Frauen als Akteur:innen der Nachhaltigkeit

Abgelaufen

Franziska Stölzel gewinnt für F wie Kraft beim EKU-Zukunftspreis 2022

Der EKU Zukunftspreis bietet Engagierten in Sachsen die Möglichkeit, Preisgelder für Projektideen zu generieren, die ökologische und nachhaltige Grundprinzipien verfolgen. 

Auch wir haben uns im letzten Jahr beworben und ein Preisgeld gewonnen. Die Idee: Frauen als nachhaltige Akteur:innen in der Lausitz sichtbar machen und das Thema Nachhaltigkeit aus Sicht der Lausitzerinnen darstellen.

Für mich selbst ist Nachhaltigkeit ein immer wichtiger werdender Teil des Lebens. Das liegt vor allem daran, dass ich mehr und mehr lerne und erfahre, wie andere Menschen auf der Welt leben, damit ich mir meinen Lebensstandard ermöglichen kann. Von Klimagerechtigkeit und Biodiversität mal abgesehen, geht es für mich auch um Menschenrechte. 

Franzi Stölzel

© Franziska Stölzel

Warum spielen Frauen so eine wichtige Rolle, wenn es um Nachhaltigkeit geht? Fest steht, dass Frauen ein stärkeres Interesse an Nachhaltigkeit haben. Sie interessieren sich eher für Tierwohl als Männer und leben daher auch öfter vegan oder vegetarisch. Sie schätzen einen nachhaltigen Lifestyle, nutzen Second-Hand-Märkte und kaufen Produkte biologisch, regional und im Allgemeinen auch gesünder. Des Weiteren engagieren sich Frauen öfter engagiert im Umweltschutz (Jennifer Kuzu, Fashionchangers.de, 2021).

Die 2018 durchgeführte Mintel-Studie hat den so genannten Eco-Gender-Gap beschrieben. In dieser Studie wurden 71 Frauen und 59 Männer zu Nachhaltigkeitsthemen befragt. Frauen stimmten eher als die befragten Männer den Aussagen zu, dass sie nachhaltig leben, Freunde und Familie davon überzeugen wollen und diese Sichtweisen im Alltag einbringen. Sie gaben auch häufiger an, zu Recyclen, die Heizung beim Verlassen des Hauses/der Wohnung auszuschalten und auf den Wasserverbrauch zu achten, sowie Lebensmittel nicht zu verschwenden und Abfälle zu kompostieren.

Natürlich zählt auch hier die unbezahlte Arbeit von Frauen dazu, die sich um Pflege, Einkaufen, Putzen, Gartenarbeit kümmern und Ehrenämter sozial auswählen. Kuzu schreibt: “Damit einher geht auch die Verpflichtung, möglichst gesunde Produkte für die Lieben auszuwählen: Es wird erwartet, dass insbesondere Mütter stets die besten Entscheidungen für die zu versorgenden Personen treffen. Weil mittlerweile deutlich geworden ist, wie schädlich Produkte aus Plastik, bestimmte Stoffe in Kosmetika, Kleidung und Lebensmitteln sein können, ist die logische Konsequenz der Griff zu nachhaltig produzierten, unbedenklicheren Gütern und Bioprodukten”. 

Frauen und Marketing: Es ist nicht überall Nachhaltigkeit drin wo es drauf steht

Als Ergänzung dazu ist es enorm wichtig, über das Marketing mit und für Frauen zu sprechen. Allgemein kann man davon ausgehen, dass 70 - 80% der Kaufentscheidungen von Frauen getätigt werden. 86% der Haushaltsführenden sind weiblich. Produkte werden daher so vermarktet, dass sie Frauen ansprechen. Während Männer zielorientiert einkaufen, mögen Frauen das Erlebnis des Kaufens, kaufen eher nach Bedarfen und der qualitativen Erfüllung eines Produktes ein  (Eva Simone Klaver, 2011). Frauenmärkte bilden einen „hohen Konkurrenzgrad, [einen] hohen Grad der Produkt- und  Markendifferenzierung, niedriges Preisniveau und hohe Umsatzschnelligkeit“ (Frink 1993, S.30). Wir Frauen werden also für unsere unbezahlte Arbeit und den Willen, möglichst nachhaltig zu kaufen, in die Irre geführt. 

Es ist auch wichtig zu betonen, dass es das Gendermarketing vor allem für Kinder und junge Menschen schwer macht, das richtige Produkt auszuwählen. Die Dimensionen von Geschlecht werden schon seit Jahren für die Vermarktung von Produkten genutzt. Es wird davon ausgegangen, dass wir als Verbraucher:innen uns mit unserem Geschlecht identifizieren und ein Produkt eher kaufen, wenn es sehr weiblich aussieht: “Weiblichkeits- und Männlichkeitsbilder werden durch ästhetische Merkmale sowohl geformt als auch wirksam transportiert: wie ›rund, pink, helle Farben, glänzende Oberflächen‹ (›weiblich‹) und ›kantig, blau, dunkle Farben, matte Oberflächen (›männlich‹)”.

Doch was bedeutet das nun für uns Lausitzer:innen?

Die Autorinnen Hausner, Waibel, Muner-Sammer und Fischer der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik beschreiben in ihrer Studie: Gender & sozial-ökologische Transformation, dass Frauen weniger in Transformationsgeschehen beteiligt sind. Das gilt auch für andere vulnerable Gruppen wie Senior:innen, Menschen mit Behinderung, Kinder und Jugendliche uvm. So entsteht auch in diesen Prozessen wenig Sichtbarkeit für Minderheiten. Wir merken es selbst, dass in vielen politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Gremien universale Geschlechterstereotype bedient und weitergegeben werden. Dabei wäre es umso wichtiger, Diversität als Chance zu begreifen und die Intersektionalität von Betroffenen einzubeziehen. 

In der Studie Frauen.Energie.Wende wird von ungleichen Beteiligungsmöglichkeiten bei der Energiewende gesprochen. Sie erklären eindrücklich, warum Frauen Schlüsselakteur:innen für die Transformation sind und das nicht nur, weil sie eine positivere Einstellung zu erneuerbaren Energien haben als Männer. Eine gendergerechte Energiepolitik hat eine größere Reichweite und führt somit auch zu nachhaltigen Maßnahmen. Zudem belegen die Autor:innen, dass Diversität auch den Unternehmen gut tut, denn diese “steigert Profitabilität, senkt Risikoverhalten/Umweltbelastungen, begünstigt Nachhaltigkeit und Innovation”.

Was wir also brauchen ist gerechte Arbeit (-steilung) und Gleichberechtigung für Alle. Frauen verhalten sich nämlich nicht immer nur nachhaltig, weil sie es wollen, viele haben keine andere Wahl. Keil Auto zu besitzen heißt, auf ÖPNV angewiesen zu sein, sich kein Haus mit viel Platz leisten zu können, heißt in kleineren Wohnungen zu leben. Somit ist Geschlecht – egal ob sozial oder biologisch – auch ein Teil der Raumentwicklung und muss bei Planungsprozessen mitgedacht werden.

 

Franziska Stölzel...

... ist Wissenschaftlerin für Wandel- und Transformationsprozesse. Obwohl es sie nach ihrem Studium zunächst nach Südamerika gezogen hat, war für sie immer klar, dass sie zurück in die Lausitz möchte. Aktuell lebt sie in Weißwasser. Sie ist in verschiedensten Projekten aktiv und unterstützt die Initiative F wie Kraft durch Öffentlichkeitsarbeit und ihr Händchen für Projektanträge.

Mit dem Preisgeld...

... unterstützt Franzi verschiedene Akteurinnen aus dem Netzwerk F wie Kraft - zum Beispiel die Menschen rund um das F.E.S.T. in Bautzen. Außerdem entstand durch ihre Arbeit unsere Beitragsserie "Frauen als Akteurinnen der Nachhaltigkeit" mit den spannenden Porträts über Stefanie Alsen und Annett Hertweck. 

Interessant dazu...

... ist die Studie "Zur (Daten-) Lage von Frauen im Strukturwandel der Lausitz", durchgeführt vom TRAWOS-Institut der Hochschule Zittau/Görlitz. Dort werden die Zusammenhänge zwischen Frauen, der sozialökologischen Transformation und dem regionalen Strukturwandel beleuchtet. Hier geht's zur Studie.

 

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