Eine Frau in der Lausitz

Es scheint fast so, als ließe Sybille Tetsch sich von niemandem beirren, erst recht nicht von Männern. Mit ihrem Mann hat sie zwar schon in Niedersachsen zusammengearbeitet, aber abhängig hätte sie sich da nie gefühlt. Es wird deutlich, dass sie sich als Team verstehen. Aber wie war es für die Proschimerin als Frau in der Lausitz vor ihrem Weggang in den Westen?

Kurz vor der Wende begann sie eine Ausbildung zur „Revierförsterin“. Dass sie dort vor allem mit Männern zusammenarbeiten würde, stellte für sie gar kein Problem dar: “Ich habe immer lieber mit Männern gearbeitet. Ich mochte es auch, körperlich schwere Arbeit zu leisten. Ich wurde da akzeptiert. Das wird aber auch ein Unterschied zwischen Ost und West sein, denn die Männer im Osten waren ja auch so sozialisiert und es gewöhnt, dass da immer Frauen mit im Betrieb gearbeitet haben. Als ich mal auf einer Recyclinganlage gearbeitet habe, da hat auch keiner gefragt. Wenn da keiner da war, dann musste ich den wartenden LKW mit unserem Radlader beladen. Am Anfang haben die von dem Fuhrunternehmen vielleicht noch geguckt, weil sie Angst hatten, dass ich den LKW kaputt mache, aber das ging nicht anders.”

Allerdings wurden die Frauen nach der Wende in der Forstwirtschaft nicht mehr gebraucht. Doch auch diese Ansage verwandelte Sybille Tetsch damals in Tatendrang und begann ein Studium in Halle zur Umweltschutztechnikerin. Und ganz nebenbei war sie im Jahr 1994 Gründungsmitglied der Landfrauen in Proschim.

Frauenvereine für den Zusammenhalt

Der Landfrauenverband ist ein Verein, der zeigt, wie wichtig die Bedeutung der Frau auf dem Land überhaupt ist. Frau Tetsch erzählt, dass der Verein der Landfrauen sich gegründet habe, als das Dorf Proschim zum ersten Mal gesagt bekam, dass es stehen bleiben dürfe. Eine Bäuerin aus dem Dorf sei zu einem Treffen der Landfrauen in den alten Bundesländern gefahren und entschloss sich, so einen Verein auch in Proschim zu gründen. Der Grundgedanke dahinter: Frauen zusammenbringen. Vor allem Frauen, die nach der Wende arbeitslos geworden waren. Letztlich entwickelte sich aus einer kleinen Gruppe schließlich ein großer Orts-Landfrauenverband. Sybille Tetsch resümiert: „Ich glaube, dass die Landfrauen es damals geschafft haben, das zerrissene Dorf wieder zu einen. Als die Männer vielleicht noch nicht wieder miteinander gesprochen haben, haben sie gesagt: Jetzt machen wir ein Grillfest, jetzt machen wir etwas Schönes zusammen und sie haben die Männer mitgenommen und sie wieder zusammengebracht.“

Ihre Hoffnung setzt Sybille Tetsch auch in die jungen Frauen, etwa solche, die sich aktiv bei Fridays for Future einsetzen. Ihrer Meinung nach denken Frauen zukunftsorientierter als Männer: „Frauen kämpfen für die Zukunft, weil sie an die nächste Generation denken. Männer wollen den Status quo halten, wenn man so will. Sie wollen ihre derzeitige Macht sichern.“

Sybille Tetsch ist so eine Kämpferin. Und eine Ideengeberin, die viel Hoffnung darin setzt, dass irgendwann jemand ihrem Beispiel folgt und aus einer kleinen Idee etwas Schönes in Proschim schafft. Und wer weiß, vielleicht steht ja dann eines Tages – ein paar Häuser weiter vom Schmeckerlein – eine Ideenschmiede für Künstler*innen.