„Als ich nach Görlitz gezogen bin, wollte ich mich hier einer feministischen Gruppe anschließen. Es gab keine – also habe ich sie gegründet.“ – Rana
„Na, trefft ihr euch wieder zum Sekt trinken?“ „Zeigt ihr euch heute wieder gegenseitig eure Vulven?“ „Ist heute wieder feministischer Kampftreff?“
Diese oder ähnliche Fragen hat wohl jede Teilnehmerin* des Feministischen*forums von Menschen in ihrem Umfeld bereits gestellt bekommen. Es ist interessant zu beobachten, welche Vorurteile im Raum stehen, wenn Frauen* entscheiden, sich regelmäßig in einem exklusiven Raum zu treffen.
Allein die Tatsache, dass Frauen* sich in einem nicht für alle transparenten Rahmen zusammenschließen, scheint Argwohn und Zweifel hervorzurufen. Warum? Vielleicht, weil spürbar ist, dass Frauen*, die sich zusammen schließen eine Kraft entfalten, die gesellschaftlichen Wandel beschleunigen kann?
Mit diesem Beitrag möchten wir als Feministisches*forum unsere Arbeit vorstellen und zeigen, welchen Mehrwert für alle ein solches Format haben kann. Wie fing es an?
Vor etwa zwei Jahren lud uns Rana zu einer ersten Ideenschmiede in ihr Wohnzimmer ein. Es gab Snacks, Tee und Wein. Wir waren eine Runde von etwa sieben Frauen*, von denen sich manche kannten, andere nicht.
Natürlich stand die Frage im Raum, was wir hier überhaupt wollen. Queer-Feminismus und verwandte Themen lagen uns am Herzen, damit wollten wir uns auseinandersetzen und gemeinsam unser Wissen und unseren Blick erweitern. Bisher gab es dazu keine Angebote in Görlitz. Könnten wir uns also vorstellen, ein feministisches Projekt zu starten?
In unserer kleinen Runde herrschte keinesfalls Einigkeit, was den Begriff „Feminismus“ betraf, einige hatten große Identifikationsprobleme mit dem Wort. Deshalb stellten wir uns die Frage noch einmal neu:
Können wir Frauen* eine Plattform bieten, um gemeinsam etwas zu gestalten? Das klang für viele schon besser.
Von Beginn an standen uns keinerlei finanzielle Mittel zur Verfügung, wir mussten uns erst einmal mit den vorhandenen Ressourcen organisieren. Anfangs sammelten wir für uns interessante Themen und arbeiteten Diskussionsrunden, Workshops und Vorträge dazu aus. Wir wollten unser Wissen solidarisch teilen, indem Einzelne ihre angeeignete feministische Expertise durch Vorträge und Workshops an die anderen weitergaben.
Der gruppendynamische Enthusiasmus der ersten Treffen verflog schnell und potenzielle Teilnehmer*innen kamen unregelmäßig bis gar nicht. Manchmal saßen wir zu dritt, manchmal zu zweit bei unseren Treffen. Männer* als auch Frauen* reagierten mit Skepsis auf unser Angebot.
Es war spannend zu sehen, wie kritisch die Stimmen auf einmal werden, wenn Männer* auf einer einzigen Veranstaltung in Görlitz nicht erwünscht sind:
„Warum braucht es einen geschlechtshomogenen Raum, wenn Feminismus doch gesamtgesellschaftlich relevant ist? Warum schließt ihr Männer* aus, wenn ihr doch für Gleichberechtigung einsteht?“
Wir stellen uns diese Fragen auch. Auch für uns ist Feminismus keine reine Frauen*frage. Es sollte auch keine sein.
Dennoch denken wir, dass es für die Auseinandersetzung mit bestimmten Themen sinnvoll sein kann, einen Schutzraum vor männlicher* Beobachtung, Bewertung und Dominanz zu bieten.
Das Feministische*forum ist deshalb offen für Frauen*, Lesben*, Trans*-, Inter*- und nicht-binäre* Menschen. Innerhalb dieses Spektrums ist jede Person genau so willkommen, wie sie ist.
Um die Vielfalt der Geschlechter-Identitäten zu kennzeichnen, benutzen wir das Gender-Sternchen*. Für einige Stunden sollen patriarchale Strukturen nicht präsent sein – so kann ein Raum zum Kennenlernen eigener Stärken und für einen wertfreien Meinungsaustausch geschaffen werden. Innerhalb dieses Raumes können die anwesenden FLINT*-Menschen Solidarität und Empowerment erfahren, sowie Stärken entwickeln, die sie dann nach außen tragen können.
Uns ist es wichtig, einen Raum zu schaffen, in welchem wir uns über feministische Inhalte austauschen und weiterbilden können, um dieses Wissen weiterzugeben und uns in unseren Standpunkten zu stärken. Uns verbindet die Erfahrung der Benachteiligung in verschiedenen Lebensbereichen, die alle kennen lernen, die von der Gesellschaft als FLINT* gelesen werden. Der Austausch darüber ermöglicht es uns, einen tieferen Zugang zu verschieden feministischen Problematiken, Inhalten und Chancen zu bekommen und uns persönlich weiterzuentwickeln. Wichtig ist es uns, damit eine Lücke in Görlitz zu füllen, für alle FLINT*, welche sich solch einen Raum wünschen.
Perspektivisch ist es jedoch auch im Sinne des Forums, ausgewählte Veranstaltungen auch für Männer* zu öffnen. Auch sie sollen von unseren Formaten inspiriert werden, denn Feminismus ist für uns alle relevant.
Im Laufe der Zeit etablierte sich das Feministische*forum immer mehr. Es kamen stetig neue Interessierte dazu und blieben. Mittlerweile hatte sich ein fester Kern von Frauen* gefunden, die die wöchentlichen Treffen gerne nutzen. Darüber hinaus gab es verschiedenste interessierte FLINT*, welche an von uns organisierten oder unterstützten öffentlichen Veranstaltungen teilnahmen.
Als die Anzahl der Teilnehmenden im Forum stieg, wurde uns klar, dass wir ganz unterschiedliche Erwartungen und Wünsche an diese Treffen hatten. Das am Anfang thematisch sehr offene und dynamische Konzept benötigte einen deutlicheren Leitfaden, um diese Vorstellungen zu bündeln und das Forum effizienter zu organisieren. Innerhalb eines intensiven Klausurnachmittags wurden die letzten zwei Jahre evaluiert und diskutiert.
Im Ergebnis kristallisierte sich heraus, dass zum einen für viele Teilnehmende die Treffen im privaten Rahmen ein wichtiger Aspekt des Forums sind, um einen Schutzraum für persönlichen Austausch zu haben. Zum anderen gibt es einen Teil des Forums, welcher seinen Fokus auf Veranstaltungen und Aktionen im öffentlichen Raum legt. Da sich die verschiedenen Bereiche nicht gegenseitig ausschließen, wurde beschlossen, beides innerhalb des Feministischen*forums zu vereinen. Zu den regelmäßigen Feministisches*forumstreffen kommen seitdem separate Plena, in welchen externe Aktionen wie zum Beispiel der ‘Frauen.Engagement.Raum‘ besprochen und geplant werden. Beide Teile des Forums sind jederzeit für neue Teilnehmer*innen geöffnet. Inwieweit jede Einzelne dann als Konsument*in oder auch als Produzent*in sichtbar wird, liegt dabei ganz bei der einzelnen Person. Das Feministische*forum möchte dabei eine Plattform für alle sein, die mehr wissen und vielleicht auch mehr machen wollen.
Und mittlerweile haben wir auch eine Definition für Queerfeminismus:
Als Queerfeminismus verstehen wir den aktiven Kampf gegen strukturelle Ausgrenzung von Menschen qua Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Gesundheit, Klasse, Aussehen, Religion und Glaube sowie Alter. Dabei wissen wir um die Vielfalt von Geschlechtern, die ausschließlich in der Eigendefinition zu finden ist. Heteronormativen Zuschreibungen und den damit einhergehenden Normvorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit und dem Zwang zu Heterosexualität stellen wir uns immer und überall entgegen.
Kontaktiert werden, können wir über:
Über unsere Facebook-Seite „aus’m F:f“ erfahrt ihr von unseren Veranstaltungen