STEINITZER ALPEN

RATGEBER/IN: ASTRID SCHWARZ

Weder Alpen noch Wein würde man erwarten in der Niederlausitz bei Spremberg. Dennoch gibt es sie, noch nie und doch schon immer dagewesen. Die Rebstöcke sind auf einem dreißig Meter hohen Berg gepflanzt, der nicht mehr ist, was ihn einmal zu den Steinitzer Alpen machte. Einst aufgeschoben durch enorme Naturkräfte während des Elsterglazials vor etwa 400.000 Jahren, wurde der Hügel, wie wir ihn heute sehen, in den letzten Jahren durch gigantische Maschinenkraft geformt. Diesem Wolkenberg sieht man nicht an, dass er aus der Verkippung einer Leerstelle erwachsen ist, entstanden durch das Aufbrechen urzeitlicher Pflanzenlagerstätten und ihren Abtransport als Braunkohle in kilometerlangen Zugkolonnen. In dramatisch kurzer Zeit, in zwei Jahren, wurde das Gebiet vollständig um- und untergepflügt, nach weiteren 8 Jahren war es zum Weinberg transformiert.

Der heutige Aussichtspunkt Wolkenberg erinnert an das Dorf Klěšnik, eine ursprünglich niedersorbische Siedlung, der ganz buchstäblich der Boden unter den Füßen weggegraben wurde. Das auf eine mittelalterliche Gründung zurückgehende Dorf wurde geräumt, 172 seiner Bürger, so die „amtliche Umsiedlerzahl“, in die Gemeinde Spremberg umgezogen. Einer der ehemaligen Wolkenberger bewahrte das Wissen um eine alte Rebsorte, den roten Gutedel. Diese Sorte wurde nun heimisch gemacht auf dem Wolkenberg, zusammen mit 46 weiteren historischen Sorten. Es handelt sich dabei um Wiederentdeckungen, in der Lausitz gab es schon im 18. Jahrhundert einen erfolgreichen Obst- und Weinbau.

Aus den 26000 Reben wird inzwischen erfolgreich Brandenburger Landwein produziert, „Feierabend 2018“ oder „Wochenende 2016“ steht etwa auf den Flaschen, gekeltert wird aus zwei roten und fünf weißen Weinsorten. Aus den Zeilen der Rebstöcke spricht also die Geschichte einer Wiederaneignung. Der aktuelle Rebberg Wolkenberg und das ehemalige Dorf Wolkenberg sind vielschichtige Resonanzkörper, jede und jeder erlebt sie anders, alle entwickeln durch den Wein-Wolken-Berg eine andere Beziehungsweise zu dieser unwirklich wirklichen Landschaft.

Astrid Schwarz

Kontakt: astrid.schwarz@b-tu.de

Dieser Beitrag ist ursprünglich im Lausitzblog erschienen.

Foto: Astrid Schwarz

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