern, hatte zwei Diplome in der Tasche und hatte so richtig Bock, die Arbeitswelt mit meinem Enthusiasmus, meinen Ideen und meinem profunden Fachwissen aus BWL und Ingenieurwissenschaften zu bereichern. Studiert hatte ich neun Jahre, BWL an der TU Dresden und nach dem Abschluss, mit 23, fühlte ich mich zu jung für einen Nine-to-five-Job. Und ich wollte nach dem trockenen BWL-Zeugs mal was richtig Schönes studieren. Daher entschied ich mich für Landschaftsarchitektur. Hach! Während dieses Studiums bekam ich meine beiden Kinder und schloss das Studium 2002 mit Diplom ab.

Allerdings legte die Arbeitswelt in Form von bezahlten Jobs keinen Wert auf mich und mein tolles Fachwissen. Ich bekam nur Absagen.

Nun sei doch vernünftig – bleib doch zuhause

Daher dachte ich, es wäre schlau, zum Arbeitsamt zu gehen. Ich studierte ja gerne, vielleicht wäre eine Fortbildung drin. Zettel ziehen, Arbeitsamt-Atmosphäre genießen, warten. Drin starrte mich die Mitarbeiterin entgeistert an. Sie blätterte durch meine Unterlagen und sagte: “Weiterbildung? Können Sie vergessen. Sie sind doch jetzt schon überqualifiziert.” Ich wagte zu fragen: “Und ein Englischkurs?” Sie lehnte sich vornüber, beugte sich zu mir und legte ihre Hand auf meinen Unterarm. “Mädel. Nun sei doch vernünftig. Die Arbeitslosenquote hier liegt bei fast 40 %. Da werden die Firmen nicht gerade auf dich warten. Du hast doch einen Mann, der verdient ganz gut. Bleib zu Hause und kümmere dich um deine Kinder.” Abrupt machte ich mich groß und stand auf. “Mich von meinem Mann versorgen lassen? Kommt nicht in Frage!” Was war das denn für ein Vorschlag? Ich kam nicht drüber weg. Danach hatte ich noch weitere behördliche Mitarbeiter zu überwinden, um arbeitssuchend ohne Leistungsbezug zu werden – und ich schwankte mit letzter Kraft zur Tür hinaus.

An jenem Tag, im April 2003 beschloss ich: „Da gehst du nie wieder hin. Nie wieder!!!“ Höchstens in die Nachbartür. Da stand Arbeitgeberservice dran. Die Jungs hier werden mich als Arbeitgeber noch schätzen! Ich wusste nicht wie. Ehrlich gesagt, ich hatte keine Ahnung, was es heißt, selbstständig zu sein.

Aber ich ging los. Aus Trotz. Und mit einem Bild vor Augen. Arbeitgeberin zu werden. Selber Arbeitsplätze zu schaffen.

Das Einizige, was ich wirklich konnte, war schreiben

Während ich so aus dem Arbeitsamt raus spazierte und gedankenverloren weiterging, stand ich auf einmal vor einem Gebäude. Da stand in blauen Buchstaben: „Lausitzer Rundschau“. Ich überlegte. Das Einzige, was ich wirklich konnte, war schreiben. Ich beschloss, Journalistin zu sein.

In einem weiteren Anfall von Verzweiflung und Übermut, wählte ich die Nummer des Redaktionschefs der Zeitung. Die Sekretärin war eine Seele von Mensch und stellte mich durch. Ich sagte forsch: „Guten Tag, ich kann gut schreiben. Was muss ich tun, um für Sie arbeiten zu können?“ Gegenfrage: „Was können Sie denn bieten? Haben Sie einen Text für uns…?“ Äh… Blitzschnell fiel mir ein, dass es bestimmt interessant wäre, wenn es mir gelänge, einen sehr publikumsscheuen Unternehmer am Ort zu interviewen. Und sprach: „Ich kenne Herrn M., Geschäftsführer von XY ganz gut. Wie wäre es mit einem Vorstellungstext?“ Stille. Und dann: „Oh. Wenn Sie den kennen …?  Na, dann los!“ Das Interesse am anderen Ende konnte ich förmlich spüren. Wir einigten uns darauf, dass ich bis Freitag diesen Text an die Redaktion senden sollte. Ich legte auf. Und ich wusste, dass es an eine Unmöglichkeit grenzte, einen Mann, der als extrem pressescheu galt, bis zum drauf folgenden Tag zu interviewen. Einen Termin zu bekommen, einen Text zu verfassen als Neuling – und dann noch beim Chefredakteur durchzukommen.

Was ziehen Journalisten überhaupt an?

Aber es nutzte ja nix. Ich hatte ja nun mal zugesagt. Also drehte ich das Telefon in meinen Händen. Mehrfach. Dann fasste ich mir ein Herz und rief die Sekretärin von besagtem Unternehmer an. „Es geht um Leben und Tod. Ich brauche heute Nachmittag einen Termin mit Herrn M.“. „Okeeeee. Moment!“ Ich bekam den Termin. Schnell ins Bad, ordentliche Sachen anziehen. Oh, was ziehen Journalisten eigentlich an? Und was zu Schreiben mitnehmen. Da kann ich wohl nicht mit meinem ausgenudelten Schreibblock vom Studium hin wackeln… Also ein altes Buch rausgekramt, die ersten Seiten rausgerissen, in denen mein Sohn gemalt hatte. Und los.

Der Unternehmer übrigens, er war einer von der Sorte, die, egal auf welche Frage mit Ja oder Nein und langem Schweigen antworten, nahm sich tatsächlich eine halbe Stunde Zeit. Ich schmierte ihm auf die Stulle, dass sein Porträt dem Ober-Ober-Ober-Chef der Rundschau persönlich sehr am Herzen läge.

Entweder, ich konnte gut überzeugen, oder der Mann hat aus Mitleid mitgespielt. Das weiß ich bis heute nicht. Nun, nach einem mehr als anstrengenden Gespräch – eher ein Monolog von meiner Seite, hatte ich die erforderlichen Informationen zusammen. Fuhr nach Hause und begann zu schreiben, als meine beiden Kinder im Bett waren. Ich schrieb, und schrieb und schrieb. Und weit nach Mitternacht war ich fertig. Ließ den Text „reifen“ und sandte ihn am folgenden Tag an den Chefredakteur.

Kurz nachdem ich auf den Sendebutton gedrückt hatte, klingelte mein Telefon. „Wo haben Sie das gelernt?“ „Ich, äh…“ Kurz, wir einigten uns auf drei Wochen unbezahltes Praktikum und danach war ich drin. Freie Journalistin für einen Hungerlohn. Auf monatliche Rechnung, die geringer war als Hartz IV. Aber drin im System.

Nach einigen Wochen kam Routine. So viele spannende Menschen! Ich lernte, zuzuhören. Zu fragen. Ganz aufmerksam zu sein. Und ich stellte fest: Jede*r hat eine Geschichte. Voll Tragik, voll Glück, voll Liebe und voll Schmerz. Das Leben. Das hat mich nicht losgelassen. Ich liebe es, Geschichten zu hören, zu erleben und zu sehen, wie Menschen wachsen.

Nach einigen Monaten fragte mich einer der Menschen, die ich kennen lernte, ob ich auch den Text seiner Website schreiben könnte. Ich konnte. Und merkte schnell, dass diese Seite des Schreibtisches besser bezahlt wurde. So wechselte ich auf die PR-Seite. Auch hier: Es geht immer um die Menschen, die etwas zu sagen haben und ihre Geschichte erzählen.

Kein Urlaub, dafür Picknick im Wohnzimmer

Irgendwann kamen dann grafische Aufträge dazu – und es wurde eine Werbeagentur aus der Selbstständigkeit. Es war viel Arbeit. Lehrgeld! Allzu oft war der Kühlschrank leer. Hmm. Mal wieder Leberwurstbrot. Meine Kids haben davon nicht so viel mitbekommen. Denn es ist eine Frage der Sichtweise. „Wollen wir heute Eier essen?“ „Hatten wir die nicht gestern schon?“ „Na klar, aber doch keine Spiegeleier.“ Ihr versteht, was ich meine. Also wenn kein Urlaub, dann aber Picknick im Wohnzimmer. Irgendwann wurde es besser und besser. Die Aufträge größer, die Beratung strategischer. Immer noch im Mittelpunkt: Menschen und ihre Geschichten, denn, komm mal nah ran an den Bildschirm: Menschen kaufen bei Menschen. Das wird immer so sein – und es ist das Geheimnis des Marketings.

Und dann:

Etwa fünf Jahre später parkte ich meinen Touran auf dem Parkplatz vor dem Arbeitsamt, das inzwischen Agentur für Arbeit hieß. Ich hatte ein ansehnliches Jackett an, leichte Absatzschuhe und meine Tasche war auch ganz hübsch. Ich ging hin zur Tür vom Arbeitgeberservice, wurde überaus freundlich und beflissen begrüßt und bekam sofort einen Termin, bei dem ich mit Handschlag von meinem Berater begrüßt wurde. Denn ich hatte zwei Jobs anzubieten. In meinem eigenen Unternehmen!

Ich hatte einen Traum. 2016 schon. Immer wieder stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn ich mein Unternehmen vom Campingplatz aus führen könnte. Ja, du liest richtig. Campingplatz. Ich liebe es, unterwegs zu sein. Mein Wunsch war, Wieduwilt Kommunikation so aufzustellen, dass wir unsere Kund*innen komplett ortsunabhängig betreuen können. Und ich in meiner Lieblingskuscheljacke in der Natur an den schönsten Orten der Welt sitze – und über Internet mit allen in Verbindung bin, während ich die Welt entdecken darf. Ich bin am kreativsten, wenn ich in der Natur bin.

Ja, was soll ich dir sagen? Ich glaubte nicht daran. Aber eine Unternehmensberaterin, die ich damals eigentlich wegen einer ganz anderen Sache gebucht hatte, die fragte mich, was ich „eigentlich“ am liebsten in fünf Jahren tun würde. Ich platzte raus: „Mein Firmenimperium vom Campingplatz aus steuern.“ Und sie sagte: „OK. Gehen wir es an.“ Sie wunderte sich nicht einmal. Ich war baff. Wenn so logische Menschen, wie Unternehmensberater, es nicht für komplett bescheuert halten, vielleicht geht es ja doch…

Und wenn du mich jetzt fragst, was ich anders machen würde?

Nur eine Sache: Ich würde früher und noch mutiger meiner Intuition vertrauen und mich auf die Weisheit des Universums verlassen. (Natürlich, nie, ohne die Dinge auch zu tun, die zu tun sind).

Foto: Jana Wieduwilt

Jana Wieduwilt

… ist Unternehmerin und Spezialistin für Strategisches Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation. Mehr Infos auf ihrer Website

„WO NICHTS IST, DA WOLLEN WIR ETWAS SCHAFFEN.“ DIANA TÜNGERTHAL IM PORTRÄT

Kiefern, Sand, eine gerade Straße. Immer wieder die Sichtachse auf die Kühltürme des Boxberger Kraftwerks. Wer falsch abbiegt, landet an der Tagebaukante. Symbolträchtig liegen sie da: Riesige Wunden, von Abraumbaggern in die Landschaft gerissen, lassen ahnen, wie eng das Schicksal der Menschen hier mit dem Braunkohleabbau verwoben ist. Wenige hundert Meter Luftlinie entfernt wartet ein künstlich geschaffenes Parkidyll aus Findlingen, Hügeln, Steingärten, Wegen und Wasserläufen.

Hier im Findlingspark Nochten bin ich mit Diana Tüngerthal verabredet. Sie trifft sich mit Preisträgern des vom Landkreis ausgelobten Innovationspreises Tourismus. Bei Kaffee und Kuchen berichten diese von ihren Erfolgen und Ideen. Schließlich wird vor der Kulisse eines an Stonehenge erinnernden Steinhügels feierlich das „Innovationsbäumchen“ – eine pontische Eiche – angegossen.

Die Sonne strahlt über blühenden Heidesträuchern. Das passt zur Stimmung und zum Thema: Mich interessiert, was Diana zur Lebenswirklichkeit junger, qualifizierter Frauen im Landkreis – speziell zu ihrer eigenen – zu sagen hat.

„Ich lebe wirklich gern hier.“

Dieser Satz fällt nicht nur einmal. Diana wiederholt ihn mit Nachdruck, so als sei sie schon daran gewöhnt, dass man ihr das nicht glaubt. Was hat diese Region einer jungen Frau zu bieten, die voller Energie und Pläne steckt, in ihrem früheren Leben in der rastlosen Veranstaltungsbranche Berlins und als Frontfrau einer Band unterwegs war? Sie selbst fasst es so zusammen: „Das kommt darauf an, was man will und womit man sich zufrieden fühlt.“

Der Liebe wegen sei sie hergekommen, der Liebe wegen geblieben und inzwischen sei die Oberlausitz zu ihrer „Heimat des Herzens“ geworden. Wenn sie Besuch aus ihrer alten Heimat bekommt, werde sie oft darauf angesprochen, in was für einer tollen Gegend sie lebe. Das liege nicht nur an der schönen Landschaft, sondern vor allem an den Menschen, die morgens beim Bäcker noch auf einen Schwatz miteinander stehen blieben.

Diana lebt mit ihrer Familie in einem Dorf im Norden des Landkreises. Für sie sei es ideal, ihren Sohn in einem ländlichen Umfeld mit städtischer Anbindung aufwachsen zu sehen. Ihr war das hektische Leben in der Großstadt oft zu viel. Sich ständig zwischen all den Optionen auf Konzerte, Events und Ausstellungen zu entscheiden, sei anstrengend gewesen. Hier habe sie gelernt, „das Wenige, was da ist“ zu schätzen und auch ganz bewusst zu nutzen.

„Wir sind nicht nur alleine. Wir werden immer mehr.“

Was die Region bietet ist Raum, im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Es lässt sich hier ebenso auf einem eigenen Grundstück leben, wie es möglich ist, mit Gleichgesinnten Neues zu schaffen. Diana versteht sich als Macherin. Sie sei, genau wie ihr Lebenspartner und ihr Umfeld „nicht so erpicht darauf, nur zu konsumieren“. Um alte Freunde wieder zu sehen, organisiert sie auch mal eben ein Konzert. Sie sagt, sie sei nicht die Einzige, der es so gehe. Immer mehr junge Menschen, vor allem Familien kämen in die Region (zurück), weil sie sich hier wohl fühlten.

„Es gibt hier noch jede Menge kreative Frauen, die einander suchen und entdeckt werden können.“

Diana gerät ins Schwärmen, wenn sie davon erzählt, welche Qualität von Gemeinschaft sie hier erlebe. Sie habe hier noch nie das Gefühl gehabt, allein da zu stehen. Familiär und beruflich gut eingebunden, trifft sich außerdem regelmäßig mit anderen jungen Frauen, die sie „unsere Landmädelstruppe“ nennt. Diese informellen Treffen deckten vom Weihnachtskranzbasteln bis zur Diskussion von KiTa-Konzepten alles Mögliche ab. Vor allem aber dienten sie dem Austausch und der Selbstvergewisserung. Auch Visionen werden gesponnen mit reichlich Potenzial für neue „kreative Nischen“ auf dem Land. Sie sei jedes Mal inspiriert davon, „wie viel Input dabei rum kommt“ und ist überzeugt: „Es gibt hier noch jede Menge kreative Frauen, die einander suchen und entdeckt werden können.“

„Lasst wieder Leben in eure Dorfgemeinschafthäuser einziehen.“

Förderprogramme unterschiedlichster Art hätten dazu geführt, dass vielerorts bereits eine gute Infrastruktur vorhanden sei. Neu ausgebaute Dorfgemeinschaftshäuser, die allesamt mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen hätten, sollten ihrer Meinung nach geöffnet werden für ein neues Publikum und neue Ideen. Die Chance, junge Menschen wieder einzubinden, liege darin, sich von angestaubten Heimatforschungsvereinen zu Initiativen des dörflichen Gemeinschaftslebens zu entwickeln.

Zur persönlichen Lebensqualität zählt für Diana ganz klar der Job, den sie hier gefunden hat:

„Ich bin froh, nach Jahren da angekommen zu sein, was ich wirklich machen wollte.“

In der konzeptionellen und strategischen Tourismusarbeit zu landen, sei nach dem Studium (Tourismus und Management) ihr Masterplan gewesen, erzählt sie. Sie liebe ihren Job und schätze die Vielfalt der Aufgaben, die Kontakte mit Unternehmen, die gute Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen, die Wertschätzung durch Vorgesetzte.

Es ist augenscheinlich: In ihrem Beruf kommt vieles zusammen, was sie auch als Person ausmacht. Exzessives Netzwerken, Potenziale erkennen, wo andere nur Defizite sehen und eine große Portion Gestaltungswillen.

Auf meine Frage, was sie anderen Frauen rät, die neu in der Region sind, meint sie, es wäre jeder Frau zu wünschen, auf eine andere Frau zu treffen, die sie als Lotsin in die Region und in bestehende Netzwerke einführen könne. Sie selbst praktiziert das fleißig und versichert: „Ich stehe gern als Ansprechpartnerin zur Verfügung.“

Wer Fragen an Diana Tüngerthal hat, erreicht sie hier: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

LANDLEBENLIEBE – AGNES MOCHA IM PORTRÄT

Ich weiß nicht viel über Agnes. Dass sie einen Bio-Ziegenhof in Bertsdorf führt, Ziegenkäse macht und diesen mittwochs auf dem Markt in Zittau verkauft.  Ich möchte sie kennenlernen, aber nicht im Sinne klassischer Fragen: Beruf, Alter, Herkunft. Mich interessiert ihre Perspektive aufs Leben und auf ihr Leben. Agnes ist in der Oberlausitz schon ziemlich bekannt und das ist immer so eine Sache.

Meine Oma ist die Brücke zu Agnes Leben. Weil meine Oma Bäuerin war und weil ich, eigentlich in der Großstadt geboren, aber über Umstände, die hier nichts zu sagen hätten, bei ihr auf dem Lande groß geworden bin. Deshalb habe ich eine gewisse Nähe zu den Arbeiten, zum Leben auf einem Bauernhof, mit Tieren, mit Bauerngärten, Obstbäumen, Wald und was so dazu gehört. Alles pragmatisch, sinnbehaftet, traditionell und keineswegs nur idyllisch.

Die Begegnung mit Agnes hat mich berührt und nachdenklich gemacht. Im Folgenden möchte ich über das, was ich damit meine, schreiben.

Das Alpha und Omega für den Erfolg ist eine funktionierende Beziehung

In der Küche, in einer gemütlichen Atmosphäre, diskutieren Agnes, ihr Mann Carsten und ich über Frauen in der Landwirtschaft von „früher“ und über die von heute. Darüber, dass die Bedürfnisse und Ansprüche an eine Beziehung sich gewandelt haben. Was ist früher, was heute? Eine nicht synchrone Entwicklung: die schweren großen Maschinen, mit denen der Mann arbeitet, die Handarbeit, das Kochen, die Kinder, die an der Frau „kleben“. Früher gab es den Sonntag als Ruhetag, den gibt es heute so nicht mehr. Der Mann führt in den meisten Fällen den Hof und die Frau ist die „mitarbeitende Familienangehörige“.

Agnes und Carsten haben ein gemeinsames Projekt, ein gemeinsames Kind, einen gemeinsamen Hof. Jeder hat den eigenen Arbeitsbereich, was total wichtig ist, so dass Auseinandersetzungen zu nebensächlichen Details vermieden werden und jede/r sich auf das Wesentliche konzentrieren kann. Beide wissen, nur zusammen gibt es ein Ganzes.

Es ist zur Erkenntnis geworden im Laufe der Jahre, dass die Bedürfnisse eine unterschiedliche Entwicklung nehmen. Agnes spricht über ein Bedürfnis, das ich total nachvollziehen kann: „Mal nichts zu machen“. Es hat lange gedauert, bis sie das annehmen konnte, ohne dabei ein schlechtes Gefühl zu haben, wenn nebenan der Partner macht und schuftet. Und dann über die gelernten Lektionen aus der eigenen Beziehung sprechen zu können, dass es mal gekriselt hat, also sich nicht bedingungslos glücklich hinzustellen … sowas kommt mir sehr souverän vor. Respekt!

 „Als Ökobetrieb haben wir eine andere Gesinnung“

Als Bäuerin – „Ein sehr schöner Beruf!“ –  ist es heutzutage „manchmal traurig“, da es nur wenige Berufskolleginnen gibt, mit denen sie sich austauschen kann. Früher gab es viel mehr. Agnes fühlt sich „eher in dieser Ökobewegung, in der Antigentechnikbewegung, gegen Massentierhaltung, in der Slowfood Bewegung aufgehoben“, aber nicht in den klassischen Landfrauen Vereinen, die konventionell und zugleich widersprüchlich sind, weil sie das Idyllische hervorheben. Aber die Landwirtschaft, die sie betreiben, ist die, der Großbetriebe. Das Hauswirtschaftliche ist ein großes Thema.

„Wenn ich noch ein halbes Jahr zu leben hätte“…oder über den Sinn

Weit mehr als Broterwerb ist der Ziegenhof, mit all den dazugehörigen Tätigkeiten, sinnvolles TUN oder schlicht Sinn. Die Ruhezeiten, die Arbeitszeiten, alles ist verwoben, alles nicht zu quantifizieren, die Jahreszeiten bestimmen den Rhythmus. Die vielen unterschiedlichen Arbeiten am Tag halten einen in Schwung und manches davon ist gar keine Arbeit: Die Ziegen barfuß austreiben, „einfach in die Natur, das ist etwas für die Seele“. Und „wenn ich noch ein halbes Jahr zu leben hätte, dann würde ich dasselbe machen: Ziegen füttern, melken, Käse machen“… Über die besprochenen Themen hinaus – Bäuerinnen gestern und heute, der Alltagsablauf, das Melken, Saubermachen, das Lammen, das Käsen, die Weide umstecken, den Käse verkaufen, die Netzwerke, das funktionierende in allen Situationen, u.a. – wird das Thema Spiritualität wichtig: das Singen im Chor der Hillerschen Villa, das Singen bei den Taizé Nächten in Zittau… wie einst als Kind in der katholischen Kirche in Bayern.

Bindungskräfte in der Oberlausitz

Ich frage mich, warum sie so überzeugt und bewusst in der Oberlausitz lebt? Welche Bindungskräfte über den eigenen Betrieb hinaus, halten und tragen sie? Was ist das Schöne am Leben hier? Und wir amüsieren uns köstlich als Carsten ernsthaft und lachend die Frage beantwortet: Es sind die berühmten blauen Steine. Aber nein, die blauen Steine stehen sinnbildlich für die Direktheit und die Offenheit und die Nähe der Menschen von hier, der doch angenehme Dialekt, das tolle kulturelle Angebot. Schließlich hat Agnes fast die Hälfte ihres Lebens hier verbracht. „Das ist schon eine andere Mentalität (…) Ich finde es sogar ein Kompliment, weil manche nicht mitkriegen, dass ich aus dem Westen komme. Sie denken ich bin Ossi, finde ich total gut“, stellt sie lachend fest.

Sînziana Schönfelder stieß im Sommer 2017 zu dem Projekt „Geschlechtersensible Willkommenskultur im Landkreis Görlitz“ und unterstützte es durch ihr Netzwerk der Slow-Food-Bewegung. Sie entwickelte Formate zur Berücksichtigung von Frauen mit besonderem Blick auf Landwirtinnen im Landkreis Görlitz.  Hieraus entstand der Film Land leben. Land lieben, den sie gemeinsam mit René Beder produzierte. Mittlerweile erforscht sie für das TRAWOS-Institut der Hochschule Zittau-Görlitz Religionssensible Integrationskulturen in Ostsachsen – und bleibt F wie Kraft als Autorin von Portraits erhalten.

F WIE FRAGEBOGEN*

F wie Franziska … Franziska Schubert ist als junge, grüne Landtagsabgeordnete eine der wenigen Frauen, die als politische Mandatsträgerin auf allen Ebenen – im Stadtrat von Ebersbach-Neugersdorf, im Kreistag des Landkreise Görlitz und im Landtag – Politik macht. Ihr Fachgebiet ist Finanz- und Haushaltspolitik.

Wie heißt du?
Franziska

Zweiter Vorname?
Meine Mutter war der Meinung, ich brauche keinen zweiten Vornamen.

Worüber hast du zuletzt herzlich gelacht/bitterlich geweint?
Herzlich gelacht habe ich das letzte Mal am Ende der Welt in einem Tropensturm; ich trug ein Kleid und Badelatschen und eine Dose Bier. Bitterlich geweint habe ich das letzte Mal am 5. Oktober 2017 darüber, dass es nicht in der Menschen Macht steht, die Zeit zurückzudrehen.

Was fällt dir leichter: Ankommen oder Aufbrechen?
Aufbrechen.

F wie Kraft, F wie …
Fluß.

Wovon lebst du?
Ich bin Politikerin – ich lebe davon, dass ich daran glaube, durch Engagement Dinge verändern zu können.

Was findet man in deiner Tasche?
Immer mindestens einen Stift, Tic-Tac, Taschentücher, diverse Münzen aus verschiedenen Ländern, Arbeit.

Wie lebst du in 10 Jahren?
Mit ganz wenig Kram und ganz viel Ruhe, Wärme, Liebe. In Deutschland möchte ich ein kleines Bistro haben ohne feste Öffnungszeiten und ein kleines Atelier. Im Winter kann ich nicht in Deutschland leben, sorry, das geht einfach nicht nochmal 35 Jahre.

Hast du einen Plan B?
Immer. Und auch einen Plan C. Ich kann mir vieles vorstellen – Guide im Nationalpark in Baracoa oder an der Berezina genauso wie zurück an die Uni; Schafe hüten in Island genauso wie jobben irgendwo in der Welt.

Welches Buch liegt neben deinem Bett?
Nie nur eins. Zur Zeit: Haruki Murakamis „Tanz mit dem Schafsmann“; Haskells „Das verborgene Leben des Waldes“ sowie Tucholskys „Gesammelte Werke“.

Wo fühlst du dich am Lebendigsten?
Auf Reisen auf Inseln mit ganz wenig. Bei der Sommerbauwoche an unserer Fabrik in Neugersdorf. Beim Kochen und Essen.

Wovon hast du als Letztes geträumt?
Von einer Party mit meinen Freunden in Neugersdorf, wo es ganz viel bunte Farbe gab.

Zum Schluss – wie bist du zu erreichen?

Einfach schreiben: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Einen Eindruck von ihren avantgardistischen Positionen gibt es auf ihrer Website: www.franziska-schubert.de und im kürzlich erschienenen SZ-Interview:  Link

 
 

HEUTE NONNE SEIN – SCHWESTER MARIAE LAETITIA IM PORTRÄT

„Wir sind weiterhin gerufen, positiv in die Welt zu gehen und zu wirken“

Schon immer haben mich Menschen interessiert, die ausgeglichen sind und doch noch suchen. Die in ihrer Einzigartigkeit Tiefe beherbergen. Die nicht dem Zeitgeist entsprechen. Die mit ihrer Klugheit nicht prahlen, sondern diese feinfühlig einsetzen. Sowie diejenigen, die, mit Friedrich Schleiermacher, Sinn und Geschmack für das Unendliche haben, beständig sind, aber nicht statisch. Was für ein Glück, diesen schönen Menschen zu begegnen.

Schwester Mariae Laetitia Klut ist 29, lebt als Nonne im Kloster Marienstern in Panschwitz Kuckau und ist so ein Mensch! Für den Gedankenaustausch mit ihr bin ich sehr dankbar.

Für Besucher und Besucherinnen ist sie meist im Klosterladen oder bei der Produktion von Likören zu finden. Regelmäßig kommen Touristen vorbei und fragen sie mitunter, ob sie echt sei. Für die meisten Leute sind Klöster etwas völlig Unbekanntes, in ihrer Vorstellung vielleicht noch ein Relikt aus dem Mittelalter. Manche bemitleiden die junge Schwester sogar, weil sie meinen, dass eine enttäuschte Liebe sie ins Kloster geführt hätte.

Ich frage mich, wie es wäre, wenn sie wüssten, dass vor ihnen eine studierte Theologin steht, die mit fünf Sprachen umgehen kann. So wie manche Mädchen sich wünschen, Prinzessin zu werden, so hat Schwester Mariae Laetitia sich früher mal vorgestellt, Nonne zu werden, obwohl sie als Kind nie in einem Kloster war. Während jedoch die Prinzessinnenträume meist realistischeren Lebensentwürfen weichen müssen, hat sie sich ihren Wunsch erfüllt.

Aber was ist eine Nonne, was macht sie überhaupt? „Eine Nonne ist eine Frau, die sich für ein intensiveres geistliches Leben als Christ entschieden hat“, erzählt mir Schwester Mariae Laetitia. Und führt aus: „Es gibt ja verschiedene christliche Lebensformen. Eine davon ist dieses Leben als Nonne: in Gemeinschaft, ehelos, besitzlos, lebenslang. Das bedeutet eine lebenslange Hingabe, aber auch einen Prozess des lebenslangen Lernens. Nonnen verpflichten sich besonders dem Gebet. Nicht nur für sich, für alle Menschen, auch stellvertretend für diejenigen, die nicht beten können oder wollen; Gott loben, danken, bitten“.

Die Gebetszeiten takten den Alltag im Kloster: 4:30 Uhr beginnt das erste Gebet, 6:00 Uhr das Morgengebet, im Anschluss die Heilige Messe, dann wird gefrühstückt. Danach arbeitet jede Schwester im eigenen Arbeitsbereich. Dann wieder das gemeinsame Gebet. Als Mittelpunkt des Alltags ist das Gebet die Möglichkeit, immer mit Gott in Kontakt zu bleiben. Schweigen und Stille sind ebenfalls wichtige Elemente im kontemplativen Klosterleben. Im Unterschied zur Entdeckung Gottes in der Aktion, in der Nächstenliebe, ist die Kontemplation „die Versenkung ins Göttliche hinein“. Still sein, um Gott hören zu können.

Gute Regeln können uns auch gut formen“

„Ja“, sagt Schwester Mariae Laetitia, „auch die Beziehung zu Gott ist gelegentlich mit Ängsten behaftet: Die Angst vor dem Verlust der Leidenschaft, die Angst, nicht genug für die Beziehung getan zu haben. So wie auch eine Ehe im Sand verlaufen kann, weil die Liebe nicht gepflegt wurde.“ Deswegen gibt es im Kloster Lebensregeln, die helfen sollen, im Alltag konkrete Schritte zu gehen, damit die Liebe wachsen kann. Die Zisterzienserinnen von St. Marienstern leben nach der Regel des heiligen Benedikt. Schwester Mariae Laetitia ist starren Regeln gegenüber skeptisch, aber „gute Regeln können uns auch gut formen. Der heilige Benedikt schreibt in seiner Lebensregel: Der Weg kann am Anfang nicht anders sein als eng, aber wo die Liebe wächst, da wird das Herz weit“. Dieses innere Wachstum ist wichtig, nicht die sture Befolgung der Regeln, auch nicht die Bewahrung äußerlicher Formen. Metaphorisch gesprochengeht es nicht darum, eine leere Schachtel aufzubewahren. Nicht die Asche zu hüten, sondern das Feuer lebendig zu halten. Das gilt im Kleinen für die Schwestern im Kloster, aber auch für die Kirche im Großen und Ganzen.

„Dort, wo Dinge wegfallen, haben wir die Chance, das Wesentliche zu verwirklichen“

Die Entchristianisierung der Gesellschaft, der Bedeutungsverlust der großen Kirchen, der Wegfall der Traditionen, all diese Problemfelder der Kirche als Institution bieten auch die Chance, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, meint Schwester Mariae Laetitia. „Wir müssen überlegen, worum es uns eigentlich geht. Wenn wir zum Beispiel den Priestermangel bedauern: Geht es uns dann wirklich darum, Menschen in Beziehung mit Christus zu bringen oder darum, gewohnte Strukturen zu erhalten? Dort, wo Dinge wegfallen, haben wir die Chance, das Wesentliche zu verwirklichen“.

Kritik solle als etwas Wertvolles angenommen werden. Schließlich seien „Christen nicht besser als andere und auch nicht näher dran an Gott“. Doch was ist dann der Mehrwert vom Christsein, warum lohnt es sich, als Christ zu leben?

Wer an Gott glaubt und die Botschaft Jesu annimmt, der hat einen neuen Blick auf die Welt. Sein Zugang zur Wirklichkeit ist ein ganz anderer, weil den Christen ein Weg gewiesen ist. Dieser Weg steht auf dem Boden der Tradition mit einer großen Auswahl an Formen, die sich bewährt haben. Auf diesen tragenden Grund können Christen sich stellen und ihr Leben gestalten, davon ist die Schwester überzeugt.

„Den Menschen hier fehlt Gott nicht“

„Wir sind weiterhin gerufen, positiv in die Welt zu gehen und zu wirken“, denn sowohl das Gute als auch das Böse zögen ihre Kreise. Der einzelne Mensch trage viel bei zum großen Ganzen. Deshalb bekennt Schwester Mariae Laetitia: “Wenn Gott mich glücklich macht, dann muss ich es auch zeigen“.

Die Provokation, sein Leben anders zu leben, im biblischen Sinne der Sauerteig der Gesellschaft zu sein, Gott ins Spiel zu bringen, ist mitunter schwierig: Auf ihre Entscheidung, im Kloster zu leben, reagierten manche ungefähr so: „Wenn Du damit glücklich bist, dann ist es okay.“ Was nach Toleranz klingt, nahm Schwester Mariae Laetitia als Gleichgültigkeit wahr: Es ist mir egal, woran du glaubst, es ist gleichgültig, ob du an etwas glaubst, irrelevant, woran du dein Leben ausrichtest. Genau das ist Schwester Mariae Laetitia aber nicht egal. Besonders, wenn sie auf das Zusammenleben in unserer Gesellschaft schaut. Und trotzdem „kann man jemandem nicht einreden, dass ihm was fehlt. Den Menschen hier fehlt Gott nicht! Natürlich wünsche ich allen eine gute Gottesbeziehung. Nicht zum Nutzen der Kirche, sondern ihnen selbst zum Heil. Denn ich erfahre, dass das glücklich macht“.

Sînziana Schönfelder stieß im Sommer 2017 zu dem Projekt „Geschlechtersensible Willkommenskultur im Landkreis Görlitz“ und unterstützte es durch ihr Netzwerk der Slow-Food-Bewegung. Sie entwickelte Formate zur Berücksichtigung von Frauen mit besonderem Blick auf Landwirtinnen im Landkreis Görlitz.  Hieraus entstand der Film Land leben. Land lieben, den sie gemeinsam mit René Beder produzierte. Mittlerweile erforscht sie für das TRAWOS-Institut der Hochschule Zittau-Görlitz Religionssensible Integrationskulturen in Ostsachsen – und bleibt F wie Kraft als Autorin von Portraits erhalten.

F wie Fragebogen

Ina Körner – die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Bautzen und aktives Mitglied der Initiative Frauen.Wahl.LOKAL Oberlausitz

Wie heißt du?

Ina

Zweiter Vorname?

Der Erste ist schon so kurz,  einen Zweiten fand meine Mutter zu altmodisch.

Worüber hast du zuletzt herzlich gelacht/bitterlich geweint?

Ich lache oft – geweint habe ich sehr als sich der von mir gerettete Hund aus Italien mit Schneckenkorn vergiftet hatte und ich ihn nicht retten konnte.

Was fällt dir leichter: Ankommen oder Aufbrechen?

Ich breche schon gern auf, komme aber auch gern wieder (zu Hause) an.

Wovon lebst du?

Von Dingen, die mir Spaß machen.

F wie Kraft, F wie …?

Freude, Fordern, Finden, Feiern…

Was findet man in deiner Tasche?

Nichts, weil viel zu viel drin ist ;+))

Wie lebst du in 10 Jahren?

Hoffentlich gesund und munter auf dieser Welt.

Hast du einen Plan B?

Bier trinken und überlegen, wie es gehen kann.

Welches Buch liegt neben deinem Bett?

Im Moment: „Athiopische Märchen“

Wo fühlst du dich am Lebendigsten?

Wenn ich eine schwierige Aufgabe gemeistert habe, von der ich vorher dachte dass das nie gelingt.

Wovon hast du als Letztes geträumt?

Geheimnis

Warum engagierst du dich für das Frauen.Wahl.LOKAL Oberlausitz?

Weil es wichtig ist und weil es Spaß macht.

MARION PRANGE. EIN PORTRAIT.

Marion Prange arbeitete im Kraftwerk Hagenwerder, bevor sie ein Reisebüro eröffnete und schließlich Bürgermeisterin von Ostritz wurde. Sie hat den Wandel der Stadt erlebt und mitgestaltet. Ein Portrait.

Drei Wochen lang hat sie den Besuch von Bundespräsident Steinmeier vorbereitet. So eine schöne kleine Stadt, soll er gesagt haben. Jetzt, zum Ostritzer Friedensfest, schüttelt sie Ministerpräsident Kretschmer die Hand, der im Festzelt sagen wird, wie wichtig es sei, die Demokratie zu verteidigen. Wie wichtig es sei, vor Ort zu wirken, mit den Menschen, für die Menschen, bei den Menschen. All diese großen Worte: Werte, Recht, Staat, Demokratie, Gesellschaft, Gemeinschaft. Marion Prange klatscht und tritt nach Kretschmer ans Mikrofon. Näher dran als sie ist niemand. Sie wird angerufen, wenn der Strom ausfällt, wenn der Winterdienst nicht kommt. Sie ist da, wenn die Neiße über die Ufer tritt, wieder und wieder.  Wenn Neonazis kommen, wieder und wieder. Sie muss sich auf der Straße  für Merkels Flüchtlingspolitik rechtfertigen und für Kretschmers marodes Straßen- und Mobilfunknetz. Neuerdings interessiert sich die große Politik für sie und ihre Stadt. Auf einmal ist sie Vorreiterin im Kampf gegen Rechts und den Rechtsruck. Marion Prange hat eigentlich genug zu tun, auch so.

 

 Der richtige Zeitpunkt

Tauentzienstraße 25. Marion Prange nennt die Straße zwei Mal, daran erinnert sie sich. Sie sagt, diesen Namen werde sie nie vergessen. Tauentzienstraße 25 in Berlin. 1990. Sie hat sich für 400 Mark einen gebrauchten Trabi gekauft, Trabi-Kombi, gerade noch den Führerschein gemacht und fährt nach Berlin. Dort, in der Deutschlandzentrale der Neckermann Reisen, möchte sie vorschlagen und anmelden, in Ostritz, in ihrer Heimatstadt, ein Reisebüro zu eröffnen. In unmittelbarer Nähe des Marktplatzes, Gerhard-Hauptmann-Straße. Da waren die Grenzen kaum offen, die Reisefreiheit noch gar nicht richtig realisiert. Aber der Moment war eben da. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sie in Hagenwerder gearbeitet, im Kraftwerk des Braunkohletagebaus, des BKW, wie es hieß.

Marion Prange war in der Materialwirtschaft des Betriebes dafür zuständig, dass jede im Gebäude und in der Farbik verwendete Schraube, jeder Dübel, jede Glühbirne ordentlich nummeriert und betitelt aufgelistet wurde. Einer dieser Berufe, den heute Computer übernehmen, Rechenmaschinen, Datensätze. Eben einer dieser Berufe, den es heute einfach nicht mehr gibt. Und aufsteigen ging nicht. Dafür hätte sie politischer sein müssen. Engagierter in der Partei. Überhaupt in der Partei.

Die Wende kam für sie zum richtigen Zeitpunkt, sagt sie. Sie stand am Anfang ihres Berufslebens und hätte in Hagenwerder trotzdem nichts mehr werden können. 1990 war auf einmal alles möglich. Das erste Mal überhaupt. Sie hätte in den Westen ziehen können, „an die Mosel“, zusammen mit ihrem Mann, den sie in den 80er Jahren in Leuba kennengelernt hat. Aber beide bleiben und kündigen ihre Stellen im BKW. Sie fahren nach Berlin in die Tauentzienstraße für Marion Pranges Reisebüro und bauen 1994 am Ortsrand von Ostritz ein Einfamilienhaus.

Pressetermin während des zweiten Ostritzer Friedensfestes am 3. November 2018. Photo: Regine Thiering

Bürgermeisterin mit Aufwandsentschädigung

Wenn sie von ihrem Reisebüro erzählt, dann am liebsten über diese lange Menschenschlange vor der Tür. Darüber, dass sie den Menschen schöne Tage verkaufen konnte, wie sie es sagt. Das war damals ein richtiges Ereignis, als die neuen Neckermann- und Busreisekataloge erschienen sind. Marion Prange berichtet über ihren ersten Computer und über den Marktplatz von Ostritz. 20 Jahre lang hat sie ihn beobachtet, zunächst fünf Jahre von der Gerhart-Hauptmann-Straße aus, dann zog sie direkt auf den Untermarkt. Durch die Fensterscheibe ihres Büros hat sie die anderen Läden schließen sehen. Die Sparkasse ist geblieben, eine Bäckerei, eine Fleischerei. Wo das Lederwerk stand, ist heute eine Wiese, die Lederwerkwiese. Von den großen Weberei- und Spinnereibetrieben zeugt nur noch die nach ihnen benannte Fabrikstraße. Namen und Hüllen. Die Plattenbauten an der Bundesstraße Richtung Görlitz, einst schnell hochgezogen, um den Arbeitern und Arbeiterinnen Wohnungen zu bieten, werden mittlerweile von der Stadt zurückgebaut. Der Bund fördert das sogar.

2008 wird Marion Prange gefragt, ob sie Bürgermeisterin werden möchte. Sie war bis dahin in der Stadt aktiv, hatte sich in Initiativen und Vereinen engagiert. Ihr ältester Sohn war gerade ausgezogen, Hausbau und Neuanfang nach der Wende lagen mittlerweile ein paar Jahre zurück. Marion Prange ließ sich Zeit, dann sagte sie zu. Ja, sie möchte als Bürgermeisterin kandidieren. Und das Reisebüro noch nebenbei betreiben.

War das eine naive Entscheidung, die Kandidatur? Es mache ihr ja Spaß, sagt sie. Und irgendwie sei es an der Zeit gewesen. Und das Reisebüro? Das hat sie, wenig später, an ihre Nachfolgerin übergeben. Was sie damals schon wusste: Der Stadtrat entscheidet, dass der Ostritzer Bürgermeister, jetzt die Bürgermeisterin, nur noch ehrenamtlich die Geschäfte leiten soll. Für Ostritz ist das ein Novum und für eine Stadt mit eigener Verwaltung in Deutschland einmalig. Marion Prange hat also den gleichen Status wie ein Kamerad der freiwilligen Feuerwehr oder eine Geflügelzüchterin im Verein. Die Höhe ihrer Aufwandsentschädigung ist für Alle im Internet sichtbar.

Im Gespräch während des Ostritzer Friedensfestes. Photo: Regine Thiering

Die Momente zwischen den Krisen

Ihre ersten Amtshandlungen: sich orientieren, nachfragen, auch mal anecken. Auf ihrem Schreibtisch im Büro liegt eine Postkarte mit dem Spruch „Ich bin nicht kompliziert, sondern eine Herausforderung!“ 2008 will sie wissen, was im Falle eines Hochwassers passiert und passieren muss. Zwei Jahre später wird sich das, Intuition oder Gespür möchte sie es nicht nennen, als entscheidende Vorbereitung herausstellen. Als wichtigste Übung, als Stresstest sozusagen. Sie möchte erfahren, warum das stadteigene Biomassewerk rote Zahlen schreibt. Altlasten ihres Vorgängers. Sie prüft, rechnet, lädt Experten ein. Am Ende muss sie den Bürgerinnen und Bürgern, ihren Bürgerinnen und Bürgern, mitteilen, dass der Strompreis steigen wird. Unbequemer und unpopulärer kann man gar nicht starten.

Dann der August 2010. Zunächst sieht es so aus, als würde der Regen bald aufhören. Als könnten die Dämme halten, als wären sie hoch genug. Marion Prange beginnt damit, die Bürger und Bürgerinnen zu informieren. Sie gründet einen Krisenstab, telefoniert hin und her, steht auf der Straße, prüft Pegelstände. Der Regen hört nicht auf. Sie muss den Anwohnern sagen, dass sie ihre Häuser verlassen und alles zurücklassen müssen. Natürlich wird sie angeschrien, natürlich muss sie sich vorwerfen lassen, inkompetent zu sein. Das Wasser steigt stündlich, mittlerweile hat es die Höhe der Dammwände überschritten. Der Katastrophenalarm wird ausgerufen. Das Kloster säuft ab und auf einmal heißt es, dass die Nonnen es nicht verlassen möchten. Hubschrauber kreisen über der Stadt. Der Strom ist ausgefallen. In absoluter Dunkelheit, das Wasser rauscht, bricht sich an den Häuserwänden, werden Menschen in letzter Sekunde evakuiert. Sie wisse nicht, wie sie das damals geschafft habe, sagt Marion Prange. Wie sie tagelang wach sein konnte, ohne Spur von Müdigkeit. Das Adrenalin, sagt sie. Die Automatismen. Alles lief wie in einem Film ab. Und immer die Angst, versagen zu können. Jemanden nicht zu retten. Dass in diesen Tagen niemand ertrunken ist, sei ein Wunder. Sie erinnert sich an den Moment, als ein Mann sich mit letzter Kraft an einem Geländer festhalten konnte.

Parallel zu den Aufräumarbeiten diskutiert Marion Prange mit Landespolitikern und Landespolitikerinnen. Ministerpräsident Tillich verspricht lediglich Hilfe in Form von einmaligen Soforthilfen und Krediten, in enger Zusammenarbeit mit den Versicherungen. Dabei hatten diese schon nach dem Elbehochwasser 2002 viele der Versicherten fallen gelassen. Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich allein. Marion Prange kann in der Stadt lediglich spezielle Förderzonen ausweisen und erweitern, damit Sanierungsgelder nicht nur in die Altstadt sondern jetzt auch in die betroffenen Teile an der Neiße fließen können. Gegen den Vorwurf, Geld würde nur das Kloster erreichen, weiß sie sich zu wehren.

Aber nachdem 2013 das nächste Hochwasser kommt und die durchgemachten Nächte, die Angst zu versagen und die Anfeindungen sich wiederholen, fällt sie in sich zusammen. Wegen eines Burnouts wird sie eine Kur machen und sich überlegen, noch einmal als Bürgermeisterin zu kandidieren. Im Internet werden Gerüchte über sie verbreitet und sogar in Briefkästen verteilt. Manchmal wurde sie von einer Freundin angerufen, die sagte: „Das geht zu weit. Das darfst du dir doch nicht bieten lassen! Das ist die Sache nicht mehr wert!“ Marion Prange nennt es heute eine Schmierenkampagne.

Warum hat sie sich nochmal entschieden, Bürgermeisterin zu sein? Wieder habe sie lange überlegt, sagt sie. Entscheidend seien die Momente zwischen den Krisen, zwischen den Ausnahmesituationen. Das Gefühl, dass es ja irgendwie voran geht, dass ja etwas passiert, dass es besser wird. Dann sind da ihre Mitarbeiterinnen im Rathaus. Der Stadtrat, der hinter ihr steht, meistens. Mit 882 von 1.281 gültigen Stimmen wird Marion Prange 2015 erneut zur ehrenamtlichen Bürgermeisterin von Ostritz gewählt.

Steht man vor dem Rathaus in Ostritz, ist Marion Pranges Büro oben links neben dem Balkon. Am Tisch sitzt der Chef der sächsischen Polizei. Ostritzer Friedensfest. Bis zu diesem Moment war noch nicht klar, ob man den Neonazis auf ihrem Festival den Alkohol verbieten dürfe. Wieder so eine Ausnahmesituation. Im Winter 2017 hat sie erfahren, dass auf dem Gelände des Hotels „Neißeblick“ ein Rechtsrockfestival stattfinden soll. Sie hat ihre Bürgerinnen und Bürger informiert und sich selbst beraten lassen. Die Frage „Warum denn Ostritz?“ konnte sie aber weder den Anwohnern noch sich selbst so richtig beantworten. Jetzt, im November, die zweite Anmeldung. Aber auch das zweite Friedensfest, die zweite Gegendemonstration. Bundesweite Presseaufmerksamkeit. Steinmeier, Kretschmer. Sie sei keine Juristin, sagt Marion Prange, von Versammlungs- und Veranstaltungsrecht wisse sie nicht viel. Sie sei auch keine Expertin bei Hochwasserfragen. Ist sie vielleicht der Inbegriff einer Krisenmanagerin? Sie überlegt und lacht kurz auf. Dann dreht sie sich um und schüttelt dem Staatssekretär des Innenministeriums die Hand.

Lukas Rietzschel lebt und arbeitet in Görlitz. Er ist Autor des Romans Mit der Faust in die Welt schlagen.

INTERCLUB FEMINA IM PORTRÄT

Das Büro des Interclubs Femina ist im betriebsamen Stadtzentrum von Zgorzelec gut erreichbar. Der Altbau, der an das wilhelminische Bürgertum erinnert, hat seinen Charme noch nicht verloren, obwohl die Fassade und das Treppenhaus sanierungsbedürftig sind und den großzügigen Räumlichkeiten durch Aufteilung ihr ursprünglicher Charakter etwas abhanden gekommen ist. Zahlreiche Vereine, Beratungsstellen und Parteibüros sind in diesem Haus zu finden. Das Büro von Femina, wie alle den Verein kurz nennen, befindet sich im ersten Stock.

Erste Schritte über die Grenze: Kaffee und Kuchen im Dom Kultur

Im Dezember 1992 fand Hanna Ilnicka, heute Vorsitzende des Vereins, eine Weihnachtskarte in ihrem Briefkasten. Sie kam vom Demokratischen Frauenbund zu Görlitz, zusammen mit einer Einladung zur Zusammenarbeit. Frau Ilnicka sprach kein Wort Deutsch und es gab keinen vergleichbaren Verein vor Ort. Ein neuer bürgerlicher Geist war damals durch die Dynamik der politischen Wende aufgekommen und brachte neue Aufgaben und Erwartungen mit sich. Hanna Ilnicka lud die Vertreterinnen des Frauenbundes ins Dom Kultury , die ehemalige Oberlausitzische Gedenkhalle, zum Kaffee ein. Sechs Frauen von beiden Seiten der Neiße setzten sich zusammen: zwei Damen aus Zgorzelec mit einer Dolmetscherin und drei Görlitzerinnen. Der Gegenbesuch fand im März am Internationalen Frauentag statt. So kam es zu regelmäßigen Kontakten, zwei Mal im Monat, abwechselnd auf der deutschen und auf der polnischen Seite. Die Frauen waren neugierig aufeinander, die Gesprächsthemen lebensnah. In entspannter Atmosphäre, am Anfang immer mit Hilfe einer Dolmetscherin, kam es langsam zum Austausch und zur Anregung gemeinsamer Aktivitäten. Deutsch-polnische Sprachanimationen waren von Anfang an gewollt und sind zu einem festen Programmpunkt geworden. Die Begegnungen fanden in Zgorzelec im Dom Kultury statt, später wurde der Frauengruppe ein Gemeinschaftsraum im hiesigen Klinikum zugänglich gemacht. Während Mitglieder des Görlitzer Frauenbundes ihren festen Sitz hatten, blieb die polnische Gruppe informell und ohne eigene Adresse.

Logo des Interclub Femina (Photo: www.interclubfemina.pl)

Seit über 20 Jahren aktiv für Frauen in der Region

1998 wurde der Interclub Femina ins Leben gerufen, 2018 feierte er sein zwanzigstes Jubiläum. „Wir hatten nicht den Anspruch eine rein weibliche Organisation zu etablieren“, erinnert sich Hanna Ilnicka. Der Interclub wurde eher aus dem Moment heraus ins Leben gerufen. Die Begegnungen der vorangegangenen Jahre hatten den Alltag der Frauen bereichert. Persönliche Kontakte waren entstanden und viele der Frauen, die in dieser Zeit den Austausch suchten, politisierten sich und begannen, sich für grenzüberschreitende gesellschaftliche Fragen zu interessieren. Nach der Vereinsgründung arbeiteten sie an den ersten Konzepten, darunter auch an deutsch-polnischen Projekten. Bis heute gibt es Kontakte über die Neiße hinweg zu so aktiven Vereinen wie dem Demokratischen Frauenbund, dem GÜSA e.V., dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem Meetingpoint Music Messiaen und dem KoLABORacja e.V. Was haben die Frauen beiderseits der Neiße von diesen Verbindungen? Ein Gefühl der Gemeinschaft, gegenseitiges Vertrauen und Unterstützung – und eine Menge Spaß. Sie sind Berufstätige und Rentnerinnen, einige Mitglieder sind seit 26 Jahre dabei. Bei den älteren, verwitweten Frauen hat die Vereinsmitgliedschaft im Laufe der Zeit eine tiefe freundschaftliche Dimension bekommen: Sie treffen sich sowohl auf Geburtstagen als auch auf Beerdigungen.

Frauen aktivieren und beraten

Heute zählt der Interclub Femina 37 Mitglieder und dient als Plattform für den Informations- und Erfahrungsaustausch zum bürgerschaftlichen Engagement und die Frauenarbeit auf regionaler Ebene. Neben der Förderung und Pflege des interkulturellen Austauschs gibt es viele weitere Angebote, die sich sich eng an der Lebenswelt der Frauen orientieren. Der Mehrwert jeglicher Veranstaltungen von Handarbeitsabenden bis Bundestagsexkursionen liegt dabei immer in den verbesserten Beziehungen und dem wachsenden gegenseitigen Vertrauen.

Zum Ziel des Vereins gehört die gesellschaftliche und berufliche Aktivierung von Frauen. Mit Ideen des Dialogs, der Beihilfe und Zusammenarbeit will er breitere Kreise ansprechen. In seinem Büro unterhält der Interclub Femina eine Filiale des Niederschlesischen Beratungspunktes für NGOs (Nichtregierungsorganisationen) und individuelle Personen, die an Zusammenarbeit interessiert sind. Allein im Landkreis Zgorzelec sind 400 Vereine und NGOs registriert. Der Interclub bietet juristische Unterstützung, meistens bei Vereinsgründungen und -auflösungen sowie Buchführung und Beschaffung von finanziellen Mitteln. Im Rahmen der Vereinsaktivitäten werden verschiedene Formen des bürgerlichen Engagements ausgeübt. Aktuell startet zur Förderung des Ehrenamtes im städtischen Raum das Projekt „Mütter-Töchter“ in Kooperation mit einem Kindergarten in Zgorzelec.

Die Frauen des Interclub Femina bei einer Preisverleihung. In der Mitte Hanna Ilnicka. (Photo: H.Ilnicka)

Kooperation als Gegenmodell

Das Engagement im dritten Sektor ist nach Auffassung von Hanna Ilnicka eine politische Aktivität, weil durch Tätigkeit der NGOs im öffentlichen Raum die Lokalpolitik mitgestaltet wird. Als Sozialarbeiterin hat Frau Ilnicka im Kreis Zgorzelec jahrelang für unterschiedliche Milieus und Familienkonstellationen gearbeitet und nach Lösungen für deren akute Probleme gesucht. Nach ihren Beobachtungen sind die beruflichen Entwicklungschancen, die Einsatzbereitschaft und der Unternehmungsgeist der Frauen östlich der Neiße von ihrem gesellschaftlichen Umfeld stark geprägt. Die Hindernisse, auf die Frauen auf dem beruflichen Weg und im bürgerschaftlichen Engagement stoßen, sind altbekannt: Die Rollenzuteilung innerhalb der Familie und die Aufgabenverteilung im Haushalt. Je nach der Stellung der Frauen in ihrem Umfeld, finden sie Zeit und Raum für die Erfüllung dieser traditionellen Rollenerwartungen oder für deren Veränderung. Besondere Einschränkungen und Herausforderungen sind in der Realität im ländlichen Raum vorhanden. Vor dem Systemwechsel 1989 wollten Frauen beides haben, Job und Familie. Danach wurde es wegen der knapperen Arbeitsplätze für die Frauen nicht leichter und die traditionellen Rollen im Alltag waren wieder präsenter. In Mehrgenerationshäusern, dank Unterstützung von Familienmitgliedern bei Ausbildung, Kinderbetreuung und Haushalt konnten manche dennoch ihre beruflichen Ziele erreichen. In den letzten 30 Jahren veränderten sich die klassischen Geschlechterrollen in Polen, wie auch in anderen Ländern. Frauen sind aktiv beteiligt in Sphären, wo sie bisher selten anwesend waren. Ganz nüchtern betrachtet ist der Zugang zu bestimmten Gütern der Zivilisation wie guten Waschmaschinen oder Geschirrspülern leichter geworden, Jobperspektiven und Staatsgrenzen sind offen. Dafür konkurrieren Frauen heute beruflich und politisch stärker miteinander, statt gemeinsam zu wirken. Die Erfahrungen der Mitglieder des Interclubs Femina zeigen jedoch, dass durch Kooperation oft mehr erreichbar ist.

HERWIGSDORFER UNIKATE IN GOLD

Rosenbach, eine kleine Gemeinde an der B6, zwischen Löbauer Berg und Rotstein. Einer der vier Ortsteile ist Herwigsdorf. Dort gibt es, neben einer tausendjährigen Eiche und einer Kirche mit barockem Türmchen auf dem schlichten Dach, auch dies: Ein Hausprojekt. Zugezogene, Zurückgekehrte, junge Familien. Die Tür geht auf, Anika winkt mich rein. Sie ist einer dieser Menschen, die viel Energie, Tatkraft und Freude ausstrahlen. Auch abstrahlen – wenn man mit ihr zusammen ist, werden die Gesten unwillkürlich größer, das Gespräch lebhafter, das Lachen lauter. Anika ist Anousch – Goldschmiedin und Unternehmerin mit eigenen Schmuckkreationen. Sie nimmt mich mit in die Welt, die sie und ihre Familie sich hier gemeinsam mit anderen geschaffen haben.

Hier in Herwigsdorf lebt sie mit ihrem Partner und zwei Kinder, hier hat sie ihre Goldschmiedewerkstatt. Gelernt hat die gebürtige Thüringerin das Handwerk in Arnstadt. Sie hat in Leipzig gelebt, lange auch in Berlin. Warum jetzt die Oberlausitz, warum Herwigsdorf? „Das war mehr oder weniger Zufall“, erzählt sie, „ich war schwanger und eine Etage in einem Hausprojekt war frei. Die Miete in Berlin war sauteuer und in der Oberlausitz kannten wir einige Leute. Mit der Besichtigung der Räumlichkeiten ist meinem Freund und mir dann klar geworden, was man hier noch alles auf die Beine stellen kann, was platzmäßig hier einfach geht und was in Berlin undenkbar in den nächsten Jahrzehnten ist.“ Die leeren Räume ließen die Ideen sprießen: Von Holz- und Goldschmiedewerkstatt bis zur Ferienwohnung, Goldschmiedeworkshops, Sauna, Proberäume, ein eigener Garten – vieles war denkbar. Aber was davon hat sich, nach acht Jahren in dem kleinen Ort, auch als machbar erwiesen?

Bei der Arbeit II: Feilen an der Werkbank in Rosenbach (Photo A. Bomm) 

Vor allem ihre Werkstatt hat sich als Dreh- und Angelpunkt fürs Arbeiten und Wohnen etabliert, hier werden nicht nur Edelmetalle, sondern auch Pläne geschmiedet. Hier hat vieles seinen Anfang. Sie beschreibt sie so: „Es ist ein geschlossener Raum, der eine Tür hat, die auch zu geht. Das ist mir wichtig, denn vorher, in der Mietwohnung, hatte ich meine ‚Werkstatt‘ im Wohnzimmer und das war auf Dauer keine Lösung.“ Wirklich zu ist die Tür dann aber doch nur selten, da sich in diesem Raum eigentlich alles mischt. „Meine Hobbys, mein Beruf – eigentlich ein Raum, in dem ich mich kreativ ausleben kann und der unordentlich sein und bleiben darf.“

Im Gespräch kehrt sie immer wieder zu diesem Ort zurück, der ihr Rückzug und Ausgangspunkt ist, das Herzstück ihrer schöpferischen Tätigkeit. Hier recherchiert und probiert sie Techniken wie Linolschnitt, Tape Art und Aquarellmalerei. Hier entwirft und fertigt sie Schmuckunikate aus Silber und Kupfer. Sie fasst Edelsteine, entwickelte aber auch die Idee, Microchips und Fragmente von Leiterplatten zu verarbeiten. Und noch etwas kommt immer wieder zur Sprache, wenn sie über kreative Prozesse nachdenkt: Musik. In den arbeitsreichen Abenden und Nächten der Vorweihnachtszeit, wenn sie, wie sie sagt, im Technotakt den Schmiedehammer schwingt oder sich in Hörspiele vertieft – dann ist Musik der schnellste Weg zu innerer Ruhe, Konzentration und ein willkommener Ausgleich zum Arbeits- und Familienalltag. Es geht aber auch anders: draußen, laut, mit vielen zusammen, auf Konzerten und Festivals. Musik als Möglichkeit, Kraft zu tanken und mit Leuten in Kontakt zu kommen, die nichts mit Beruf und Karriere zu tun haben.

Gemeinsame Erlebnisse sind auf dem Land wichtiger geworden. In Berlin war es ihr oft zu viel, ständig unter Menschen zu sein. „Das kann schon das Gemüt beeinflussen, wenn man in Friedrichshain vor die Tür geht und mal eben inmitten hunderter Zuschauer ist“. Gerade als Mutter schätzt sie die Zurückgezogenheit hier. Der Druck, sich ständig mit anderen Müttern vergleichen (lassen) zu müssen, ist geringer. Die Kinder können sich freier bewegen, sind im Garten unterwegs und haben kurze Wege zu Schule und Kita. „Ich muss nicht mehr auf irgendeinem „Spieli“ rumhängen und mich langweilen“ freut sich Anika. Bevor unser Gespräch sich vollends zu einem Lobgesang aufs Landleben entwickelt, setzt sie den beschaulichen Gedanken aber ein vorläufiges Ende. Ganz so einfach sei es schließlich auch nicht. Die ersten drei Jahre waren, „sehr sehr anstrengend und überhaupt nicht idyllisch. Von wegen weniger Miete zahlen, weniger arbeiten, mehr Zeit für die Kinder! Das hat echt gedauert, bis wir hier genug Geld verdient haben.“ So einfach, wie es manchmal dargestellt würde, sei das mit dem Zurückkommen oder Freiräume nutzen nicht. Sie kennt viele, die zum Arbeiten in andere Bundesländer pendeln, erzählt sie. Dort verdienen sie mehr und finanzieren so ihr Landleben „in der Heimat“.

Arbeitsplatz in Herwigsdorf (Photo A.Bomm)

Der finanzielle Druck ist in der Provinz also nicht unbedingt geringer geworden. Echte Nachteile gegenüber der Stadt sind aber, überlegt Anika, die fehlenden Kulturangebote und die weiten Wege. Abends mal in die Kneipe, ins Kino, zu einer Freundin, ohne fahren oder gleich dort übernachten zu müssen. Öfter mal raus aus dem Dorf, das muss gehen, dafür nimmt sie auch weitere Wege in Kauf. Privat ist sie häufig in Görlitz, Freund:innen besuchen, im Fitnessstudio den Kopf frei machen. Mit ihrem Schmuck fährt Anousch ganzjährig auf Märkte – viel im Landkreis, aber auch mal bis Leipzig. Unterwegssein ist ein wichtiger Teil ihrer schöpferischen Arbeit. Auf den Märkten hat sie Gelegenheit, sich mit alten Kolleginnen auszutauschen, neue kennen zu lernen, sich und ihre Arbeit im Gespräch mit Kunden zu reflektieren, viel Neues aufzusaugen. Diese Begegnungen formen und schärfen den eigenen Stil immer weiter. Zurück in Herwigsdorf fließen ihre Beobachtungen dann in die neue Kollektion ein oder helfen, spezielle Wünsche umzusetzen.

Die Präsenz auf vielen Handwerkermärkten hat ihr eine weitläufige, vielfältige Kundschaft eingebracht, die ihre Entwürfe schätzt und gezielt mit Wünschen auf sie zukommt. An unzähligen Ringfingern stecken Eheringe aus ihrer Schmiede. Als Anika stolz berichtet, dass sie mittlerweile auch aus der direkten Nachbarschaft einige Aufträge erhalten habe, wird aber etwas anderes deutlich. Dass neben der Anerkennung durch ein breiteres, an Goldschmiedekunst interessiertes Publikum auch dies so wichtig ist: In der unmittelbaren Nachbarschaft gesehen und anerkannt zu werden. Die Dorfgemeinschaft als Echokammer des eigenen Tuns – Komplimente stilsicherer Leipziger:innen sind schön, Resonanz aus Herwigsdorf noch ein bisschen schöner. Das schwingt mit, wenn sie von den Theateraufführungen und kleinen Konzerten erzählt, die die Hausbewohner:innen im Sommer im eigenen Garten organisieren: „Es gibt schon ein paar Leute, die sicherlich nicht so richtig verstehen, wie wir so leben mit den ganzen Leuten im Haus. Aber wir machen sommerliche Veranstaltungen, wo sich die eine oder der andere Herwigsdorfer zu uns gesellt und einfach fragt, wie wir so wohnen. Das ist schön und die meisten Leute sind wirklich nett und aufgeschlossen.“

Mittlerweile nimmt auch ein anderer Plan langsam Gestalt an. Bisher hat sie Goldschmiedeworkshops nur im Freundes- und Bekanntenkreis angeboten. Das hat allen Beteiligten viel Spaß gemacht, so dass sie das Angebot sicher zum festen Teil ihres Arbeitsjahres machen wird.

Was ihr Leben zwischen Märkten, Werkstadt, Stadt und Land noch ein bisschen einfacher machen würde? Oder besser? Sie lacht und träumt von einem Kultur-Shuttlebus, der zwischen den Oberlausitzer Städten unterwegs ist und sie nachts auch mal wieder nach Herwigsdorf bringt. „Eine echte Erleichterung wäre aber kostenlose Kita- und Hortbetreuung. Arbeiten, um sich die Kinderbetreuung leisten zu können ist nämlich genauso sinnfrei, wie die Kinder in die Kita zu stecken, damit man arbeiten darf.“

Mehr zu den einzelnen Schmuckstücken von Anika gibts hier.

Claudia Ehrig lebt seit einigen Jahren mit ihrer Familie in Görlitz.

FEMINISTISCHES*FORUM. EIN PORTRAIT.

„Als ich nach Görlitz gezogen bin, wollte ich mich hier einer feministischen Gruppe anschließen. Es gab keine – also habe ich sie gegründet.“  – Rana

„Na, trefft ihr euch wieder zum Sekt trinken?“ „Zeigt ihr euch heute wieder gegenseitig eure Vulven?“ „Ist heute wieder feministischer Kampftreff?“

Diese oder ähnliche Fragen hat wohl jede Teilnehmerin* des Feministischen*forums von Menschen in ihrem Umfeld bereits gestellt bekommen. Es ist interessant zu beobachten, welche Vorurteile im Raum stehen, wenn Frauen* entscheiden, sich regelmäßig in einem exklusiven Raum zu treffen.

Allein die Tatsache, dass Frauen* sich in einem nicht für alle transparenten Rahmen zusammenschließen, scheint Argwohn und Zweifel hervorzurufen. Warum? Vielleicht, weil spürbar ist, dass Frauen*, die sich zusammen schließen eine Kraft entfalten, die gesellschaftlichen Wandel beschleunigen kann?

Mit diesem Beitrag möchten wir als Feministisches*forum unsere Arbeit vorstellen und zeigen, welchen Mehrwert für alle ein solches Format haben kann. Wie fing es an?

Vor etwa zwei Jahren lud uns Rana zu einer ersten Ideenschmiede in ihr Wohnzimmer ein. Es gab Snacks, Tee und Wein. Wir waren eine Runde von etwa sieben Frauen*, von denen sich manche kannten, andere nicht.

Natürlich stand die Frage im Raum, was wir hier überhaupt wollen. Queer-Feminismus und verwandte Themen lagen uns am Herzen, damit wollten wir uns auseinandersetzen und gemeinsam unser Wissen und unseren Blick erweitern. Bisher gab es dazu keine Angebote in Görlitz. Könnten wir uns also vorstellen, ein feministisches Projekt zu starten?

There we are!

In unserer kleinen Runde herrschte keinesfalls Einigkeit, was den Begriff „Feminismus“ betraf, einige hatten große Identifikationsprobleme mit dem Wort. Deshalb stellten wir uns die Frage noch einmal neu:

Können wir Frauen* eine Plattform bieten, um gemeinsam etwas zu gestalten? Das klang für viele schon besser.

Von Beginn an standen uns keinerlei finanzielle Mittel zur Verfügung, wir mussten uns erst einmal mit den vorhandenen Ressourcen organisieren. Anfangs sammelten wir für uns interessante Themen und arbeiteten Diskussionsrunden, Workshops und Vorträge dazu aus. Wir wollten unser Wissen solidarisch teilen, indem Einzelne ihre angeeignete feministische Expertise durch Vorträge und Workshops an die anderen weitergaben.

Der gruppendynamische Enthusiasmus der ersten Treffen verflog schnell und potenzielle Teilnehmer*innen kamen unregelmäßig bis gar nicht. Manchmal saßen wir zu dritt, manchmal zu zweit bei unseren Treffen. Männer* als auch Frauen* reagierten mit Skepsis auf unser Angebot.

Es war spannend zu sehen, wie kritisch die Stimmen auf einmal werden, wenn Männer* auf einer einzigen Veranstaltung in Görlitz nicht erwünscht sind:

„Warum braucht es einen geschlechtshomogenen Raum, wenn Feminismus doch gesamtgesellschaftlich relevant ist? Warum schließt ihr Männer* aus, wenn ihr doch für Gleichberechtigung einsteht?“

Wir stellen uns diese Fragen auch. Auch für uns ist Feminismus keine reine Frauen*frage. Es sollte auch keine sein.

Dennoch denken wir, dass es für die Auseinandersetzung mit bestimmten Themen sinnvoll sein kann, einen Schutzraum vor männlicher* Beobachtung, Bewertung und Dominanz zu bieten.

Das Feministische*forum ist deshalb offen für Frauen*, Lesben*, Trans*-, Inter*- und nicht-binäre* Menschen. Innerhalb dieses Spektrums ist jede Person genau so willkommen, wie sie ist.

Um die Vielfalt der Geschlechter-Identitäten zu kennzeichnen, benutzen wir das Gender-Sternchen*. Für einige Stunden sollen patriarchale Strukturen nicht präsent sein – so kann ein Raum zum Kennenlernen eigener Stärken und für einen wertfreien Meinungsaustausch geschaffen werden. Innerhalb dieses Raumes können die anwesenden FLINT*-Menschen Solidarität und Empowerment erfahren, sowie Stärken entwickeln, die sie dann nach außen tragen können.

Uns ist es wichtig, einen Raum zu schaffen, in welchem wir uns über feministische Inhalte austauschen und weiterbilden können, um dieses Wissen weiterzugeben und uns in unseren Standpunkten zu stärken. Uns verbindet die Erfahrung der Benachteiligung in verschiedenen Lebensbereichen, die alle kennen lernen, die von der Gesellschaft als FLINT* gelesen werden. Der Austausch darüber ermöglicht es uns, einen tieferen Zugang zu verschieden feministischen Problematiken, Inhalten und Chancen zu bekommen und uns persönlich weiterzuentwickeln. Wichtig ist es uns, damit eine Lücke in Görlitz zu füllen, für alle FLINT*, welche sich solch einen Raum wünschen.

Perspektivisch ist es jedoch auch im Sinne des Forums, ausgewählte Veranstaltungen auch für Männer* zu öffnen. Auch sie sollen von unseren Formaten inspiriert werden, denn Feminismus ist für uns alle relevant.

Klausurergebnisse

Im Laufe der Zeit etablierte sich das Feministische*forum immer mehr. Es kamen stetig neue Interessierte dazu und blieben. Mittlerweile hatte sich ein fester Kern von Frauen* gefunden, die die wöchentlichen Treffen gerne nutzen. Darüber hinaus gab es verschiedenste interessierte FLINT*, welche an von uns organisierten oder unterstützten öffentlichen Veranstaltungen teilnahmen.

Als die Anzahl der Teilnehmenden im Forum stieg, wurde uns klar, dass wir ganz unterschiedliche Erwartungen und Wünsche an diese Treffen hatten. Das am Anfang thematisch sehr offene und dynamische Konzept benötigte einen deutlicheren Leitfaden, um diese Vorstellungen zu bündeln und das Forum effizienter zu organisieren. Innerhalb eines intensiven Klausurnachmittags wurden die letzten zwei Jahre evaluiert und diskutiert.

Im Ergebnis kristallisierte sich heraus, dass zum einen für viele Teilnehmende die Treffen im privaten Rahmen ein wichtiger Aspekt des Forums sind, um einen Schutzraum für persönlichen Austausch zu haben. Zum anderen gibt es einen Teil des Forums, welcher seinen Fokus auf Veranstaltungen und Aktionen im öffentlichen Raum legt. Da sich die verschiedenen Bereiche nicht gegenseitig ausschließen, wurde beschlossen, beides innerhalb des Feministischen*forums zu vereinen. Zu den regelmäßigen Feministisches*forumstreffen kommen seitdem separate Plena, in welchen externe Aktionen wie zum Beispiel der ‘Frauen.Engagement.Raum‘ besprochen und geplant werden. Beide Teile des Forums sind jederzeit für neue Teilnehmer*innen geöffnet. Inwieweit jede Einzelne dann als Konsument*in oder auch als Produzent*in sichtbar wird, liegt dabei ganz bei der einzelnen Person. Das Feministische*forum möchte dabei eine Plattform für alle sein, die mehr wissen und vielleicht auch mehr machen wollen.

Und mittlerweile haben wir auch eine Definition für Queerfeminismus:

Als Queerfeminismus verstehen wir den aktiven Kampf gegen strukturelle Ausgrenzung von Menschen qua Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Gesundheit, Klasse, Aussehen, Religion und Glaube sowie Alter. Dabei wissen wir um die Vielfalt von Geschlechtern, die ausschließlich in der Eigendefinition zu finden ist. Heteronormativen Zuschreibungen und den damit einhergehenden Normvorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit und dem Zwang zu Heterosexualität stellen wir uns immer und überall entgegen.

Kontaktiert werden, können wir über:

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Über unsere Facebook-Seite „aus’m F:f“ erfahrt ihr von unseren Veranstaltungen

DRÜCK‘ SELBST DEN KNOPF IM FAHRSTUHL!

Weißt du, warum ich nie in meinem Leben angestellt war? Warum ich übergangslos von meinem Studium in die Selbstständigkeit gegangen bin? Weil ich schon immer, schon als Baby, mein eigenes Business haben wollte und als Kind bereits BWL-Bücher verschlungen habe!

Das ist natürlich Quatsch. Ganz ehrlich: Es war aus Versehen. Ich stand mal wieder in einem Fahrstuhl und hatte vergessen, den Knopf zu drücken. So kam ich diesmal im Keller bei der Putzfrau raus.

Warum du definitiv einen Knopf im Fahrstuhl drücken solltest

Mein damaliger Mann und ich hatten in einem Anfall geistiger Umnachtung beschlossen, ein Haus in der südbrandenburgischen Provinz zu kaufen. Das war zwar günstig und das Haus war schön alt, aber fast eine Lebensaufgabe, es zu sanieren. Damals, das war 2002. Meine Kinder waren 2 und 4 Jahre alt. Und ich wollte, dass sie groß werden, mit nackten Füßen über taufrisches Gras laufen, mit dem Fahrrad zum Kumpel um die Ecke fahren, ein Baumhaus im Apfelbaum bauen und mit den Freunden Nächte im eigenen Garten durchfeiern, wenn die Eltern nicht da sind. Und Oma und Tante in der Nähe.

Berlin, das war eigentlich meine Welt. Aufgewachsen bin ich genau in jenem Ort, an den ich dann 13 Jahre später wieder zurückgezogen bin. In Lauchhammer. Nach der Wende war ich in Stuttgart, Dresden und Berlin. Und ich hatte vergessen, wie Provinz ist. Schön naturbelassen. Aber eben auch provinziell.

2002 gab es keine Jobs. Zehn Jahre zuvor waren Hunderttausende arbeitslos geworden. Strukturwandel, Teil 1. Marode und umweltschädliche Braunkohleverstromung oder -brikettierung brauchte man nicht mehr.

Wohin mit den vielen gering qualifizierten Arbeitskräften? Straße. Arbeitsamt. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Da ging damals echt die Party ab.

Nun war ich auf einmal Teil der Party. Ich war Mutter von zwei kleinen Kindern, hatte zwei Diplome in der Tasche und hatte so richtig Bock, die Arbeitswelt mit meinem Enthusiasmus, meinen Ideen und meinem profunden Fachwissen aus BWL und Ingenieurwissenschaften zu bereichern. Studiert hatte ich neun Jahre, BWL an der TU Dresden und nach dem Abschluss, mit 23, fühlte ich mich zu jung für einen Nine-to-five-Job. Und ich wollte nach dem trockenen BWL-Zeugs mal was richtig Schönes studieren. Daher entschied ich mich für Landschaftsarchitektur. Hach! Während dieses Studiums bekam ich meine beiden Kinder und schloss das Studium 2002 mit Diplom ab.

Allerdings legte die Arbeitswelt in Form von bezahlten Jobs keinen Wert auf mich und mein tolles Fachwissen. Ich bekam nur Absagen.

Nun sei doch vernünftig – bleib doch zuhause

Daher dachte ich, es wäre schlau, zum Arbeitsamt zu gehen. Ich studierte ja gerne, vielleicht wäre eine Fortbildung drin. Zettel ziehen, Arbeitsamt-Atmosphäre genießen, warten. Drin starrte mich die Mitarbeiterin entgeistert an. Sie blätterte durch meine Unterlagen und sagte: “Weiterbildung? Können Sie vergessen. Sie sind doch jetzt schon überqualifiziert.” Ich wagte zu fragen: “Und ein Englischkurs?” Sie lehnte sich vornüber, beugte sich zu mir und legte ihre Hand auf meinen Unterarm. “Mädel. Nun sei doch vernünftig. Die Arbeitslosenquote hier liegt bei fast 40 %. Da werden die Firmen nicht gerade auf dich warten. Du hast doch einen Mann, der verdient ganz gut. Bleib zu Hause und kümmere dich um deine Kinder.” Abrupt machte ich mich groß und stand auf. “Mich von meinem Mann versorgen lassen? Kommt nicht in Frage!” Was war das denn für ein Vorschlag? Ich kam nicht drüber weg. Danach hatte ich noch weitere behördliche Mitarbeiter zu überwinden, um arbeitssuchend ohne Leistungsbezug zu werden – und ich schwankte mit letzter Kraft zur Tür hinaus.

An jenem Tag, im April 2003 beschloss ich: „Da gehst du nie wieder hin. Nie wieder!!!“ Höchstens in die Nachbartür. Da stand Arbeitgeberservice dran. Die Jungs hier werden mich als Arbeitgeber noch schätzen! Ich wusste nicht wie. Ehrlich gesagt, ich hatte keine Ahnung, was es heißt, selbstständig zu sein.

Aber ich ging los. Aus Trotz. Und mit einem Bild vor Augen. Arbeitgeberin zu werden. Selber Arbeitsplätze zu schaffen.

Das Einizige, was ich wirklich konnte, war schreiben

Während ich so aus dem Arbeitsamt raus spazierte und gedankenverloren weiterging, stand ich auf einmal vor einem Gebäude. Da stand in blauen Buchstaben: „Lausitzer Rundschau“. Ich überlegte. Das Einzige, was ich wirklich konnte, war schreiben. Ich beschloss, Journalistin zu sein.

In einem weiteren Anfall von Verzweiflung und Übermut, wählte ich die Nummer des Redaktionschefs der Zeitung. Die Sekretärin war eine Seele von Mensch und stellte mich durch. Ich sagte forsch: „Guten Tag, ich kann gut schreiben. Was muss ich tun, um für Sie arbeiten zu können?“ Gegenfrage: „Was können Sie denn bieten? Haben Sie einen Text für uns…?“ Äh… Blitzschnell fiel mir ein, dass es bestimmt interessant wäre, wenn es mir gelänge, einen sehr publikumsscheuen Unternehmer am Ort zu interviewen. Und sprach: „Ich kenne Herrn M., Geschäftsführer von XY ganz gut. Wie wäre es mit einem Vorstellungstext?“ Stille. Und dann: „Oh. Wenn Sie den kennen …?  Na, dann los!“ Das Interesse am anderen Ende konnte ich förmlich spüren. Wir einigten uns darauf, dass ich bis Freitag diesen Text an die Redaktion senden sollte. Ich legte auf. Und ich wusste, dass es an eine Unmöglichkeit grenzte, einen Mann, der als extrem pressescheu galt, bis zum drauf folgenden Tag zu interviewen. Einen Termin zu bekommen, einen Text zu verfassen als Neuling – und dann noch beim Chefredakteur durchzukommen.

Was ziehen Journalisten überhaupt an?

Aber es nutzte ja nix. Ich hatte ja nun mal zugesagt. Also drehte ich das Telefon in meinen Händen. Mehrfach. Dann fasste ich mir ein Herz und rief die Sekretärin von besagtem Unternehmer an. „Es geht um Leben und Tod. Ich brauche heute Nachmittag einen Termin mit Herrn M.“. „Okeeeee. Moment!“ Ich bekam den Termin. Schnell ins Bad, ordentliche Sachen anziehen. Oh, was ziehen Journalisten eigentlich an? Und was zu Schreiben mitnehmen. Da kann ich wohl nicht mit meinem ausgenudelten Schreibblock vom Studium hin wackeln… Also ein altes Buch rausgekramt, die ersten Seiten rausgerissen, in denen mein Sohn gemalt hatte. Und los.

Der Unternehmer übrigens, er war einer von der Sorte, die, egal auf welche Frage mit Ja oder Nein und langem Schweigen antworten, nahm sich tatsächlich eine halbe Stunde Zeit. Ich schmierte ihm auf die Stulle, dass sein Porträt dem Ober-Ober-Ober-Chef der Rundschau persönlich sehr am Herzen läge.

Entweder, ich konnte gut überzeugen, oder der Mann hat aus Mitleid mitgespielt. Das weiß ich bis heute nicht. Nun, nach einem mehr als anstrengenden Gespräch – eher ein Monolog von meiner Seite, hatte ich die erforderlichen Informationen zusammen. Fuhr nach Hause und begann zu schreiben, als meine beiden Kinder im Bett waren. Ich schrieb, und schrieb und schrieb. Und weit nach Mitternacht war ich fertig. Ließ den Text „reifen“ und sandte ihn am folgenden Tag an den Chefredakteur.

Kurz nachdem ich auf den Sendebutton gedrückt hatte, klingelte mein Telefon. „Wo haben Sie das gelernt?“ „Ich, äh…“ Kurz, wir einigten uns auf drei Wochen unbezahltes Praktikum und danach war ich drin. Freie Journalistin für einen Hungerlohn. Auf monatliche Rechnung, die geringer war als Hartz IV. Aber drin im System.

Nach einigen Wochen kam Routine. So viele spannende Menschen! Ich lernte, zuzuhören. Zu fragen. Ganz aufmerksam zu sein. Und ich stellte fest: Jede*r hat eine Geschichte. Voll Tragik, voll Glück, voll Liebe und voll Schmerz. Das Leben. Das hat mich nicht losgelassen. Ich liebe es, Geschichten zu hören, zu erleben und zu sehen, wie Menschen wachsen.

Nach einigen Monaten fragte mich einer der Menschen, die ich kennen lernte, ob ich auch den Text seiner Website schreiben könnte. Ich konnte. Und merkte schnell, dass diese Seite des Schreibtisches besser bezahlt wurde. So wechselte ich auf die PR-Seite. Auch hier: Es geht immer um die Menschen, die etwas zu sagen haben und ihre Geschichte erzählen.

Kein Urlaub, dafür Picknick im Wohnzimmer

Irgendwann kamen dann grafische Aufträge dazu – und es wurde eine Werbeagentur aus der Selbstständigkeit. Es war viel Arbeit. Lehrgeld! Allzu oft war der Kühlschrank leer. Hmm. Mal wieder Leberwurstbrot. Meine Kids haben davon nicht so viel mitbekommen. Denn es ist eine Frage der Sichtweise. „Wollen wir heute Eier essen?“ „Hatten wir die nicht gestern schon?“ „Na klar, aber doch keine Spiegeleier.“ Ihr versteht, was ich meine. Also wenn kein Urlaub, dann aber Picknick im Wohnzimmer. Irgendwann wurde es besser und besser. Die Aufträge größer, die Beratung strategischer. Immer noch im Mittelpunkt: Menschen und ihre Geschichten, denn, komm mal nah ran an den Bildschirm: Menschen kaufen bei Menschen. Das wird immer so sein – und es ist das Geheimnis des Marketings.

Und dann:

Etwa fünf Jahre später parkte ich meinen Touran auf dem Parkplatz vor dem Arbeitsamt, das inzwischen Agentur für Arbeit hieß. Ich hatte ein ansehnliches Jackett an, leichte Absatzschuhe und meine Tasche war auch ganz hübsch. Ich ging hin zur Tür vom Arbeitgeberservice, wurde überaus freundlich und beflissen begrüßt und bekam sofort einen Termin, bei dem ich mit Handschlag von meinem Berater begrüßt wurde. Denn ich hatte zwei Jobs anzubieten. In meinem eigenen Unternehmen!

Ich hatte einen Traum. 2016 schon. Immer wieder stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn ich mein Unternehmen vom Campingplatz aus führen könnte. Ja, du liest richtig. Campingplatz. Ich liebe es, unterwegs zu sein. Mein Wunsch war, Wieduwilt Kommunikation so aufzustellen, dass wir unsere Kund*innen komplett ortsunabhängig betreuen können. Und ich in meiner Lieblingskuscheljacke in der Natur an den schönsten Orten der Welt sitze – und über Internet mit allen in Verbindung bin, während ich die Welt entdecken darf. Ich bin am kreativsten, wenn ich in der Natur bin.

Ja, was soll ich dir sagen? Ich glaubte nicht daran. Aber eine Unternehmensberaterin, die ich damals eigentlich wegen einer ganz anderen Sache gebucht hatte, die fragte mich, was ich „eigentlich“ am liebsten in fünf Jahren tun würde. Ich platzte raus: „Mein Firmenimperium vom Campingplatz aus steuern.“ Und sie sagte: „OK. Gehen wir es an.“ Sie wunderte sich nicht einmal. Ich war baff. Wenn so logische Menschen, wie Unternehmensberater, es nicht für komplett bescheuert halten, vielleicht geht es ja doch…

Und wenn du mich jetzt fragst, was ich anders machen würde?

Nur eine Sache: Ich würde früher und noch mutiger meiner Intuition vertrauen und mich auf die Weisheit des Universums verlassen. (Natürlich, nie, ohne die Dinge auch zu tun, die zu tun sind).

Foto: Jana Wieduwilt

Jana Wieduwilt

… ist Unternehmerin und Spezialistin für Strategisches Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation. Mehr Infos auf ihrer Website

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